Mit Videospiel-Sucht in die Abhängigkeit und die Arbeit getrieben
von Marina Hoffmann
Roblox ist ein Videospiel oder vielmehr eine Videospiel-Plattform. Jede Person kann Roblox herunterladen und erhält damit Zugriff auf über sechs Millionen Spiele. Spiele, die von anderen Nutzer:innen der Plattform mit dem hauseigenen Baukasten »Roblox Studio« erstellt wurden. Da die Plattform kostenlos ist, ist die Hürde sehr niedrig. 60 Prozent der Nutzer:innen sind minderjährig. Die Videospiel-Magazinsendung Game Two veröffentlichte am 19.März den Report »Wie ROBLOX bei Kindern abkassiert«. Darin kommen Entwickler zu Wort, Spieler:innen und Medienpädagogen, die beschreiben, wie Roblox funktioniert und vor allem, wie es Geld verdient. Doch dazu später mehr. Fangen wir vorne an:
Videospiele ermöglichen es Spieler:innen, tiefe Geschichten durch Entscheidungen beeinflussen zu können, hunderte Stunden mit Freund:innen in einem offenen und spannenden Universum zu verbringen oder der eigenen Kreativität einen Raum zu geben, wie in einem großen Sandkasten – einer Sandbox.
Seit Pong und Space Invaders ist viel passiert. Die Videospielbranche ist inzwischen ein riesiger Markt, der 2024 weltweit 182 Milliarden Euro Umsatz generierte. Viele Onlinespiele sind gratis spielbar, sie finanzieren sich über In-Game-Käufe, wobei die Spieler:innen entsprechende In-Game-Währungen erwerben, um alternative Aussehen (Skins) bspw. für ihre Figur oder Waffen zu kaufen. Kaufbare Vorteile gegenüber Spieler:innen, die kein Geld in die Hand nehmen möchten oder können, gelten eher als verpönt. Das nennt sich »Pay to win«.
Wie vieles, das unsere Freizeit bestimmt, können auch Videospiele süchtig machen. Ähnlich wie bei Social Media geht es bei großen Online-Multiplayer-Spielen um unsere Aufmerksamkeit. Je mehr Freizeit wir in Games verbringen, uns die Spielfiguren ans Herz wachsen oder der Frust wächst, weil es nicht schnell genug vorangeht, desto eher sind wir bereit, Geld auf den Tisch zu legen.
Dabei helfen sog.«Skinners Boxen«: In zwei Experimenten wurden Ratten und Tauben in eine Box gesetzt mit einem Knopf oder Schalter. Kam das Tier aus Versehen dagegen, gab es was zu Essen. So konditionierten sie sich selbst dazu, zu drücken, wenn sie hungrig waren. Während die Ratten sich auf das Essen verlassen konnten und nur drückten, wenn sie Hunger hatten, war es bei den Tauben Zufall, wie viele Drucke es brauchte. Das Ergebnis? Die Tauben hämmerten mit dem Schnabel auf den Knopf, erhöhten die Klickzahl, um die Belohnung zu erhöhen.
»Loot-Boxen« könnten 2025 weltweit rund 20 Milliarden Dollar erwirtschaften. Sie enthalten eine feste Anzahl zufälliger, digitaler Produkte mit unterschiedlichen Seltenheitswerten – von normal bis legendär, von kosmetisch bis spielverändernd. Die »Gegenstände« können nur in seltenen Fällen wieder verkauft werden, weshalb es sich legal nur um glücksspielähnliche Mechanismen handelt. Doch auch bei erspielten Belohnungen entscheidet oft der Zufall, ob Spieler:innen kriegen, was sie brauchen, oder weiter spielen müssen.
Geld und Sucht
Zu den süchtig machenden Faktoren gehört auch der soziale Raum, den Videospiele schaffen. Gerade weil sich in Onlinespielen viele Menschen tummeln, können Freund:innen dort gemeinsam spielen oder sogar neue Kontakte knüpfen. Sind sie, wie so oft, weit weg, lassen sich diese Freundschaften nur in den bestimmten Spielen pflegen.
Zu guter letzt trägt jede Stunde und jeder Euro, den Spieler:innen in solche Spiele investieren, zu einer Sucht bei. Wenn sie das Spiel aufgeben würden, wäre all das plötzlich verschwendet.
Kinder sind für solche Süchte besonders anfällig. Sie haben die nötige Fähigkeit zum Bedürfnisaufschub noch nicht entwickelt, können also nicht warten und sich die Wünsche erspielen und tappen deshalb besonders leicht in die Dopamin-Falle. Im Game-Two-Report erzählen Kinder von Mitspieler:innen, die sich auf teure Avatare etwas einbilden und von anderen sogar bevorzugt behandelt werden.
Der junge Entwickler »Aimfewer« berichtet, dass er solche Leute bewunderte und sein ganzes Geld für Robux ausgab. Als er kein Geld mehr hatte, entwickelte er sein eigenes Spiel, um die hauseigene Währung »Robux« zu verdienen. Mit Erfolg.
Während ein Robux beim Einkauf noch 0,0083 bis 0,012 Dollar (je nach Rabatt) kostet, bringt er beim Auszahlen lediglich 0,0035 Dollar. Auszahlen lassen können sich Entwickler:innen das Geld auch erst ab 30.000 verdienten Robux. Zum Vergleich: 30.000 Robux bringen 105 Dollar, kosten aber ohne Rabatte 405 Dollar.
Der Vorteil an eigenen Währungen ist, dass sie sich nicht eins zu eins umsetzen lassen. Kostet ein Skin bspw. 300 Bux, ich kann aber nur 200 oder 400 kaufen, muss ich letzteres Angebot wählen und es bleibt etwas übrig, was mich dann wieder zu neuen Käufen motiviert.
Ein virtuelles Wirtschaftssystem
Roblox’ Monetarisierungssystem ist durch Robux, mit denen in den Spielen dann nochmal individuelle Währungen gekauft werden können, so unübersichtlich, dass weder Kinder noch Eltern einen Durchblick behalten.
Dabei monetarisiert Roblox selbst kaum etwas, das machen vor allem die Entwickler:innen. Roblox stellt ihnen Tutorials zur Verfügung, in denen sie lernen, wie sie am besten Geld generieren: Lootboxen, Abonnements und Season Passes, bei denen bestimmte Stufen erspielt werden können, um Belohnungen zu erhalten – sogar Pop-Ups, die zum Abschluss eines Roblox-Premium-Abos aufrufen, oder direkt Glücksspielautomaten.
Zunächst finanzierte sich Roblox über Werbung für große Marken wie Adidas und Netflix, dann wurde es ein virtuelles Wirtschaftssystem und ein Transaktions-Business. Sogar mit einem eigenen Aktienmarkt für in der Stückzahl künstlich begrenzte Gegenstände. Laut Roblox hinkt dieser Vergleich übrigens. Ähnlich wie bei der Glücksspieldiskussion bei Lootboxen geben sie zu bedenken, dass die Gegenstände eben nicht wieder in nützliche Währungen umgewandelt werden können. Dass limitierte Gegenstände zig tausende Euros kosten können, bleibt dabei unbeachtet.
Die Monetarisierung ist mehr und mehr zum Mittelpunkt geworden. Sinnbild dafür sind sogenannte Line Simulators, bei denen Spieler:innen einfach in einer Schlange warten, um dafür Belohnungen zu erhalten. Wenn Roblox-Premium-Abonnenten Zeit in solchen Spielen verbringen, haben auch die Entwickler:innen was davon.
Laut Dejan Simonovic, Koordinator der Computerspielschule Stuttgart, lässt sich Roblox treffend mit einer Kirmes vergleichen. Alles ist bunt, laut und buhlt um unsere Aufmerksamkeit. Überall gibt es Möglichkeiten, Geld auszugeben.
Für David Baszucki, den Geschäftsführer von Roblox, stellen die Strukturen einen großen Traum dar, in dem Menschen vielleicht bald sogar virtuell zum Arzt gehen können. Ein echtes Metaversum, von dem schon Marc Zuckerberg träumte.
Roblox bietet eine große Anzahl an Bausteinen und macht es damit auch jungen Menschen leicht, das Entwickeln von Spielen zu lernen und unter Umständen sogar zu meistern. Beteiligt werden Entwickler:innen allerdings nur zu 25 Prozent an den Gewinnen. Außerdem sind die Spiele plattformabhängig und können nicht übertragen werden. Entwickler:innen sind also in jeder Hinsicht von Roblox abhängig.
Den Vorwurf der Kinderarbeit weist das Unternehmen entschieden von sich: »Nutzer entscheiden sich freiwillig, ob sie am von uns angebotenen kreativen Prozess teilhaben wollen, und sie haben darüber von Anfang bis Ende die volle Kontrolle.«
Genau. Es existieren Bedürfnisse, die künstlich befeuert werden. Um sie zu befriedigen, brauchen Menschen Robux, und um Robux zu erhalten, müssen sie eben irgendwann dafür arbeiten. Irgendwie vertraut.
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