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Geschichte 1. März 2025

Der Pfeifer von Niklashausen
von Angela Klein

Zeitig im Frühjahr 1476 liefen Zehntausende »Handwerksknecht aus den Werkstätten, die Baurenknechte von dem Pflug und die Grasemägde mit ihren Sicheln und Stümpfen, ohne allen Uhrlaub ihrer Meister und Obrigkeit dahin, liessen liegen Werkzeug, Pflüge, Kötzen und anders, und reiseten in den Kleidern, darinnen sie diese Tobesucht begriffe, gen Niclashausen. Der mehrere Teil aus ihnen hatte keine Zehrung, die aber, zu denen sie auf dem Wege einkehrten, versahen sie mit Essen und Trinken. Und war der Gruß unter ihnen nicht anders, denn Bruder und Schwester.«

Im selben Jahr gelang es Handwerkern und kleinen Kaufleuten der Stadt Augsburg, einer der bedeutendsten deutschen Städte jener Zeit, den mächtigen patrizischen Geschlechtern die Herrschaft zu entreißen. Zwei Jahre lang konnten sich die Aufständischen behaupten.
Wenige Jahre zuvor hatten erzgebirgische Bergarbeiter in großen Streiks die Produktion ganzer Bergreviere lahmgelegt und die Herren der Bergwerke zu sozialen Zugeständnissen gezwungen.
Erhebungen von Bauern und Landarmen, von Handwerkern und Kaufleuten, von Bergarbeitern und städtischen Plebejern rissen seitdem nicht mehr ab.
Kaufmännischer Expansionsdrang, Geldgier und Abenteuerlust sprengten die Grenzen der Alten Welt. Die Geldwirtschaft, die sich in den Städten schon breit gemacht hatte, griff nun auch auf den Warentausch mit der Landwirtschaft über; zusammen mit den Folgen einer vorhergehenden Agrarkrise veranlasste sie den Adel zu einer Ausweitung der Leibeigenschaft und unerhörten Verschärfung der Ausbeutung und wachsende Verschuldung der Bauern.
Im Bistum Würzburg entstand 1476 die erste Bauernverschwörung. Ein junger Hirte und Musikant namens Hans Böheim, auch Pauker oder Pfeiferhänslein genannt, erschien am 24.März vor der Wallfahrtskirche von Niklashausen und predigte dort dem Volk. Er predigte vom Zorn Gottes gegen die Priesterschaft, forderte den Kampf gegen Klerus und Papst.
Auch Kaiser und Fürsten oder sonstige Obrigkeit sollte es nicht mehr geben. Alle Zinsen und Zehnten, Steuern und Zölle, Abgaben und Dienste sollten abgeschafft werden. Die bäuerliche Allmende, Weiden, Wälder und Gewässer sollten überall frei sein.
Seine Predigten beeindruckten die Zuhörer auf stärkste und bald kamen Wallfahrer aus Bayern, Schwaben und Hessen, aus dem Rheinland und Elsass, Thüringen und Sachsen herbei. Im Wallfahrtslied von Niklashausen sang man das »Kyrie eleison« mit der Wendung, dass man die Pfaffen zu Tode schlagen wolle.
Als der Pfeifer schließlich dazu aufrief, das nächste Mal »mit Wehr und Waffen, in der einen Hand die Wallkerze, in der andern Schwert und Spieß oder Hellebarde« zu kommen, ließ der Bischof ihn gefangennehmen. Zehntausende strömten daraufhin herbei und versuchten, ihn zu befreien. Dem Bischof gelang es, die Menge zu zerstreuen, setzte aber hinterher und machte mehrere Gefangene. Das Pfeiferhänslein aber wurde als Ketzer verbrannt.

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