Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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Beschämend – Appell ehemaliger polnischer Präsidenten

studioopinii.pl/, 3.3.2025

Der beste Kommentar zum Eklat mit dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten im Weißen Haus am Freitag war der missglückte Skiausflug des letzteren. Medienberichten zufolge wurde J.D. Vance bei seiner Ankunft im Skigebiet Waitsfield im Bundesstaat Vermont mit folgenden Schildern begrüßt: „Trump dient Putin“, “Vance ist ein Verräter. Geh zum Skifahren nach Russland“, oder „Vance ist eine Schande für die Nation“.

Wie wir erfahren, haben Vance und seine Familie ihren Aufenthalt in Vermont abgebrochen und beschlossen, an einen unbekannten Ort in den Urlaub zu fahren. Und das zu Recht. Vielleicht hat er sich als gläubiger Katholik in eine Einsiedelei zurückgezogen, um über seinen unglücklichen Monat im Amt nachzudenken. Zuerst machte er sich in München zum Narren, indem er nicht sehr kluge Tiraden gegen die europäischen Demokratien hielt und vage Werte anpries, während er Papst Johannes Paul II. beschwor.

Das Werben der Politiker von Recht und Gerechtigkeit für Donald Trump entlarvt ihre politische Kurzsichtigkeit, ja sogar ihre Dummheit und moralische Oberflächlichkeit, ganz zu schweigen von ihrer mangelnden Solidarität mit unserem Nachbarn. Könnte es sein, dass sie auf das unwürdige Verhalten der Sanacja-Regierung (1926-1939) anspielen, die unter Ausnutzung der Hitler-Aggression zwischen dem 2. und dem 11. Oktober 1938 das Olsaland [Landkreis Teschen, Schlesien] besetzt hat, was Präsident Lech Kaczynski als einziger verurteilt hat? Jetzt braucht ein beschämtes Amerika unsere Unterstützung, um die verbale Aggression und Unhöflichkeit des Trump-Vance-Duos entschieden zu verurteilen.

Ein besonderer Appell von Oppositionellen aus der Zeit der Polnischen Volksrepublik ging an Donald Trump. Er ist von 40 politischen Gefangenen aus der kommunistischen Ära verfasst, darunter die ehemaligen Präsidenten Lech Walesa und Bronislaw Komorowski. Sie zeigen sich schockiert über die Art und Weise, wie der US-Präsident Wolodymyr Selenskyj behandelt hat. „Die Atmosphäre im Oval Office während dieses Gesprächs erinnerte uns an die Atmosphäre, die wir von den Verhören durch den Staatssicherheitsdienst in Erinnerung haben“, heißt es. Hier Auszüge aus ihrem Brief:

Sehr geehrter Herr Präsident!

mit Bestürzung und Abscheu haben wir die Berichterstattung über Ihr Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj verfolgt. Wir finden Ihre Erwartung, Respekt und Dankbarkeit für die materielle Unterstützung zu zeigen, die die Vereinigten Staaten der Ukraine im Kampf gegen Russland gewährt haben, beleidigend. Dankbarkeit gebührt den heldenhaften ukrainischen Soldaten, die ihr Blut zur Verteidigung der Werte der freien Welt vergossen haben. Sie sind es, die seit mehr als elf Jahren an der Front im Namen dieser Werte und der Unabhängigkeit ihres Heimatlandes sterben, das von Putins Russland angegriffen wird.

Wir verstehen nicht, wie der Führer eines Landes, das das Symbol der freien Welt ist, dies nicht sehen kann.

Unsere Bestürzung rührte auch daher, dass die Atmosphäre im Oval Office während dieses Gesprächs uns an diejenige erinnerte, die wir von den Verhören durch den Sicherheitsdienst und aus den Gerichtssälen der kommunistischen Gerichte in guter Erinnerung haben. Die von der allmächtigen kommunistischen politischen Polizei beauftragten Staatsanwälte und Richter erklärten uns ebenfalls, dass sie alle Trümpfe in der Hand hielten und wir keine hätten. Sie verlangten, dass wir unsere Aktivitäten einstellen mit dem Argument, dass Tausende von unschuldigen Menschen wegen uns leiden würden. Sie beraubten uns unserer Freiheiten und Bürgerrechte, weil wir uns weigerten, mit den Behörden zusammenzuarbeiten und uns ihnen gegenüber erkenntlich zu zeigen. Wir sind schockiert, dass Sie Präsident Wolodymyr Selenskyj auf ähnliche Weise behandelt haben…

Wir fordern die Vereinigten Staaten auf, die Garantien einzuhalten, die sie gemeinsam mit dem Vereinigten Königreich im Budapester Memorandum von 1994 gegeben haben, das ausdrücklich die Verpflichtung enthielt, die Unverletzlichkeit der ukrainischen Grenzen zu verteidigen, wenn die Ukraine im Gegenzug ihr Atomwaffenarsenal abgibt. Diese Garantien sind bedingungslos: Es gibt kein Wort darüber, dass diese Hilfe als wirtschaftlicher Austausch zu betrachten ist.

Die Woche des orangefarbenen Chefs

OKO.press, 8.3.2025

Ein Phänomen, das die etablierte Ordnung der Dinge und Angelegenheiten auf den Kopf stellt. Ein Ereignis, das schweren Stress verursacht und unsere Lebensstrategien und -routinen in Frage stellt. So erleben wir einen Schock: „Wie kann dieser Trump so etwas sagen, das ist unmöglich.“ Leugnung: „Das ist doch sicher eine bewusste Strategie und alles wird schon wieder in Ordnung kommen.“ Wut: „Warum unternimmt niemand etwas gegen diesen mit Selbstbräuner beschmierten Clown?“ Dann kommt die Verhandlungsphase: „Ok, für andere war Trump vielleicht eine Katastrophe, aber immerhin mag er Polen, also sollten wir mit ihm auskommen.“ Dann kommt die Depression: „Da kann man nichts machen, alles ist verloren, es wird Krieg geben und Russland wird uns angreifen.“ Dann kommt die Bewährungsprobe:„Hey, vielleicht können wir ohne den Schutzschirm Amerikas leben, vielleicht kann sich Europa selbst verteidigen?“ Und wenn alles gut geht, steht am Ende die Akzeptanz: „Wir kennen unsere Stärken und Schwächen, wir haben einen Plan, wie wir weitermachen können, und wir fangen an, ihn umzusetzen.“

Wir haben diese Phasen im Fall der Covid-19-Pandemie durchlaufen, wir haben sie nach Russlands umfassender Aggression gegen die Ukraine und Putins nuklearen Drohungen gegen Europa durchlaufen. Wir machen sie auch heute durch, wenn unsere gesamte soziale mentale Landschaft, die wir mindestens seit den 1980er Jahren mühsam aufgebaut haben – eine Landkarte mit einem Labyrinth von Straßen und Wegen, die immer zu den Vereinigten Staaten als der letzten Stufe von Wohlstand und Sicherheit führten – in wenigen Wochen schmerzhaft veraltet ist.

Wir durchlaufen die Phasen der gesellschaftlichen Trauer um die alte Weltordnung ziemlich schnell, wir sind derzeit irgendwo zwischen deprimiert und gereizt, wir sind immer weniger besorgt über Trumps nächste Exzesse, wir denken immer mehr darüber nach, was als nächstes passieren könnte.

Glaubte PiS, Trump würde ihnen Macht schenken?

OKO.press, 8.3.2025

Erst in dieser Woche wies Mateusz Morawiecki in einem Interview mit dem Radiosender RMF auf die „gigantischen Fehler“ des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hin, während er Trumps politische Linie vehement verteidigte. Die Abgeordnete für Recht und Gerechtigkeit, Teresa Pamula, meinte, Selenskyj sei ein Diktator und Wladimir Putin dürfe nicht um der Friedensverhandlungen willen beleidigt werden. Und der Abgeordnete Jacek Ozdoba teilte mit Genugtuung einen Beitrag von Mario Nawfal zur Verteidigung des wegen Veruntreuung inhaftierten PiS-Abgeordneten Dariusz Matecki.

Derselbe Nawfal, der, wie Anna Mierzynska in OKO.press treffend beschrieb, ein Protegé von Elon Musk und ein ausgesprochener Russophiler ist, der russische Medienschmeichler zitiert, hat Sputnik ein Interview gegeben und träumt davon, dass die USA und Russland Verbündete sind.

Das wirft die Frage auf: Ist die Partei Recht und Gerechtigkeit völlig verrückt geworden? Verstehen Recht und Gerechtigkeit nicht, in welche Richtung die Politik des US-Präsidenten geht?

Nun, unsere Hypothese ist, dass die PiS alles perfekt versteht.

Das Geheimnis der Fixierung von „Recht und Gerechtigkeit“ auf Donald Trump ist einfach. Sie basiert – wie immer, wenn es um die Strategien der Partei von Jaroslaw Kaczynski geht – auf Ressentiments. In diesem speziellen Fall auf einer logisch kohärenten Erklärung, warum es nicht Präsident Kaczynski war, der trotz seiner Genialität die Grundlagen des politischen Systems Polens nach 1989 geschaffen hat, und warum er 2023 die Macht verloren hat.

Diese Erklärung beruht auf der aufrichtigen und tief verwurzelten Überlegung, dass die so genannten liberalen Eliten Polen 30 Jahre lang regierten, weil sie einfach, nun ja, den Deutschen dienten. Und wenn das der Fall ist, dann eröffnet sich heute für die Partei Recht und Gerechtigkeit die Gelegenheit, einen – leichtfertig ausgedrückt – „umgekehrten Michnik“ zu machen. Das heißt, die nächsten 30 Jahre zu regieren und den Amerikanern zu dienen. Die PiS wird nicht von ihrem Weg abweichen: Sie hat alles in Trump investiert und auf seiner Schirmherrschaft ruhen all ihre Hoffnungen auf eine Rückkehr an die Macht.

Kaczynski mit Trump wieder an die Macht

Przeglad, 3.3.2025

Nachdem die PiS die Wahlen verloren hatte, haben ihre Politiker alles dafür getan, um die neue Regierung vor der EU anzuschwärzen. Sie sei nicht demokratisch, rechtlos, würde die Opposition unterdrücken, diese hätte keinen Zugang zu Medien, seit 35 Jahren gäbe es wieder politische Gefangene. Bald merkten sie, dass sie keiner anhören wollte. Aber da erschien ein Licht am Horizont, ihr viel geliebter ehemaliger Präsident Trump stellte sich wieder zu Wahl.

Über seinen Wahlsieg war Duda am glücklichsten. Schon im April 2024, noch während des Wahlkampfs, besuchte er Trump im Trump Tower. Seinen Minister im Präsidialamt, Marcin Mastalerek, ließ er gleich in Washington, damit er einen regelmäßigen Kontakt zu Trumps Leuten unterhält und Duda regelmäßig berichtet. Mastalerek organisierte nicht nur Treffen mit Duda, sondern auch das Treffen der Rechtspopulisten bei der CPAC in Budapest 2024. Dort trat auch Morawiecki auf, der seinem Freund Viktor Orbán dankte, dass er dies Treffen organisiert habe. Bei diesem Treffen der Rechtspopulisten CPAC im Februar konnte Morawiecki seine Flügel ausbreiten. Er bestätigte dabei die Aussagen von Vance in München und beklagte den Angriff auf die Redefreiheit, Verfolgung der Opposition und Verhaftung von Oppositionellen: „...genauso wie Vice-Präsident J.D. Vance in München sagte, dies geschieht in meinem Vaterland, ist das Demokratie?“

Dominik Tarczynski, EU-Abgeordneter, setzte dem eine Krone auf. Er hat mit dem Wahlstab von Trump zusammengearbeitet. Er sollte die Sache auf den Punkt bringen, warum der Sieg von Trump wichtig für Polen, ja für Europa sei. Tarczynski nahm auch an Wahlveranstaltungen an der Seite von Trump teil.

„Ich kann Ihnen verraten, dass der Stab von Donald Trump das gesamte Material mit negativen Aussagen über ihn durch den Außenminister Sikorski, seine Frau Anne Applebaum (US-Amerikanerinn, lebt in Polen) und auch anderen Politiker, wie Donald Tusk, das sie über ihn verbreitet haben, von mir erhalten haben. So können wir die Gewissheit haben, dass die Zusammenarbeit mit dieser polnischen Regierung sehr belastet sein wird!“

PSL: Immer weiter nach rechts

wolnelewo.pl, 06.03. 2025

Der Vize-Premier und Vorsitzende der Volkspartei (PSL) Kosinak-Kamysz attackierte wieder die Geflüchteten aus der Ukraine.

„Es herrscht Ernüchterung, wenn man sieht, wie Hunderttausende oder vielleicht Millionen junger Ukrainer mit den besten Autos durch Europa fahren und ihre Wochenenden in 5-Sterne-Hotels verbringen. Diese Frustration existiert, ich habe keine Angst, das zu sagen“, sagte er auf dem Europäischen Forum der Kommunalverwaltungen.

Das sind die legendären Flüchtlinge, die gleichzeitig Sozialhilfe beziehen, den Polen in Supermärkten die Arbeitsplätze „stehlen“ und sich dann, vermutlich für diese Knete, in Luxushotels aufhalten und die besten Autos fahren. Wir kennen dieses Narrativ auswendig aus einer bestimmten dunklen Periode der deutschen Geschichte, nur war die Zielscheibe dieser Tiraden eine andere Gruppe.

Ich erinnere Sie daran, dass dies nicht von einem Aktivisten der ultrarechten Konföderation gesagt wird, sondern vom stellvertretenden Premierminister einer angeblich „aufgeklärten“ Regierung. Sie säen seit langem die hässlichste nationalistische Propaganda aus, mit minimalem Widerstand von ihren freundlichen Medien.

Passivität ist Duldung. Die polnische politische Szene ist seit langem so weit wie möglich nach rechts gerückt. Das geht so weit, dass in unserem Land die linke Mitte eigentlich die Arbeit der „extremen Linken“ macht. Und jetzt wird dieser Prozess nur noch schlimmer, und es gibt sogar einen Schub in Richtung der rechten Wand. Ich weiß nicht, wie sie alle noch an diese Mauer passen. Der Wettbewerb um die Gunst der Konföderation beschleunigt dies nur. Und es zeigt, was diese Leute im Kopf haben.

Dariusz Zalega, Publizist und Historiker, schreibt: »Ich bin angewidert von der größten Abschiebung von Ausländern aus Polen. Irgendwie haben Trzaskowskis (Präsidentschaftskandidat der Bürger Plattform PO) schwachsinnige „Spindoktoren“ nicht gemerkt, dass dies ein gefundenes Fressen für die Konföderation ist, und dass es auf sie zurückfallen wird. Eine Show also, die nicht nur menschlich abstoßend, sondern auch kontraproduktiv ist – und die schlimmsten Klischees in einer ohnehin schon zerrissenen Gesellschaft verstärkt. Es ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass der Liberalismus an der Weichsel direkt ins autoritäre Stadium übergegangen ist – und nur knapp an einem gewissen Progressivismus vorbeischrammt. Null Werte.

Der Arbeitsmarkt bricht ein

wolnelewo.pl, 21.2.2025

Nach Angaben des Zentralen Statistikamtes (CSO) sank die Beschäftigung in polnischen Unternehmen im Januar 2025 um 0,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, was einem Verlust von 61.000 Arbeitsplätzen entspricht. Dies ist der stärkste Rückgang seit März 2021.

Die stärksten Beschäftigungsrückgänge wurden im Handel und in der Fahrzeugreparatur sowie in der Industrie, im Verkehr, in der Lagerverwaltung und in der Verwaltung sowie bei den Hilfstätigkeiten verzeichnet. Auch im Bereich Bergbau und Abbau von Steinen und Erden kam es zu erheblichen Arbeitsplatzverlusten.

Viele große Arbeitgeber haben Pläne für Massenentlassungen angekündigt. So hat beispielsweise der Schweizer Finanzriese UBS den Abbau von 1200 Stellen in Polen und die Schließung seiner Warschauer Niederlassung angekündigt.

Seit Anfang 2025 ist in Polen eine Zunahme von Massenentlassungen in verschiedenen Wirtschaftszweigen zu verzeichnen. Laut der 'ManpowerGroup Employment Outlook Survey' planen rund 19 Prozent der Arbeitgeber in diesem Jahr einen Stellenabbau.

Die Gründe für die Entlassungen sind unterschiedlich. Zum Teil sind sie das Ergebnis jahrelanger Vernachlässigung und von Managementfehlern, andere der zunehmende Druck durch fortschreitende Automatisierung und Offshoring (Verlagerung der Produktion in andere Länder).

Die Politiker haben vor allem von der unvermeidlichen und immer weiter fortschreitenden Automatisierung keine Ahnung. Der Kapitalismus wandelt sich, und sie sind geistig noch im neunzehnten Jahrhundert stecken geblieben. Die Kosten dieser Prozesse werden natürlich hauptsächlich auf die Welt der Arbeit und die Bedürftigen abgewälzt.

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