von Manfred Dietenberger
Das hier ist die Geschichte von den klugen und mutigen Kolleginnen und Kollegen des Fachdienstes Selbstbestimmtes Wohnen des Saarländischen Schwesternverbands (SSV) aus Schwemlingen, die ihrem Boss eine starke Lektion erteilten.
Die Kollegen vom Fachdienst sind alles erfahrene Sozialarbeiter, Heilerziehungspfleger, Erzieher, Ergotherapeuten oder Krankenschwestern/-pfleger, die tagtäglich engagiert für die Betreuung und Förderung von Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen unterwegs sind. Der Fachdienst Selbstbestimmtes Wohnen für Menschen mit Behinderungen ist spezialisiert auf individuelle und vielfältige Hilfen und Unterstützungsangebote für chronisch psychisch erkrankte Menschen in deren gewohnter häuslicher Umgebung. Außer ihrer Arbeitskraft stellen viele von ihnen sogar noch ihren privaten Pkw zur Verfügung.
Bislang wurde dies aber nicht entsprechend honoriert. Für die «freiwillige» Benutzung ihres privaten Pkw für dienstliche Zwecke erhielten die Beschäftigten bis vor kurzem nur 30 Cent pro gefahrenen Kilometer und eine einmalige Tankfüllung im Werte von 44 Euro. Die tatsächlichen Kosten für Benzin, Kfz-Steuer, Versicherung, Reparatur und Rücklagen für die Wiederbeschaffung des Fahrzeugs sind damit längst nicht abgegolten. Das Fahrtkostenproblem teilen alle Beschäftigten, die ihren eigenen Pkw für dienstliche Zwecke nutzen müssen. Aber die saarländischen Landesbediensteten erhalten wenigstens 35 Cent je gefahrenen Kilometer.
Seit November 2007 versuchen die Beschäftigten, ein höheres Kilometergeld bei der Geschäftsleitung durchzusetzen. Doch alle ihre Vorstöße und die Bemühungen des Betriebsrats scheiterten, so wurde im Frühjahr dieses Jahres noch die Gewerkschaft Ver.di hinzugeholt.
Vor ein paar Wochen nun platzte den Beschäftigten des Fachdienstes endgültig der Kragen. Sie waren nicht länger bereit zuzulassen, dass ihr Boss das Problem «aussitzt». Sie beschlossen ihm ein Ultimatum zum 15. Oktober zu setzen: Entweder lenkt der SSV endlich ein und bezahlt eine angemessene Entschädigung (gefordert wurden 200 Euro), oder aber ab dem 15.Oktober stehen nicht mehr genügend Dienstfahrzeuge zur Verfügung. Laut Arbeitsvertrag können die Beschäftigten nicht gezwungen werden, ihr Auto dienstlich einzusetzen. Die Kolleginnen und Kollegen versprachen sich gegenseitig Solidarität. Niemand sollte aus der Abmachung ausbrechen. Ver.di wurde beauftragt, dem Unternehmer das Ultimatum zu überbringen. Die Gewerkschaft kündigte an, Rechtsschutz zu gewähren. Gleichzeitig wurde die Geschäftsleitung über die vorgesehene «planmäßige Eskalation» informiert.
Zwei Flugblätter, eine Presseerklärung und eine Demo-Ankündigung später: Die Kolleginnen und Kollegen des Fachdienstes erhalten ab November eine Prämie in Höhe von 1000 Euro pro Jahr (für die Vollkraft) und verpflichten sich dafür im Gegenzug, auf ihren Autos eine abnehmbare Werbung für den Schwesternverband anzubringen. Dafür erstellt der SSV magnetische Folien, die nach Dienstschluss wieder entfernt werden können. Ab Dezember 2012 wird es ein drittes Dienstfahrzeug geben. Ein weiteres Dienstfahrzeug soll es nächstes Jahr geben. Bei Neuanschaffung eines privaten Pkw wird der SSV bei Bedarf mit einem kostengünstigen Darlehen helfen. Weiterhin erhalten die Kollegen des Fachdienstes 30 Cent je gefahrenen Kilometer und die genannte Tankfüllung.
Die Kollegen haben da eine interessante Kampfform angewandt, die zuvor im Saarland von Ver.di erfolgreich praktiziert worden ist. Unter einem solchen Druck sagte z.B. die Geschäftsführung eines Altenheims die Schaffung von zweieinhalb neuen Stellen und die Kürzung der überlangen Schichten in einem Krankenhausoperationssaal zu. Man sieht: So ein Ultimatum kann eine sehr effektive Kampfform unterhalb des regulären Streiks sein, die auch in Zeiten der tariflichen Friedenspflicht machbar ist.
Durchaus nachahmenswert!
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