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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 03/2025

Feminist:innen sind schuld an Masseneinwanderung
von Marina Hoffmann

»Schon gewusst? Feminismus macht (Frauen) ehe- und kinderlos. Gleichberechtigung ist längst erreicht und queere Lebensformen sind widernatürlich!?« Mit diesen Worten wurden Besucher:innen der Ausstellung »Antifeminismus – eine politische Agenda« auf der ersten Tafel im Keller des NS-Dokumentationszentrums Köln begrüßt. Bis Februar führte die Ausstellung durch die fünf Themenbereiche Frauen in der Politik , Artikel 218 Schwangerschaftsabbruch, Queere Lebensweisen, extreme Rechte und Gewalt gegen Flinta* mit der deutschen Perspektive in das Thema ein.

Über weibliche Körper bestimmt bis heute in Teilen die Gesellschaft. Sei es die (äußerliche) Fremdbeurteilung am Arbeitsplatz oder durch das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch.
Der Feminismus kämpft immer noch um eine Gleichstellung der Geschlechter und hat damit nicht nur in Deutschland eine lange Geschichte. Dieser Kampf und seine auch heute noch aktuellen Gründe wurden in den ersten beiden Stationen der Ausstellung anhand von Zeittafeln, Interviews, einem Quiz zu feministischen Errungenschaften und weiteren Ausstellungsstücken illustriert. So war z.B. eine halbe Papaya in einem Glaskasten zu sehen. Diese Früchte haben eine ähnliche Größe wie eine Gebärmutter, an ihnen wird bis heute der Schwangerschaftsabbruch gelehrt. Zwar lernt jede:r Medizinstudent:in das theoretische Wissen, doch die praktische Umsetzung bleibt freiwillig. Professionelles Material gibt es nicht.
Die klare Trennung zwischen Mann und Frau, also das veraltete heteronormative Bild, prägt die Grundlage des Antifeminismus. Sichtbar queere Menschen stören dieses Bild und werden deshalb Ziel diverser Angriffe von rechts.
Rechtspopulist:innen ändern das Bild vom Sexualkundeunterricht und der Aufklärung zur Geschlechterforschung und sprechen von kindlicher »Frühsexualisierung«. Kinder werden nicht nur bei fehlenden Schwangerschaften als Argument genannt, sondern auch bei queerfeindlichen Narrativen.
Antifeminist:innen geben Feminist:innen die Schuld daran, dass deutsche Frauen nicht mehr ihren natürlichen Aufgaben der Mutterschaft und Kindererziehung nachkommen, was angeblich die Masseneinwanderung begünstigt. Erzählungen wie die vom »Großen Austausch«, bei der weiße Männer durch muslimische ersetzt werden sollen, machen deutlich, wie sehr sich Antifeminismus mit Rassismus oder Antisemitismus verbindet.
Antifeministische Frauen spielen dabei eine wichtige Rolle, denn sie bieten Identifikationsmöglichkeiten und verschieben die Schuld der weiblichen Unterdrückung auf angeblich massenvergewaltigende, ausländische Männer. »Es findet eine rassistische Instrumentalisierung von Frauenrechten statt«, so eine Tafel in dem Teil der Ausstellung, der sich dezidiert mit den Strategien der extremen Rechten beschäftigt. Sie reduziert Frauen auf drei Rollen: affektgesteuerte Mütter, verräterische Feminist:innen und Opfer von außerfamiliärer Gewalt.

Toxische Incels
Viele Incels (involuntary celibates/unfreiwillig zölibatäre Männer), die sich im Internet finden und radikalisieren, sind Brandbeschleuniger des Antifeminismus.
Die Melange von Antifeminismus und Rassismus tritt auch immer wieder bei rechter Gewalt hervor – ob bei Angriffen auf queere Menschen oder bei Anschlägen wie im australischen Christchurch oder im sachsen-anhaltischen Halle, wo die Täter explizit antifeministische neben rassistischen Motiven offenlegten.
Der letzte Ausstellungsraum war bewusst von außen nicht einsehbar. In ihm gab es vor allem zwei Leinwände, die Interviews verschiedener Frauen zu alltäglicher verbaler und körperlicher Gewalt zeigten. Ein Raum, in dem es sich nur schwer aushalten ließ.

Hilfen
Die kleine Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum konnte einen umfassenden Überblick zum Antifeminismus vermitteln, der um Differenzierung bemüht war. Es handelt sich dabei um eine politische Agenda, die von Misogynie, Sexismus und auch von legitimer Kritik, wie der an trans- und islamophoben Ausprägungen des Feminismus, abzugrenzen ist. Antifeminismus will eingrenzen und richtet sich gegen das gleichberechtigte Miteinander verschiedener individueller Lebensweisen.
Damit die Besucher:innen die Ausstellung nicht niedergeschlagen verlassen mussten, gab es an jeder Wand weiterführende QR-Codes, die sie mittels ihrer Mobiltelefone einscannen und so den Internetauftritt verschiedener Institutionen besuchen konnten, die Hilfsangebote für Betroffene bereitstellen. So bietet z.B. die Seite der landesweiten Fachstelle »Mehr als Queer« Informationen und Beratung für queere Menschen, unter anderem in den Kontexten Rassismuserfahrungen und Flucht.
Antifeminismus ist eine Gegenbewegung zum Feminismus, die eng mit der extremen Rechten verknüpft ist und gegen Gleichberechtigung und vielfältige Lebensweisen vorgeht.

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