von Violetta Bock
Vom 11. bis 13.September fand in Poznan das zweite internationale Treffen mit rund 30 Teilnehmenden aus den Amazon-Standorten Poznan, Brieselang und Bad Hersfeld statt. Schon im April hatte es ein erstes Treffen in Bad Hersfeld gegeben. Damit wurde das, was in den letzten zwei Jahren über die offiziellen Kanäle der Gewerkschaften nur sehr begrenzt funktionierte, nun von den Aktiven selbst fortgeführt: sich nämlich direkt mit den Beschäftigten aus anderen Standorten auszutauschen.
Ein internationales Unternehmen wie Amazon, das per Knopfdruck Aufträge verschieben kann, ist nur durch internationale Solidarität an der Basis zu schlagen. Und diese gilt es weiter zu entwickeln. Einen ersten praktischen Ansatz gab es im Juni 2015, als die polnischen Beschäftigten selbst einen Bummelstreik organisierten, um nicht durch Überstunden die Auswirkungen des Streiks in Deutschland abzufedern.
Diesmal fuhren Beschäftigte aus Deutschland nach Polen und konnten dort weitere polnische Amazon-Beschäftigte vor dem Tor beim Verteilen von Flyern kennenlernen. Das Interesse war groß, auch der Standortleiter kam gleich nach draußen geeilt um zu fragen, ob es denn für das Verteilen eine Genehmigung gebe. Das kennt man schon von den Aktionen vor den Standorten in Deutschland.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede
So unbesiegbar internationale Unternehmen erscheinen, an diesem Wochenende wurde klar, dass ihr Geschäftsmodell auch Vorteile für die gewerkschaftliche Organisierung mit sich bringt. Nicht nur die Hallen sehen gleich aus, es wird nicht nur die gleiche Amazonsprache gesprochen – «Startmeeting», «inbound», «outbound», «pick» und «pack» –, auch die Reden und das Verhalten der Manager scheint einem Handbuch entnommen: nach außen getarnt durch Freundlichkeit und persönliche Ansprache, aber zwischen den Zeilen wird die Angst vor Standortschließungen geschürt, und Aktivisten werden lieber vereinzelt statt kollektiv angegriffen.
Das ist im ersten Schritt das Wichtigste an diesen standortübergreifenden Treffen der Beschäftigten: Informationen und Erfahrungen auszutauschen, was wo gut funktioniert hat oder eben nicht. Die Probleme sind dabei ganz ähnlich: «niedrige Löhne, steigende Leistungsvorgaben, hoher Arbeitsdruck, der die Gesundheit gefährdet, Amazons Beschäftigungspraxis des Heuerns und Feuerns», sei es durch Befristungen wie in Deutschland oder durch Leiharbeitsfirmen wie in Polen.
Neben den Gemeinsamkeiten werden aber auch die Unterschiede deutlich – nicht nur was die Löhne betrifft, sondern auch in bezug auf die Regelung der Arbeitszeiten und die Einsatzplanung. Das wiederum liefert dann wieder Anknüpfungspunkte für die betrieblichen Forderungen, wenn man den Managern vor Ort vorhalten kann, dass es ja auch an anderen Standorten möglich ist, bestimmte Dinge anders zu regeln.
Neben dem Austausch von Informationen und dem Planen grenzüberschreitender Aktionen wurde das Wochenende genutzt, um mit einer Pressekonferenz und einer Kundgebung in der Innenstadt Öffentlichkeit vor Ort herzustellen.
Das nächste internationale Treffen ist schon geplant, und dann sitzen vielleicht auch Kolleginnen und Kollegen aus den Standorten in Tschechien, Frankreich und Italien dabei. Denn, so das Fazit in der Abschlusserklärung: «Nur wenn unser Kampf von Arbeitern und Arbeiterinnen selbst organisiert wird, in unserem Lager verwurzelt ist, mit anderen koordiniert wird, eine klare Strategie hat und für Amazon nicht vorhersehbar ist, werden wir eine Chance haben zu gewinnen!»
Die ganze Abschlusserklärung findet sich auf: https://amworkers.wordpress.com.
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