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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 01/2017

Tarifvertrag für Leiharbeiter
von Helmut Born

Wieder einmal hat der DGB einen Tarifvertrag mit den Unternehmerverbänden der Leiharbeitsbranche, BAP und IGZ, abgeschlossen, der es auch weiterhin möglich macht, Leiharbeitern deutlich schlechtere Löhne zu zahlen als den im Betrieb Beschäftigten. Die Unterschiede betragen je nach Branche zwischen 30% und 50%.

Dabei wäre es sehr einfach möglich, gleichen Lohn auch für Leiharbeiter durchzusetzen – indem auf einen Tarifvertrag verzichtet wird. Gäbe es nämlich keinen Tarifvertrag für die Leiharbeitsbranche, müsste nach dem Tarifvertrag der jeweiligen Branche bezahlt werden. Damit wäre aber der Kostenvorteil für die Firmen weg, die Leiharbeiter beschäftigen, und die Entleihunternehmen müssten sich darauf konzentrieren, ihre Beschäftigten für außergewöhnliche Einsätze (Produktionsspitzen, Saisonarbeit usw.) zu qualifizieren. Das würde bedeuten, dass das Modell der Kostenreduzierung durch Leiharbeit obsolet wäre.

Das Ergebnis, das am 30. November nach insgesamt vier Verhandlungsrunden in eineinhalbtägigen «Nonstop»-Verhandlungen erzielt wurde, ist dementsprechend schlecht. Vereinbart wurde eine dreijährige Laufzeit, bei der am Ende der unterste Lohn im Westen bei 9,96 Euro und im Osten bei 9,66 Euro liegt. Dies gilt wohlgemerkt für das Gros der Beschäftigten, wie es in der Mitteilung von Ver.di heißt. Insgesamt seien bis Ende 2019 in vier Erhöhungsstufen Lohnsteigerungen im Westen von 9,6% und im Osten von 11,5% vorgesehen. Besonders pikant ist die Angleichung der Einkommen im Osten an die im Westen: Sie ist zum 1. April 2021 vorgesehen.

Ver.di weist in der Mitteilung darauf hin, immer wieder werde die Frage gestellt, ob es nicht besser wäre, auf Tarifverträge für die Leiharbeitsbranche zu verzichten. Dazu gab es im Sommer einen Aufruf im Labournet, der inzwischen von fast 600 Kolleginnen und Kollegen unterzeichnet wurde. Darin wird der DGB aufgefordert, keine neuen Tarifverträge abzuschließen, damit Leiharbeiter den gleichen Lohn bekommen wie ihre Kolleginnen und Kollegen, die fest im Betrieb beschäftigt sind.

Begründet wird der Abschluss von Tarifverträgen ja mit dem Argument, Leiharbeiter würden sonst in der verleihfreien Zeit keinen Lohn bekommen und auch Leiharbeiter aus dem Ausland wären ausgeschlossen. Diese Argumentation ist beschämend für Gewerkschaften: Auf der einen Seite wird überall gleicher Lohn für gleiche Arbeit gefordert, aber hier wird ungleiche Bezahlung zementiert und auf Jahre festgeschrieben.

Außerdem zeugt die Argumentation von Ahnungslosigkeit in Bezug auf die Situation in der Branche. Ist es doch ein offenes Geheimnis, dass Leiharbeiter oft nur Verträge für ihre jeweilige Einsatzzeit bekommen. Gibt es keinen Folgeeinsatz, ist das Arbeitsverhältnis beendet und Mensch kann sich beim Jobcenter melden. Das verstößt offen gegen eine EU-Richtlinie, die ganz klar gleiche Bezahlung für Leiharbeiter vorsieht.

Die Folgen der Hartz-Gesetze schlagen nicht nur bei Hartz IV bis in den Betrieb durch, sondern auch bei der Förderung der Leiharbeit. Fast eine Million Kolleginnen und Kollegen werden in diesem Jahr als Leiharbeiter beschäftigt und meist als Lohndrücker missbraucht. Viele von ihnen sind auf ergänzende Leistungen angewiesen oder gehen einem Zweitjob nach.

Dass ist ein Mosaikstein für die internationale Konkurrenzfähigkeit des «Standorts» Deutschland. Die Gewerkschaften sind Teil dieses Standortpakts.

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