Auch für Flüchtlingskinder
von Larissa Peiffer-Rüssmann
In letzter Zeit ist häufig von der Kultur des Abendlands die Rede. Im Zusammenhang mit der Migration taucht auch der Begriff »deutsche Leitkultur« auf. Ich frage mich, ob die Tatsache, dass für Flüchtlingskinder in Sammelunterkünften keine Schulpflicht besteht, auch ein Teil dieser »deutschen Kultur« ist. Eigentlich besteht in Deutschland seit Mitte des 19.Jahrhunderts Schulpflicht für alle Kinder, und das war hart erkämpft. Wieso werden dann hunderte in Deutschland lebende Kinder und Jugendliche davon ausgenommen?
Zurecht prangerte der Paritätische Wohlfahrtsverband NRW im August 2024 an, dass in NRW »mehr als 3500 Kinder und Jugendliche in Sammelunterkünften des Landes NRW« nicht zur Schule oder Kita gehen dürfen. Das ist ein Verbrechen. Sie leben isoliert von der Außenwelt auf engem Raum unter menschenunwürdigen Bedingungen, verurteilt zum Nichtstun. Bildung, lebenswichtig für eine angemessene Entwicklung, wird ihnen verwehrt, ebenso eine umfassende Gesundheitsversorgung. Vereinzelte Ersatzangebote ändern nicht das Problem, zumal sie keineswegs gewährleistet werden.
Obwohl die verbrieften Rechte aus der UN-Kinderrechtskonvention für alle Kinder gelten, unabhängig von ihrer Herkunft, kümmert das die Regierenden wenig. Ihnen geht es vorrangig um eine verschärfte, das Asylrecht aushöhlende Migrationspolitik. Dieser Umgang mit Kindern, die keinen deutschen Pass besitzen, erinnert mich an die Kinder der sog. »Gastarbeiter« der 70er und 80er Jahre, die anfangs gesetzeswidrig auch nicht der Schulpflicht unterlagen. Als das nicht mehr aufrecht zu erhalten war, kamen etwa die türkischen Kinder in reine Nationalklassen, womit ihnen ein normaler Schulabschluss in der Regel versagt blieb. So wiederholt sich diese Seite deutscher Kultur auf verhängnisvolle Weise.
Bis heute gibt es von offizieller Seite keine Analyse der Fluchtursachen, dabei liegen sie nicht nur in der kolonialen Vergangenheit europäischer und deutscher Politik. Auch in der Gegenwart werden Fluchtgründe erzeugt, etwa wenn deutsche Politiker sich um die Ausbeutung seltener Erden, beispielsweise Lithium, bemühen und dabei billigend in Kauf nehmen, dass dies mit verheerenden Folgen für die ansässige Bevölkerung verbunden ist.
Fazit: Auch geflüchtete Kinder und Jugendliche brauchen unabhängig von ihrer Herkunft ein Aufwachsen in einem geschütztem Raum und ein funktionierendes Bildungssystem, das allen auf gleiche Weise gerecht wird.
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen
Spenden
Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF
Schnupperausgabe
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.
Kommentare als RSS Feed abonnieren