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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 02/2015

Tausende ohne Berufsausbildung

von Manfred Dietenberger

Eröffnungsbilanz 2015: offiziell 2,764 Millionen registrierte Arbeitslose, real aber mindestens 3,6 Millionen Menschen ohne Arbeit. Trotz medial effektvoll bejammerten Fachkräftemangels bleiben zigtausende junge Menschen ohne Berufsausbildung.In Deutschland wurde noch nie so wenig ausgebildet wie 2014. Mit 522200 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen wurde der historische Tiefstand des Vorjahres noch um 1,4% unterboten. Am Stichtag 30.September 2014 waren zwar 37100 der angebotenen Ausbildungsplätze unbesetzt, aber 81200 Ausbildungsplatzsuchende guckten in die leere Röhre bzw. verfingen sich in den sogenannten «Warteschleifen».

«Wir können es nicht hinnehmen, dass rund 260000 junge Menschen in den Maßnahmen im Übergang von der Schule in Ausbildung stecken – oftmals ohne Aussicht auf einen Berufsabschluss. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel: weg von zahllosen Maßnahmen im Parallelsystem, hin zu betrieblicher Ausbildung, bei Bedarf eben mit professioneller Begleitung», forderte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann, bevor er zusammen mit Sigmar Gabriel, dem Präsidenten der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Eric Schweitzer, und der Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Sylvia Löhrmann, seine Unterschrift unter eine Vereinbarung mit dem schwulstigen Namen «Allianz für Aus- und Weiterbildung» setzte.

Die neue Allianz ersetzt den Ende des Jahres auslaufenden, mehr oder weniger erfolglosen, nationalen «Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs» und soll bis 2018 laufen.

Der «Nationale Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs» – kurz Ausbildungspakt genannt – wurde erstmals 2004 zwischen der Bundesregierung sowie Vertretern aus Wirtschaft, Gewerkschaften und den Bundesländern geschlossen und 2010 (da aber ohne DGB) bis 2014 verlängert. Das lauthals verkündete Ziel war, allen «ausbildungsreifen und -willigen Jugendlichen» vorrangig betriebliche Ausbildungsangebote einschließlich Angeboten für Einstiegsqualifizierungen zu machen. Daraus wurde nicht viel.

Ob das Paktieren diesmal was bringt? Der DGB jedenfalls frohlockt schon: «Im Rahmen der Allianz will die Wirtschaft im kommenden Jahr 20000 zusätzliche Ausbildungsplätze gegenüber den 2014 bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Stellen sowie jährlich 500000 Praktikumsplätze zur Berufsorientierung zur Verfügung stellen. Sie hat zugesagt, jedem vermittlungsbereiten [ja, wirklich, «vermittlungsbereit» ist inzwischen auch schon DGB-Sprech] Jugendlichen, der bis zum Beginn des Ausbildungsjahrs im Herbst noch keinen Platz gefunden hat, drei Angebote für eine Ausbildung zu machen. Die Partner der Allianz wollen jetzt den Einstieg in die assistierte Ausbildung [dabei unterstützt ein Coach Jugendliche bei der Lehre, z.B. wenn es zu Konflikten im Betrieb kommt] auf den Weg bringen. Als ersten Schritt streben sie für das Ausbildungsjahr 2015/2016 bis zu 10000 Plätze für die assistierte Ausbildung an; das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird die gesetzlichen Grundlagen dafür auf den Weg bringen.» Um die überregionale Besetzung von Ausbildungsplätzen zu erleichtern, wollen «die Länder prüfen, kostenlose regionenübergreifende ÖPNV-Tickets für Jugendliche in Ausbildung anzubieten».

Summa summarum alles nicht vielmehr als Kosmetik, weil alles nur im Konjunktiv. Und der DGB gibt sich dennoch hoch zufrieden.

Das war auch schon mal anders. Einst warnte der damalige DGB-Vorsitzende Michael Sommer die Bundesregierung, für den Ausbildungspakt mit der Wirtschaft nicht auf das Gesetz über die Lehrstellenabgabe zu verzichten. «Wir leben in einer politischen Demokratie und nicht in einer Bananenrepublik, in der die Wirtschaft diktieren kann, wo es langgeht.»

Diese richtige Erkenntnis scheint dem DGB abhanden gekommen zu sein. Mit der jetzt neu geschlossenen Ausbildungsallianz wird wieder nichts anderes als die Verschleppung der längst fälligen Ausbildungsabgabe erreicht werden.

Es ist offenkundig, dass die Betriebe die berufliche Ausbildung für alle Ausbildungsplatzsuchenden nicht garantieren (wollen/können). Berufsausbildung ist aber die Lebensgrundlage für die große Mehrheit der Menschen in diesem Land! Es ist daher nicht länger hinnehmbar, dass die privaten und öffentlichen Unternehmen nicht ausreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen und so den jungen Menschen das Recht auf Ausbildung vorenthalten.

Der Staat muss diese Ausbildungslücke schließen und dazu von den Unternehmen die finanziellen Mittel eintreiben – etwa durch die gesetzliche Einführung einer Ausbildungsabgabe/Ausbildungsumlage abhängig von der Höhe der Wertschöpfung des Betriebes unter Berücksichtigung der Anzahl der betrieblichen Ausbildungsplätze.

Betriebe, die selbst nicht ausbilden, aber von der Ausbildungsleistung anderer profitieren, müssen zahlen, während andere, die ausbilden, entsprechend entlastet werden. Ganz nach dem Motto «Wer nicht ausbildet wird umgelegt!»

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