Für die Wahrung einer linken Streitkultur
von Hermann Nehls
Am 07.12.2024 hat das Berliner Landesschiedsgericht der Linken Ramsis Kilani mit sofortiger Wirkung aus der Partei ausgeschlossen. Ramsis, so in der jetzt vorliegenden schriftlichen Begründung, habe der Partei schweren Schaden zugefügt.
Der schwere Schaden wird unter anderem damit begründet, dass langjährige Mitglieder wie Klaus Lederer und Elke Breitenbach ausgetreten sind. Ein Austritt liegt aber vollkommen in der Verantwortung der austretenden Person und Äußerungen von Ramsis können dafür nicht herangezogen werden. Wer sich die Mühe macht, die Umstände des Austritts genauer zu untersuchen, wird schnell darauf stoßen, dass Frust und verloren gegangene Mehrheiten viel eher ein Grund für den Austritt waren. In anderen Fällen wie z.B. jetzt beim ehemaligen Berliner Senator Sebastian Schlüsselburg, der in die SPD eingetreten ist und sich weigert, sein Mandat zurückzugeben, ging es einfach um die Sicherung der Karriere.
Auch aus den Pressereaktionen lässt sich kein schwerer Schaden ableiten. Dass insbesondere die Linke unter Bezugnahme auf ein individuelles Verhalten eines Mitglieds in der Presse angegriffen wird, ist nichts Besonderes. Denken wir nur an Gregor Gysi, auf dessen vermeintliche Stasi-Vergangenheit sich fast die gesamte deutsche Presse jahrzehntelang eingeschossen hat.
Die Gründe für den Ordnungsverstoß sind ebenfalls allesamt wackelig, da eine Beschränkung von Parteimitgliedern auf den internen Meinungsstreit und ein damit verbundenes Verbot auf das öffentliche Vertreten einer, auch von Parteibeschlüssen abweichenden, Meinungsäußerung nicht statthaft ist.
Einige zitierte Äußerungen von Ramsis, wie die über die mutmaßliche Vergewaltigung einer israelischen Soldatin und Kindesmisshandlung sind sicher problematisch. Ramsis hat aber in seiner Erwiderung gesagt, dass sie aus dem Zusammenhang gerissen sind und in keiner Weise seiner Haltung entsprechen. Die Berliner Landesschiedskommission ist auf seine Erwiderung nicht eingegangen. Ihr Urteilsspruch, wie auch der von Katina Schubert und Martin Schirdewan lancierte Antrag auf Ausschluss sind skandalös. Ihr Antrag wie auch die schriftliche Begründung der Landesschiedskommission basieren auf Unterstellungen, Verkürzungen und Verzerrungen.
Die Bundesschiedskommission muss die Entscheidung überprüfen und den Parteiausschluss zurückzuweisen. Dabei geht es nicht darum, Ramsis’ Positionen und Äußerungen zu teilen. Seine Tweets sind kritikwürdig, weil sie viel Raum für Interpretationen lassen. Wir müssen aber disziplinarische Mittel deutlich zurückweisen, wenn es um die Wahrung einer linken, pluralistischen Streitkultur geht.
Die Linke muss sich dem Klima der Denunziation und der Repression entgegenstellen, wenn ein Mitglied den Krieg der Netanyahu-Regierung als das bezeichnet, was er ist: ein völkermörderischer Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung. Nicht zuletzt Amnesty International hat das unterstrichen und fordert Konsequenzen.
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen
Spenden
Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF
Schnupperausgabe
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.
Kommentare als RSS Feed abonnieren