Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

Bert Brecht hielt nicht viel vom Recht auf geistiges Eigentum. Wir auch nicht. Wir stellen die SoZ kostenlos ins Netz, damit möglichst viele Menschen das darin enthaltene Wissen nutzen und weiterverbreiten. Das heißt jedoch nicht, dass dies nicht Arbeit sei, die honoriert werden muss, weil Menschen davon leben.

Hier können Sie jetzt Spenden
PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 10/2017
Kampagne von RAT & TAT und VIRCON
die Redaktion

Der Arbeitsrechtler Rolf Geffken bietet Beratungen für die Bildung von Betriebsräten an.

Nur 38 Prozent der Beschäftigten werden in Deutschland von Betriebsräten vertreten. Nach wie vor besteht in der großen Mehrzahl der betriebsratsfähigen Betriebe kein Betriebsrat. Die Gewerkschaften betrachten die Wahl von Betriebsräten zwar als ihre Aufgabe, doch Initiativen vor Ort scheitern oft daran, dass es nicht genügend gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte in Klein- und Mittelbetrieben gibt. Hinzu kommt, daß die Zahl der hauptamtlichen Gewerkschaftssekretäre, zu deren Aufgabenbereich auch die Initiierung von Betriebsratswahlen gehört, immer weiter zurückgeht. Immer wieder scheitern Initiativen von Beschäftigten an Interventionen seitens der Unternehmen.

Zwar haben Wahlbewerber wie auch Wahlvorstandsmitglieder Kündigungsschutz, doch können Wahlversammlungen, in denen ein Wahlvorstand gewählt werden muss, nicht «auf Knopfdruck» zusammentreten. Exakt in der kritischen Phase des Aufrufs zu Wahlversammlungen versuchen Unternehmen immer wieder, Beschäftigte unter Druck zu setzen oder sie sogar zu kündigen. Im Falle der US-amerikanischen Firma Crown Lifttrucks wurde sogar ganz offen mit der Betriebsschließung für den Fall einer Betriebsratswahl gedroht und diese auch vollzogen. Bestimmte Arbeitgeberkanzleien sind inzwischen auf die Verhinderung von Betriebsratswahlen spezialisiert. Es gibt die Möglichkeit, immer wieder auf die Illegalität dieses «Arbeitsunrechts» hinzuweisen, was auch vermehrt geschieht. Doch wird dadurch oft nur die Angst potenzieller Akteure verstärkt und vertieft. Mobilisiert wird dadurch kaum jemand. Was bleibt an Möglichkeiten, wenn sich zugleich Gewerkschaften aus dem «Geschäft» der Betriebsratsbildung zurückziehen?

Nach Auffassung von Norbert Koprek von der Beratungsfirma VIRCON und Rolf Geffken von der Kanzlei RAT & TAT bleibt nur eines: Die Beschäftigten der jeweiligen Betriebe müssen selbst die Initiative ergreifen. Da allerdings bei der erstmaligen Wahl von Betriebsräten zahlreiche Fallstricke zu beachten sind, müssen gerade die ersten Schritte hin zur Bildung eines Betriebsrats formaljuristisch abgesichert sein. Um diesen Teufelskreis von Angst, Resignation und juristischen Anforderungen zu durchbrechen, haben Koprek und Geffken jetzt eine bundesweite Kampagne zur Bildung von Betriebsräten gestartet.

Norbert W. Koprek, selbst ehemaliger Gewerkschaftssekretär, sagt dazu: «Wir wollen nicht länger warten. Betriebsräte bilden sich nicht von allein, und der ständige Hinweis auf die an sich zuständigen Gewerkschaften macht die Sache nicht besser. Deshalb wollen wir Betroffene selbst animieren und motivieren.» Rolf Geffken, der als Arbeitsrechtler selbst jahrelang Betriebsräte geschult hat, ergänzt: «Natürlich bewegen Betriebsräte im Unternehmen zunächst noch nicht viel, aber allein ihre Existenz hat enorme Bedeutung für das Arbeitsrecht in der Praxis. Zahlreiche Maßnahmen des Arbeitgebers bedürfen seiner Zustimmung, um wirksam zu sein. Das hat Vorteile für alle ArbeitnehmerInnen. Zudem können aktive Betriebsräte gerade auch die Organisierung von Beschäftigten in Gewerkschaften fördern.»

Rolf Geffken hat zudem in einem als «Weimarer Appell» bezeichneten Videostatement auf den grotesken Umstand hingewiesen, dass zwar die Bundesregierung immer wieder – auch zur eigenen Entlastung – auf die Existenz von Betriebsräten verweist (zuletzt bei der betrieblichen Altersversorgung), aber absolut nichts unternimmt, um das Vollzugsdefizit des Gesetzes zu beseitigen und die Bildung von Betriebsräten zu erleichtern.*

Der Arbeitsrechtler lehnt aber Gesetzesforderungen ab, die auf die gewissermaßen «automatische» Installierung von Betriebsräten zielen. «Alle Modelle, die solche Betriebsratsbildungen vorsehen, kranken daran, dass sie meist zu ‹Betriebsräten von Arbeitgebergnaden› führen, womit wenig gewonnen wäre. Ein erweiterter Kündigungsschutz hingegen wäre hilfreich.»

 

Um die Eigeninitiative der Beschäftigten zu stärken, laden die beiden Experten nun bundesweit zu kostenlosen Abendvorträgen unter dem Motto «Wie schaffen wir einen Betriebsrat?» ein. Die Vorträge finden an folgenden Tagen statt:

28.9., 19 Uhr, Bremerhaven, Comfort-Hotel im Fischereihafen

6.10., 18 Uhr, Bremen, Freizeitheim Pusdorf

20.10., 19 Uhr, Hamburg, Kanzlei RAT & TAT, Lüneburger Tor 7

3.11., 19 Uhr, Hannover, Freizeitheim Linden

24.11., 18 Uhr, Berlin, Mehringhof

8.12., 18 Uhr, Kassel, Café Buch Oase

Angesprochen werden vor allem an der Wahl von Betriebsräten interessierte Beschäftigte und aktive Betriebsräte, die bei Einzelinitiativen Hilfestellung leisten wollen. Anmeldung unter (0172) 7418179 oder per E-Mail unter ratundtat@drgeffken.de oder nwkoprek@vircon.de. Näheres über die Webseite www.drgeffken.de.

 

* Das Video ist zu sehen unter https://weltnetz.tv/video/1266-weimarer-appell-von-dr-rolf-geffken-wir-schaffen-betriebsraete.

Teile diesen Beitrag:

1 Kommentar

Spenden

Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF


Schnupperausgabe

Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.