Industrie-Kultur
An den Rand notiert
von Rolf Euler
Im Ruhrgebiet wird das 25.»Geburtsjahr« der Route der Industriekultur begangen. 1999 waren gerade heftige Bergarbeiterproteste gegen die vorzeitigen Stilllegungspläne aus Bonn verebbt, Stahlindustrie, Bergwerke und Kokereien gab es noch in deutlich sichtbarer Größe. Nun aber wurden alte Standorte entgegen Abrissplänen erhalten. Daraus wurde eine »Route der Industriekultur« erfunden – das zeigte den reformerischen Blick der Zeit.
weiterlesenVor 100 Jahren: Rebel Girl auf Rädern
Alfonsina Strada, die einzige Starterin beim Giro d’Italia der Männer
von Kai Böhne
Neben der Tour de France und der Vuelta a España gehört der Giro d’Italia weltweit zu den bedeutendsten Länderrundfahrten des Straßenradsports. Seit 1909 wird der Giro alljährlich im Mai ausgetragen. Die wechselnde Streckenführung führt durch Italien und das angrenzende Ausland. Bis in die 60er Jahre startete das Rennen in Mailand, dem Hauptsitz der Tageszeitung Gazzetta dello Sport, die den Wettstreit als Werbeaktion initiiert hatte.
Rund acht Jahrzehnte hindurch war der Giro eine reine Männerdomäne. Frauen waren ausgeschlossen.
Die großen Streiks 1924
Eine Ausstellung in Wuppertal
dokumentiert
14.April bis 12.Mai 2024
Verteilungsstelle Kunst und Geschichte
Sedanstr.86/88, 42281 Wuppertal
Jeweils Sa und So von 13 bis 17 Uhr, Tel. (0202) 763553, Eintritt frei
Kambodscha
Vom Terrorregime der ›Roten Khmer‹ zum Kapitalistenparadies
von Gerhard Klas
Ein weitläufiger Schulcampus in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh, gesäumt von Palmen, Kokos- und Mangobäumen. Ein paar verrostete Stangen aus Stahl stehen auf dem Hof. Sie erinnern an ein Gestell, an dem vielleicht einmal Schaukeln hingen. Ab 1975, das ist gewiss, dienten sie dazu, die Insassen des berüchtigten Gefängnisses S-21 bzw. Tuol Sleng zu foltern. Ihnen wurden die Hände hinter dem Rücken mit einem Seil zusammengebunden, dann wurden sie hochgezogen und hängen gelassen – bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit.
weiterlesenDie Nelken sind verblüht
Zum 50.Jahrestag der portugiesischen Revolution
von Paul Stern
Agenten der faschistischen Geheimpolizei PIDE ermorden noch vier Menschen, bevor ihre Zentrale von den aufständischen Massen eingenommen wird: Am Morgen des 25.April 1974 besetzt die Bewegung der Streitkräfte (MFA – Movimento das Forças Armadas) verschiedene strategische Punkte in Lissabon und stürzt die 1926 errichtete faschistische Diktatur von António de Oliveira Salazar, dem Führer des Estado Novo. Das Ziel der Bewegung ist die Beendigung der 13 Jahre zuvor begonnenen Kolonialkriege, freie Wahlen und die Einführung einer bürgerlichen Demokratie.
weiterlesenMissak Manouchian (1906–1944)
Ein armenischer Résistancekämpfer in Frankreich
von Kai Böhne
Am 21.Februar 1944 wurde Missak Manouchian zusammen mit weiteren 25 Widerstandskämpfern auf dem Mont-Valérien hingerichtet. Unter den Toten waren 22 Mitglieder eines von Manouchian angeführten Partisanennetzwerks sowie drei bretonische Gymnasiasten, die wegen Freischärlertätigkeit verurteilt worden waren.
weiterlesenHinter der Mauer
Jonathan Glazers The Zone of Interest
von Kurt Hofmann
Fein säuberlich getrennt. So verläuft das Leben des Ehepaares Höß in Auschwitz. Die Trennlinie ist nicht nur die Mauer zwischen dem von Frau Höß liebevoll angelegten Garten und den von ihrem Gatten Rudolf Höß geleiteten KZ. Sie steht auch paradigmatisch für die Ignoranz all derer, die ja, bewahre, keine Täter:innen waren, und nur »ihr Leben gelebt haben«, dabei alles relativierend, was außerhalb von Haus und Herd, »hinter der Mauer« vorging.
weiterlesenWladimir Iljitsch Uljanow (22.April 1870–21.Januar 1924)
Lenin und die III.Internationale
von Elfie Müller
Die erste antikolonialistische Weltpartei, die Kommunistische Internationale, war die praktische Konsequenz von Lenins Imperialismusanalyse.
weiterlesen80 Jahre nach dem Ende der Belagerung von Leningrad
Der Vernichtungsfeldzug der israelischen Regierung und Armee in Gaza wirft viele Parallelen auf
von Hermann Dierkes
Der von Regierung und Armee offen propagierte, völkermörderische Vernichtungskrieg Israels gegen den Gazastreifen und seine 2,3 Millionen BewohnerInnen grassiert nun seit Anfang Oktober letzten Jahres. Nach drei Wochen pausenloser Bombardierung begann am 28.Oktober die Bodeninvasion mit weiteren schweren Bombardierungen, Artillerie- und Marinebeschuss, Sprengungen und Scharfschützen. Offiziell – und im klaren Gegensatz zu zahlreichen Ansagen israelischer Politiker und Offiziere – kämpft man nicht gegen die Bevölkerung von Gaza, sondern gegen die ”Terrororganisation Hamas”, die am 7. Oktober mit ihrem verheerenden Angriff auf israelische Grenzorte und der Mitnahme von Geiseln den Rachefeldzug ausgelöst hat. Aber dieser hat sehr schnell jede völkerrechtliche und moralische Grenze überschritten.
UN-Gerichtsentscheid missachtet
Gaza und seine Bevölkerung – seit 17 Jahren abgeriegelt und verarmt, werden kollektiv bestraft, mit aller Unverhältnismäßigkeit, Härte und Grausamkeit. Das Wüten der israelischen Armee wird von Tag zu Tag schmutziger und sinnloser. Offensichtlich wird ihr Misserfolg bei der Zerschlagung der Widerstandsorganisationen und der militärischen Befreiung der verbliebenen Geiseln mit größtmöglicher Zerstörung und Massenmord an Zivilpersonen kompensiert. Anfang März waren über 30.000 Menschen tot, darunter überwiegend Frauen und Kinder sowie Krankenhauspersonal, Journalisten, Wissenschaftler und Lehrer. Tausende Kinder sind inzwischen verstümmelt, 17.000 sind Waisen oder von ihren Eltern getrennt. Tausende Leichen oder Sterbende liegen noch unter den Trümmern. Die israelische Armee hat sogar kommunale Räumfahrzeuge zerstört. Die Zahl der Verletzten und Amputierten dürfte sich auf über 70.000 belaufen.
70 Prozent der Wohnimmobilien sind ganz oder teilweise, die Infrastruktur weitgehend zerstört, darunter Hunderte von Schulen, die drei Universitäten, die wenigen Klär- und Entsalzungsanlagen, Moscheen, alte Kirchen und schutzwürdige Gebäude. Die Kommunikationssysteme werden immer wieder abgeschaltet und zerstört. Die Zahl der Binnenvertriebenen beläuft sich auf 1,7 Millionen – zusammengedrängt im südlichen Zipfel an der Grenze zu Ägypten. Es besteht die grosse Gefahr, dass Israel sie nach Ägypten vertreiben und loswerden will, um Gaza neu zu besiedeln, wie es zum Teil zwischen 1967 und 2005 der Fall war.
Die meisten Krankenhäuser sind zerstört, zwangsevakuiert. Die noch bestehenden liegen personell, mit ihren Kapazitäten, Medizin und Material laut UN und gemeinnützigen NGOs auf den Knien. Viele Krankenwagen wurden zerstört. Sogar die notdürftigen Zeltstädte um das südliche Rafah werden angegriffen. Hunderttausende hungern inzwischen, selbst Tierfutter ist kaum noch zu kriegen. Über 90 Prozent des Trinkwassers sind ungesund. Lebensmitteltransporte werden von der israelischen Armee kaum hereingelassen, am südlichen Kontrollposten stauen sich hunderte Lkws mit dringend benötigten Lebensmitteln, Medizin und Wasser. Auf grosse, hungernde Menschenansammlungen, die irgendwas zu essen oder zu trinken ergattern wollen, wird von der israelischen Armee scharf geschossen, wie am 29. Februar an der grossen Nord-Süd-Strasse bei Gaza-Stadt, wobei mindestens 118 Menschen starben und über 760 verletzt oder erdrückt wurden, etliche von ihnen bei der ausbrechenden Panik. Ärzte und UN-Vertreter haben bestätigt, dass sehr viele Schusswunden hatten, was Israel wieder einmal auf dumm-dreiste Weise bestreitet.
Am 26. Januar hatte der oberste UN-Gerichtshof in Den Haag den wohlbegründeten Antrag Südafrikas, Israel des Völkermordes zu bezichtigen, einen wichtigen Teilerfolg: Das Gericht erkannte auf ”plausiblen Völkermord” und belegte Israel mit sechs vorläufigen Massnahmen, die den drohenden Völkermord stoppen sollen. Doch Israel und seine (selbsternannte) moralischste Armee der Welt missachtet den Haager Beschluss demonstrativ und setzt seine Horrormaßnahmen umso stärker fort. Ob Israel im noch anstehenden Hauptverfahren definitiv wegen des Verstosses gegen die Völkermordkonvention von 1948 verurteilt wird, ist noch offen, angesichts der bisherigen Argumentation des Gerichts und des provokativen israelischen Verhaltens aber sehr wahrscheinlich.
Deutschland, die USA, England und etliche EU-Staaten mehr unterstützen Israel bedingungslos auch weiterhin mit Waffen, Geld und Diplomatie. Der von der Mehrheit der UN und der Weltbevölkerung geforderte Waffenstillstand und die ungehinderte Lieferung und Verteilung von Hilfsgütern wurden über Monate beharrlich abgelehnt. Schon dreimal haben die USA im UN-Sicherheitsrat ihr Veto eingelegt. In der UN-Vollversammlung hat Deutschland sich lediglich enthalten. Unter dem Druck der massiven Proteste will man sich jetzt einmal mehr nur auf ”humanitäre Pausen” einlassen (um danach weiterzumachen wie bisher).
Die deutsche Bundesregierung gehört zu denen, die den laufenen Völkermord bestreiten und das angebliche ”Selbstverteidigungsrecht” Israels beschwören. Was allein der Tod von bisher über 13.000 Kindern und Babies mit ”Selbstverteidigung” zu tun hat, bleibt das Geheinmis von Scholz, Baerbock, Lindner und Co. Sie agieren stur mit Waffenlieferungen, Finanzhilfen und diplomatischer Unterstützung Israels eindeutig als Komplizen. Sie haben nach einem offensichtlichen PR-Coup Israels nach dem Haager Urteil sogar die Finanzhilfen an das Flüchtlingshilfswerk UNWRA für dringend benötigte Lebensmittel ausgesetzt, verstossen gegen den Beschluss vom Haag und tragen damit zum Völkermord bei. Es kann gut sein – und wir erwarten das – dass auch sie von dem zu erwartenden Abschlussurteil des UN-Gerichts und der geltenden Rechtslage erfasst werden.
Angriff auf die Sowjetunion
Im Januar hat sich zum 80. Mal das Ende der Belagerung von Leningrad (nach dem Ende der Sowjetunion wieder nach dem ursprünglichen Namen St. Petersburg benannt) gejährt. Die Stadt mit ihren damals drei Millionen Einwohnern und umfangreichen Industrien war im Rahmen des Grossangriffs (Codename Unternehmen Barbarossa) von Nazideutschland auf die Sowjetunion zusammen mit der Hauptstadt Moskau zunächst das wichtigste Ziel. Für Hitler, die Nazi- und die Wehrmachtführung war Leningrad als Wiege der Oktoberrevolution besonders verhaßt. Sie waren überzeugt, Leningrad und den europäischen Teil der Sowjetunion mit seinem grossen Wirtschaftspotential in wenigen Wochen zu erobern.
Die deutsche Invasion begann ohne Vorwarnung am 22.Juni 1941. Die Stalin-Führung war vollkommen überrascht. Sie war fest davon überzeugt, Hitler werde den Nichtangriffspakt nicht brechen. Sie hatte nicht nur zutreffende Geheimdienstberichte in den Wind geschlagen, sondern auch die Rote Armee in den dreissiger Jahren durch krasse Fehlentscheidungen in Bewaffnung und Konzeption und vor allem durch die ”Säuberung” des Offizierskorps in den Jahren 1937/38, d.h. durch tausendfachen Massenmord und Lagerhaft, massiv geschwächt. Unter ihnen erfahrene, fähige und politisch bewusste Militärs wie Tuchatschewski und Jakir, die noch im Bürgerkrieg unter dem damaligen Kriegskommissar Leo Trotzki gekämpft hatten.
Die erste Angriffswelle zerstörte grosse Teile der Luftwaffe am Boden. Die Deutschen machten über eine halbe Million Gefangene. Ende Juli stand die Heeresgruppe Mitte bereits bei Smolensk, die nördliche näherte sich Leningrad und die südliche rückte auf Kiew vor. Naziführung und Generalstab waren sicher, dass die sowjetischen Armeen nach solchen Niederlagen auseinanderfallen würden und die Sowjetunion bis spätestens Jahresende erledigt sei. Doch es kam ganz anders.
Am 23. August entschied Hitler, den Vormarsch auf Moskau anzuhalten und zunächst die Ukraine zu erobern. Wieder gab es grosse deutsche Siege: Fast eine Million Kriegsgefangene; die Ukraine, das Donezbecken und der größte Teil der Krim wurden besetzt. Hätte die Sowjetunion nicht bereits viele Betriebe hinter den Ural verlegt, wäre fast ihr gesamtes Industriepotential verlorengegangen. Als der deutsche Vormarsch auf Moskau wieder aufgenommen und weitere acht sowjetische Armeen vernichtet waren, verkündete Hitler: ”Der Feind ist geschlagen und wird nie wieder in der Lage sein, sich zu erheben”.
Am 2. Dezember stand die Wehrmacht kurz vor Moskau. In der Stadt brach Panik aus, die sowjetische Regierung begab sich weiter nach Osten, nach Kuibishew. Aber die Wehrmacht konnte nicht weiter vorrücken. Die sowjetische Seite hatte sich wieder stabilisiert und grosse Verstärkungen herbeigeführt. Hinzu kam der Winter, auf den die Wehrmacht nicht vorbereitet war. Der Angriff wurde abgeschlagen. Am 5. Dezember befahl Shukow einen allgemeinen Angriff an der Front. Die Deutschen mussten zurückweichen. Die Hoffnungen auf einen schnellen Sieg schwanden. Der Blitzkrieg war vorbei.
Die Blockade
Anfang September hatte die Wehrmacht die Vororte von Leningrad erreicht. Aber den deutschen Panzern gelang es angesichts des hartnäckigen Widerstands auch nach einem Monat nicht, weiter vorzudringen. Doch die Stadt war fast völlig eingeschlossen und musste über Bahnschienen, die über das Eis des Ladogasees verlegt wurden, notdürftig versorgt werden, im Sommer mit Schiffen, die ständig angegriffen wurden. Dieser einzige Zugang wurde doroga zhizne (”Strasse des Lebens”) genannt.
Die Belagerung von Leningrad entwickelte sich zur längsten, brutalsten und tödlichsten einer modernen Großstadt in der jüngeren Geschichte. Sie hielt fast 900 Tage an, von Ende August 1941 bis Januar 1944, unterwarf ihre BewohnerInnen und die vielen hunderttausend Flüchtlinge, die aus dem Baltikum in die Stadt geströmt waren, größter Not und verlangte ihnen Übermenschliches ab. Von den rd. drei Millionen Einwohner:innen verloren fast ein Million durch Hunger, Kälte, Bombenterror, Artilleriebeschuß und Krankheiten ihr Leben. Die Leichen konnten kaum noch bestattet werden, die letzten Krankenhäuser waren überfüllt oder hatten kaum noch Medizin und Material, um die vielen Verletzten und Sterbenden zu versorgen. Zehntausende blieben durch Erfrierungen, Verletzungen und Erkrankungen ihr Leben lang geschädigt.
Der strenge Winter zur Jahreswende 1941/42 war die schlimmste Zeit. Lebensmittel waren kaum noch zu bekommen, pro Person und pro Tag gab es bestenfalls noch auf 85 Gramm rationiertes Brot. Wasserversorgung, Brennstoff und Elektrizität waren weitgehend ausgefallen. Die Menschen hackten das Eis der Newa und der beiden Zuflüsse auf und versuchten, mit Eimern an Wasser zu kommen. Was sie durchlitten und wie sie aushielten, das haben etliche gute Pressefotografen festgehalten, am beeindruckensten Boris Kudoyarov, der die Stadt während der Belagerung kaum verließ und der mit seinen rd. 3000 Aufnahmen ein photographisches Epos ohnegleichen geschaffen hat.
Die Belagerung von Leningrad wurde durchbrochen, nachdem die deutschen Divisionen sich ”totgesiegt” hatten. Am 31. Januar 1943 mussten die 6. deutsche Armee und ihre rumänischen und ungarischen Verbündeten kapitulieren. Die sowjetischen Truppen setzten ihren opferreichen Weg bis nach Berlin fort, wo etliche der Hauptverantwortlichen für die Menschheitskatastrophe des Zweiten Weltkriegs, die Vernichtung der europäischen Juden und die völlige Zerstörung grosser Teile Europas – Hitler, Goebbels – im Bunker der Reichskanzlei ihrem Leben ein Ende setzten, um sich ihrer Verantwortung zu entziehen. Die deutsche Wehrmacht musste bedingungslos kapitulieren. Allein die Sowjetunion, die die Hauptlast des Krieges gegen Hitlerdeutschland getragen hat, musste weit über 20 Millionen Tote beklagen, Tausende zerstörte Städte, 70.000 zerstörte Dörfer, umfassende Wirtschaftseinrichtungen und Infrastruktur.
Heinrich Böll: Opfer und Leiden lassen sich nicht gegeneinander aufrechnen
”Der kalte Krieg”, schrieb Heinrich Böll in seinem Vorwort zu dem Fotoband ”Von Moskau nach Berlin”*, das beeindruckende und bedrückende Fotos von sowjetischen Fotografen enthält, ”der zwischen den Alliierten des Zweiten Weltkriegs eisige Konfrontation und den ”eisernen Vorhang” schuf, hat vieles hinter diesen Vorhang verschoben, das bis heute nicht in das Bewußtsein der Weltöffentlichkeit gedrungen ist: die ungeheuren Opfer und Leiden der Völker der Sowjetunion, die großen Vertreibungen, erzwungene Völkerwanderungen innerhalb großer Territorien Osteuropas. Wenn da Völker und Staaten gegeneinander Rechnung aufmachen, Konten eröffnen, so können sie nie aufgehen: Tote lassen sich nicht auf ein Konto schreiben, Leiden nicht in ein Soll und Haben verwandeln, zumal es fast immer die Schuldlosen sind, die irgendwelche ”Rechnungen” bezahlen müssen” (…) Angebracht wäre immerhin: Die Chronologie der Ereignisse nicht aus den Augen verlieren, wenigstens den Kriegsbeginn 1939 und 1941 als Ursache für das Kriegsende zu erkennen: eine banale Ursächlichkeit, die immer wieder verschoben, verdrängt, vernebelt wird."
2024: deutsche Politik streitet Völkermord in Gaza ab
Die beharrliche Weigerung der deutschen Mehrheitspolitik, den laufenden Völkermord in Gaza nicht länger abzustreiten, ihn scharf zu verurteilen und alles zun tun, um ihn zu stoppen – wozu sie nach internationalem Recht verpflichtet wäre – kann mit dem Mega-Verbrechen der Nazis an der Juden nicht gerechtfertigt werden. Verbrechen – auch grosse Verbrechen - rechtfertigen niemals neue schwere Verbrechen. Die Vorgehensweise Israels in Gaza wirft historische Parallelen auf. Sie hat – bei aller historischen Unterschiedlichkeit – sehr viele Ähnlichkeiten mit der 900tägigen Belagerung von Leningrad durch die deutsche Wehrmacht: Abriegeln, Zerbomben, Zerstören und Aushungern grosser städtischer Siedlungen und ihrer Bevölkerung. Und es ist wiederum die deutsche Bundesregierung in 2024, der mit ihrem forcierten pro-NATO und Rüstungskurs 80 Jahre danach die grausame Belagerung dieser heldenhaften Stadt vollkommen geschichtsvergessen kein Gedenken wert ist, die kein Bedauern auspricht, geschweige eine Aufarbeitung veranlasst, die womöglich noch zu ausstehenden Entschädigungszahlungen veranlasst. Im Gegenteil – wer dieses anspricht oder fordert – dürfte schnell als ”Putin-Freund” verleumdet werden. Auch heute noch sollte uns der Satz von Bert Brecht mahnen: ”Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch”.
* Von Moskau nach Berlin, Der Krieg im Osten 1941 – 45. Gesehen von russischen Fotografen.
Stalling 1979. Amerikanische Originalausgabe: The Russian War, E.P. Dutton, New York 1977
Crimmitschau: ›Eine Stunde fürs Leben!‹
Vor 120 Jahren streikten im roten Sachsen die Textilarbeiterinnen
von Gisela Notz
Die Stadt Crimmitschau war im 19.Jahrhundert ein Zentrum der aufstrebenden Textilindustrie. Sie spielte schon früh eine Rolle in der deutschen Arbeiterbewegung. Bereits 1860 wurde hier ein Arbeiterbildungsverein gegründet, in dem die Weber:innen Unterricht im Rechnen und Schreiben, in Sprachen und Buchführung erhalten konnten.
weiterlesenNie wieder ’33
Lieder und Texte gegen den Faschismus, zwischen gestern und heute
Ein Gespräch mit Bernd Köhler
Wolfgang Alles sprach für Avanti2 mit dem Mannheimer Musiker Bernd Köhler (Gitarre, Gesang) über das aktuelle »Musikalisch-literarische Programm zwischen gestern und heute«, das er zusammen mit der Schauspielerin Bettina Franke (Texte, Gedichte, Gesang) und dem Geiger Joachim Romeis realisiert hat.
weiterlesenDie wilden Streiks von ’73
Arbeitskämpfe vor 50 Jahren
von Thies Gleiss
Im Jahr 2023 jährten sich spektakuläre Arbeitskämpfe in Deutschland zum fünfzigsten Mal. Anders als noch zehn Jahre früher, wo der »Vierzigste« nur von der kleinen Szene linker Gewerkschafter:innen gewürdigt wurde, gab es diesmal eine umfangreiche politische und wissenschaftliche Begleitung des Jahrestages.
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