von Peter Vlatten
Schuldenbremse nur noch fürs Soziale
Selten hat der Ausdruck »Verschlimmbessern« so gepasst wie für das Verschuldungspaket, das CDU, SPD und Die Grünen durch den Bundestag gebracht haben, um die »Kriegstüchtigkeit« und Militarisierung unserer Gesellschaft zu sichern. Was wurde da ausgehandelt?
Erstens: Künftig sollen nicht nur direkte Militärausgaben von der Schuldenbremse ausgenommen werden können, sondern auch Ausgaben für Zivil- und Bevölkerungsschutz, Nachrichtendienste, Cybersicherheit sowie die Ukrainehilfen. Für diese Bereiche gibt es keine Grenze mehr für die Neuverschuldung – angepeilt ist bisher eine Billion Euro verteilt auf zehn Jahre. Hinzu kommt eine halben Billion für Infrastruktur – und es kann aufgesattelt werden – unbegrenzt!
Zweitens: Aus dem 500 Milliarden Euro schweren Infrastrukturfonds dürfen ausschließlich »zusätzliche« Investitionen bezahlt werden. Damit soll allen Versuchen ein Riegel vorgeschoben werden, mithilfe des gewonnenen Kreditspielraums soziale Aufgaben wie Renten, Bürgergeld, Wohngeldzuschüsse und so weiter zu finanzieren.
Drittens: Auf 100 Milliarden Euro klebt nun das Etikett Klima. Sie sollen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) fließen, das Lieblingsvehikel des scheidenden Wirtschaftsministers Robert Habeck. Ob das Geld tatsächlich in dem Sinn verwendet wird, den das Etikett verspricht, darf laut Handelsblatt bezweifelt werden. Auch Habecks Subventionen, etwa für Intel, sollen aus dem KTF finanziert werden.
Viertens: Gut drei Milliarden weitere Soforthilfe für die Ukraine sollen unverzüglich freigegeben werden.
Die wirtschaftlichen Folgen
Der Bundesrechnungshof schlug Mitte März schon wegen der ursprünglichen Pläne von CDU und SPD Alarm: »Die Gesetzentwürfe verstärken die Verschuldungsdynamik des Bundes noch einmal deutlich«, schrieben die Rechnungsprüfer. »In den daraus folgenden langfristigen hohen Zinsausgaben liegt ein volkswirtschaftliches und soziales Risiko.« Ab 2035 drohten »durch die Aufweichung der Schuldenregel 37 Milliarden Euro zusätzliche Zinsausgaben«.
Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr lagen die Zinsausgaben bei 34 Milliarden Euro. In Summe wären das 71 Milliarden reine Zinsbelastung. Die neue, ebenfalls unbegrenzte Ausweitung der Verschuldung für Zivilschutz, Nachrichtendienste und so weiter ist da noch nicht einmal einkalkuliert.
Die durch diese Mammutverschuldung losgetretene Inflation trifft uns alle, aber überproportional die Armen und den Großteil der arbeitenden Bevölkerung. Schon bei Bekanntwerden der ersten Sondierungsergebnisse von CDU/SPD zogen die Baukreditzinsen an. Die Immobilienwirtschaft warnt, der Wohnungsbau könne unfinanzierbar werden und zum Erliegen kommen. Die Kapazitäten und Rohstoffe würden vorrangig in Infrastruktur- und Militärprojekte wandern, die Preise sprunghaft ansteigen. Wohn- und Mietpreise würden explodieren, die Wohnungsknappheit in den Ballungszentren neue Rekorde erreichen.
48 Prozent Rente – eine ›zu schwere Hypothek‹?
Trotz der Verschuldung werden unter dem Schlagwort »Wirtschaftswende« Arbeits-, Sozial- oder auch Umweltstandards angegriffen werden. Kriegswirtschaft bedeutet nicht, dass Arbeitsplätze und Wohlstand erhalten bleiben. Mit Panzern kann man nicht in Urlaub fahren, in Bunkern wohnt es sich schlecht, Artilleriegeschosse lassen sich nicht essen.
Die Interessen von Kapital und Kriegswirtschaft können nach Belieben bedient werden. Nichts steht den Steuersenkungsplänen der rechten Mehrheit im Bundestag zugunsten der Reichen und zulasten des Kernhaushalts mit seinen sozialen Aufgaben mehr im Wege. »Wir erwarten nachhaltige Sozialversicherungsreformen, die im Sondierungspapier bislang eine Leerstelle sind«, sagt der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger. Das Rentenniveau von 48 Prozent sei eine zu »schwere Hypothek«.
Nichts belegt, dass »Russland vor der Tür steht und wir uns verteidigen müssen«. Die militärische und wirtschaftliche Überlegenheit der europäischen NATO-Staaten – auch ohne die USA – wurde vielfach nachgewiesen. Der jetzt vollzogene Aufrüstungs- und Großmachtkurs führt nicht zu mehr Sicherheit. Gegenseitige Bedrohung und Konfrontation treiben im Gegenteil die Kriegsgefahr auf die Spitze. Am Ende könnte Deutschland wieder in Schutt und Asche versinken.
Peter Vlatten ist aktiv im Forum Gewerkschaftliche Linke Berlin. Der ungekürzte Text erschien am 15.3. auf https://gewerkschaftliche-linke-berlin.de/.
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