von Paul B. Kleiser
Bekanntlich plakatiert die CSU für die Landtagswahlen in Bayern schöne Voralpenlandschaften und gewinnt sie mit dem Slogan «Bayern wählen!». Darin drückt sich einerseits die Vorstellung aus, etwas Besonders zu sein («Mia san mia»), andererseits möchte man die anderen («Ausländer») von diesen Weidegründen fernhalten. Kürzlich hat Ministerpräsident Seehofer diesen Sachverhalt schön auf den Punkt gebracht: «Bayern hat in den letzten 20 Jahren 1,5 Millionen Menschen aus anderen Ländern aufgenommen, auch aus Deutschland.»
Die seit 1984 im Parteiprogramm stehenden Maut-Pläne der CSU für «Ausländer», zu deren Durchsetzung Seehofer seinen Adlatus Dobrindt nach Berlin entsandt hat, stellen die neueste Variante der «moderaten Ausländerfeindlichkeit» dieser Partei und ihres Anhangs dar, die nicht verknusen können, dass Ausländer «unsere Straßen kostenlos benutzen» (was ja nur für Pkw zutrifft). Seehofer hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, die Maut in den Koalitionsvertrag zu bekommen, wiewohl die Kanzlerin bei Wahlveranstaltungen und im Fernsehen mehrfach erklärt hatte, mit ihr sei sie nicht zu machen. Der SPD-Verhandlungsführer für den Bereich Verkehr, Florian Pronold, hat sie maliziös mit der Maßgabe akzeptiert, sie müsse dem EU-Recht entsprechen und kein Deutscher dürfe stärker als bisher belastet werden. (Dafür bekam die SPD dann ihren Mindestlohn.) Deswegen verfiel die CSU auf das Konzept, nach österreichischem Vorbild für eine Jahresgebühr von etwa 100 Euro ein «Pickerl» einzuführen und die Kfz-Steuer für Deutsche in entsprechendem Umfang zu senken. Doch nun stecken Minister und Partei in einem Gestrüpp von Widersprüchen fest: Die Kfz-Steuer wandert ungebunden in den allgemeinen Haushalt, während der Wegezoll ja ausschließlich in den Straßenbau fließen soll; wegen der geplanten Senkung dieser Steuer musste der erste Plan, die Abgabe nur für Autobahnen und Bundesstraßen zu erheben, wieder fallen gelassen werden. Wenn aber alle Straßen «mautpflichtig» werden, dann würden die Länder und Gemeinden ihren Anteil einfordern, außerdem fürchten die grenznahen Kommunen, Menschen aus Österreich, der Schweiz, Frankreich usw., die in Deutschland einkaufen oder essen gehen, würden wegbleiben, und fordern daher Ausnahmeregelungen; es gibt größte Bedenken, ob die EU-Kommission dem bayerisch-deutschen Sonderweg ihr Plazet gibt und schließlich ist völlig unklar, ob angesichts erheblicher Investitionen bei der Aufstellung von Automaten oder Verkaufsstellen an allen Grenzübergängen und deren Überwachung überhaupt nennenswerte Nettoeinnahmen zu erzielen sind. Zudem hat Finanzminister Schäuble bereits abgelehnt, die Bundespolizei die «Pickerl» kontrollieren zu lassen, so dass auch die Frage der Kontrolle völlig offen ist. Da die CSU in der großen Koalition ohnehin keine wichtigen Ministerien übernehmen konnte, könnte sich die Auseinandersetzung um die Maut zum Sprengsatz für die Regierung entwickeln.
Ohnehin läuft es ein Jahr nach den Landtags- und Bundestagwahlen alles andere als rund für die Christsozialen. Denn auch in München häufen sie mal wieder Pannen und Affären. Die Leiterin der Staatskanzlei und rechte Hand von Seehofer, Christine Hadertauer, musste wegen der Affäre um detailgetreue Modellautos, die von Strafgefangenen gefertigt wurden und die ihr Mann über eine eigens dafür gegründete Firma zu Preisen bis zu 135000 Euro «verkloppt» hat (während die Gefangenen einen Stundenlohn um die 1,50 Euro bekamen), zurücktreten. Nicht nur hat Hadertauer dieses «Geschäftsmodell» als soziale Wohltat (für wen?) gepriesen, sondern sie hat auch den Landtag mehrfach belogen.
«Wer betrügt, der fliegt», verkündete Seehofer im vergangenen Jahr – vermutlich meinte er die gelben Hubschrauber des ADAC.
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen
Spenden
Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF
Schnupperausgabe
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.