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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 09/2017

Der Betrug nach dem Betrug?
von Klaus Meier

Seit September 2015 ist bekannt, dass Volkswagen seine Dieselfahrzeuge für Prüfstandsuntersuchungen speziell manipuliert hat. Auch andere Autohersteller haben Tricks benutzt wie das sog. Thermofenster, um sich die Reinigung der Dieselabgase zu ersparen. Und es hat sogar kartellartige Absprachen zwischen den Autokonzernen gegeben, um eine effektive Dieselabgasreinigung zu verhindern.

Das Ergebnis dieser Machenschaften ist bekannt: Millionen von Diesel-Besitzern müssen heute fürchten, dass ihre Autos, die oft nur ein paar Jahre alt sind, einen vorzeitigen rapiden Wertverlust erleiden. Und nicht zuletzt sorgen sich viele Millionen Menschen angesichts der hoch belasteten Atemluft um ihre Gesundheit und besonders die ihrer Kinder.

Auf dem sog. Dieselgipfel von Autoindustrie und bürgerlichen Politikern Anfang August sollte eigentlich eine Lösung für diese Probleme entwickelt werden. Doch als Ergebnis wurde nur ein zweifelhaftes Software-Update präsentiert. Die Nachrüstung der Autos mit einem Katalysator wurde von den anwesenden Autobossen rundheraus abgelehnt. VW-Chef Müller begründete dies gleichermaßen frech wie arrogant: «Ich möchte meine Ingenieure zukunftsorientiert arbeiten lassen. Und nicht rückwärtsgewandt.» Nicht an alten Motoren, «die 10 oder 15 Jahre alt» sind. Dies vom Vorsitzenden eines Konzerns, der bewusst Millionen Autos mit unzureichender Abgasreinigung verkauft hat und der des Betrugs überführt wurde. Und es geht auch nicht um irgendwelche Rostlauben, sondern um viele fast neuwertige Fahrzeuge.

 

Update wirkungslos

Hunderttausende Dieselbesitzer fragen sich heute, welche Wirkung das Software-Update haben mag, das die deutschen Autohersteller auf die Motoren der Euroklassen 5 und 6 aufspielen wollen. Angeblich soll das Update den Stickoxidausstoß der Fahrzeuge um 25 Prozent reduzieren. Es sollen aber nur 2,8 Millionen der 15 Millionen Diesel nachgerüstet werden. Zählt man die 2,5 Millionen VW-Autos hinzu, die bereits eine neue Software erhalten haben, kommt man auf etwas über 5 Millionen Fahrzeuge. Rechnerisch ergäbe das eine Reduktion der giftigen Stickoxide in den belasteten Städten bestenfalls um 9 Prozent. Damit liegt man immer noch sehr weit über den Grenzwerten.

Man kann das mit Fug und Recht als reine Augenwischerei bezeichnen. Das Software-Update kostet die Konzerne nicht viel. Aber es ist auch nicht viel wert. Und Fahrverbote stehen weiterhin auf der Tagesordnung. Das geht aus dem Stuttgarter Richterspruch hervor, den die Deutsche Umwelthilfe gegen das Land Baden-Württemberg erwirkt hat. Er verlangt, die Grenzwerte für Stickoxide «schnellstmöglich» einzuhalten. Die im Luftreinhalteplan in Aussicht gestellte Softwarenachrüstung sei unzureichend. Gleiches gelte für nur begrenzte Fahrverbote. Und es wäre nicht gerechtfertigt, mit Verboten zu warten. Schließlich würden die Grenzwerte schon seit mehr als sieben Jahren überschritten.

 

Nebenwirkung: vorzeitiger Teileverschleiß

Es stellt sich allerdings die Frage nach möglichen Nebenwirkungen des Software-Updates. In den einschlägigen Internetforen klagen VW-Dieselbesitzer nach dem Aufspielen der neuen Software reihenweise über einen unruhigen Fahrverlauf oder ein vorzeitiges Versagen des Partikelfilters. VW weist alle Vorwürfe kategorisch zurück, weigert sich aber gleichzeitig, eine Garantieerklärung für mögliche Schäden abzugeben. Das Vela-Abgaslabor in Norditalien, eine weltweit führende Einrichtung, die für die EU arbeitet, warnt seit längerem vor dem Update. Das Abgasrückführventil, der Partikelfilter und der Katalysator könnten beschädigt werden. In den VDI-Nachrichten erklärte der Motoren- und Abgasexperte Ralph Pütz von der Uni Landshut, dass die Parameter Partikelentstehung, Stickoxid und Verbrauch im Dieselmotor «gemeinsam nicht optimierbar sind». Das Software-Update bewirke eine kältere Verbrennung im Motor. So «sinken zwar die Stickoxidemissionen, doch dadurch steigen auch der Verbrauch und die Verschmutzung der Abgasrückführungsventile». Auch Partikelfilter würden vorzeitig verschleissen. Dieselbesitzer könnte dies teuer zu stehen kommen, beim Einbau eines neuen Partikelfilters ist mit Kosten von knapp 1000 Euro zu rechnen.

 

Hardware-Umrüstung ist möglich

Für die Autokonzerne ist ein vorzeitiger Teileverschleiß kein Problem, sie verdienen an den Ersatzteilen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob es eine sinnvolle Hardwarelösung gibt, die sowohl die Stickoxide reduziert als auch Fahrzeugschäden vermeidet. Tatsächlich hat die Firma Twintec bereits einen nachträglich einbaubaren sog. SCR-Katalysator entwickelt. Das ist ein System, das die Stickoxide durch das Einspritzen einer wässrigen Harnstofflöung (als ADBlue bezeichnet) in den Abgasstrang unschädlich macht. Das Twintec-Bauteil reduziert beim Diesel die Stickoxide um 93 Prozent bei Messungen auf der Straße. Motorschäden entstehen dabei nicht. Die Kosten liegen bei 1500 Euro plus Montage.

Es stellt sich die Frage, wer die Hardwarenachrüstung bezahlen soll. Nach dem Verursacherprinzip wäre das die Aufgabe der Autokonzerne. Geld ist genug da. So meldet BMW für das zweite Quartal 2017 einen Nettogewinn von 2,2 Milliarden Euro. Und wenn die Autokonzerne ihren geschädigten Dieselkunden Rabatte bis zu 8000 Euro auf Neufahrzeuge als angebliche «Umweltprämie» anbieten, dann können sie auch problemlos den nachträglichen Einbau eines SCR-Katalysators bezahlen. Dagegen steht die Kumpanei aus Autobossen und Politikern – einschließlich des grünen Ministerpräsidenten Kretschmann –, die dies zulasten der abgasbelasteten Stadtbevölkerung und der Dieselbesitzer hintertreiben.

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