Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 02/2025

Die Mitte macht’s
von Daniel Kreutz

Rhetorisch ist der Rassismus der AfD und ihrer Netzwerke bis zu den Stiefelnazis kaum zu überbieten. »Ausländer raus!« (jetzt: »Remigration!«) ist schon seit den 60er Jahren das Markenzeichen der extremen Rechten. Demgegenüber ist das »Wording« der Parteien, die allgemein als »demokratische Mitte« gelten, also von FDP, Union, Grünen und SPD, mehr oder minder gemäßigt. Aber was ist mit ihrem Handeln?

Seit Februar 2024 hat die Ampel die Frist, ab der Geflüchtete die höheren »Analogleistungen« in Höhe der Sozialhilfesätze beziehen können, auf drei Jahre verdoppelt. Sie verlängerte die Höchstdauer des »Ausreisegewahrsams« (Abschiebehaft) von zehn Tagen auf vier Wochen und schuf zusätzliche Haftgründe. Sie führte die schurigelnde »Bezahlkarte« ein. Im Oktober 2024 verhängte die Ampel erneute Kürzungen der Leistungssätze nach dem Asylbewerber-Leistungsgesetz (AsylbLG) für 2025. Der Gesamtbedarf für Erwachsene liegt jetzt um gut ein Fünftel (Alleinlebende: 21,7 Prozent, Paare: 21,5 Prozent) unter den Sozialhilfesätzen, für Kinder unter 14 Jahren um rund ein Sechstel (16,2 Prozent), für die übrigen dazwischen. Ganz gestrichen wurde der Leistungsanspruch von »Dublin-Geflüchteten«, für die ein anderer EU-Staat zuständig ist.
Keine Rolle spielt bei den Kürzungen, dass das Bundesverfassungsgericht 2012 dem AsylbLG faktisch den Daseinszweck entzog, indem es feststellte, dass die grundgesetzlich garantierte Menschenwürde »migrationspolitisch nicht zu relativieren« sei. Erwägungen, »Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden«, oder eine kurze Aufenthaltsperspektive könnten kein Absenken der Leistungen rechtfertigen. »Die einheitlich zu verstehende menschenwürdige Existenz muss daher ab Beginn des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland realisiert werden«, so das höchste Gericht.
Der Kampf der »extremen Mitte« gegen »irreguläre Migration« – diese Wortschöpfung meint Geflüchtete außer Ukrainer:innen, die auf Basis der EU-Massenzustromrichtlinie noch als »regulär« gelten – bewegt sich bereits hart an der Grenze des rechtlich Zulässigen und tatsächlich Machbaren, gelegentliche Grenzüberschreitungen inklusive. Ebenso ist die Frontex-»Festung Europa« mit dem Massengrab Mittelmeer ein Produkt der EU-Mitte. Es wäre fahrlässig, all dies damit zu entschuldigen, die Mitte werde halt »getrieben« von der harten Rechten. Sie will das so. Erinnert »Humanität und Ordnung«, die neue Überschrift der Grünen, nicht an »Fördern und Fordern«?

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