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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 02/2013

Höhenflug der Rüstungsexporte

Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts sind die Rüstungsexporte weltweit gewaltig gestiegen, allein zwischen 2007 und 2011 um 24%. Deutschland hat in der Zeit seinen Waffenhandel sogar um 37% gesteigert; es ist drittgrößter Waffenexporteur der Welt.
Absoluter Rüstungsexportweltmeister ist die EU: Ihr Anteil am Weltwaffenhandel belief sich im Zeitraum 2006–2010 auf 34%, die USA kommen auf 30%, Russland auf 24%, Deutschland auf 11%, Frankreich auf 7%, Großbritannien auf 4%, China auf 3%.
Deutsche Waffenexporte gehen zu 30% in die EU, 27,5% in andere NATO-Staaten, fast 40% in Drittländer. Überwiegend werden Komponenten für Waffensysteme (z.B. Dieselmotoren, Funkgeräte und Radaranlagen), keine kompletten Waffensysteme exportiert. Es ist jedoch nur die Ausfuhr von Kriegswaffen meldepflichtig, nicht die einzelner Komponenten.

Mehr Exporte in Drittländer
Während der Export in die EU eher stagniert (oder gar rückläufig ist, weil die Mitgliedstaaten sparen müssen) und der in NATO-Staaten leicht rückläufig ist, ist vor allem der Export Drittländer steil angestiegen. Die deutschen Rüstungsfirmen suchen deshalb neue Kunden außerhalb von EU und NATO. Dazu gehören vor allem die sog. «Gestaltungsmächte»: Indien, Brasilien, Südafrika, Südkorea oder Indonesien – und natürlich die Golfstaaten.
Im Jahr 2011 wurden Rüstungsexporte in den Nahen Osten im Wert von fast einer Milliarde Euro genehmigt (927,5 Millionen). An oberster Stelle lagen die Vereinigten Arabischen Emirate mit 356,9 Mio. Euro. Es scheint aber, dass es Saudi-Arabien ist, mit dem deutsche Firmen derzeit soviel Waffengeschäfte wie mit keinem anderen Land der Welt machen. Zum Stichtag 1.12.2012 haben die Exportgenehmigungen (die sich über mehrere Jahre erstrecken) ein Volumen von 1,335 Mrd. Euro erreicht; größter Einzelposten ist eine Grenzsicherungsanlage im Wert von 1,1 Mrd. Euro (Tagesspiegel, 30.12.2012).

Gemeinsame Kriegsübungen
Die Bundeswehr verstärkt ihre Kriegsübungen mit den Diktaturen der arabischen Halbinsel. Zum Jahresende hat die deutsche Luftwaffe zwei größere Trainingsmaßnahmen in den Vereinigten Arabischen Emiraten absolviert, die jeweils gemeinsame Gewaltoperationen zum Inhalt hatten. Beteiligt waren auch Soldaten aus Saudi-Arabien, Qatar und NATO-Staaten. Eine der Maßnahmen hatte ausdrücklich ein «fiktives Krisenszenario in der Golfregion» zum Inhalt, in dem Deutschland «einem befreundeten Staat zu Hilfe» eilen müsse.
Die derzeit einzig denkbare Konkretisierung dieses Szenarios wäre ein Krieg gegen den Iran, in dem die NATO und die Golfdiktaturen gemeinsam kämpften. Die Übungen zielten nicht nur darauf ab, die multinationale Kriegführung zu trainieren. Sie halfen auch, Militärs aus den Emiraten auszubilden, die zwar über modernstes Kriegsgerät, aber über dürftige praktische Fähigkeiten verfügen. Nebenbei präsentierte die deutsche Luftwaffe den emiratischen Gastgebern den Eurofighter, mit dem Berlin das Land beliefern will – in Fortsetzung der milliardenschweren Rüstungsexporte für den Hegemonialkampf gegen denIran. (Quelle: German foreign policy.)

Bürgerkriegswaffen
Stark gestiegen ist vor allem der Export von Bürgerkriegswaffen: Der größte Teil der Genehmigungen für den Export von Waffen, die ausschließlich in Deutschland hergestellt werden, entfiel auf die Lieferung von militärischen Ketten- und Radfahrzeugen. Die türkischen Generäle konnten sich über 113 neue Panzer freuen, um die Kurden in Schach zu halten. Saudi-Arabien hat im Laufe der letzten Jahre 200 Kampfpanzer Leo-2, mehrere hundert Radpanzer «Boxer» und zu Jahresende 2012 noch 100 ABC-Spürpanzer Dingo-2 bestellt.
Für die Lieferung von Handfeuerwaffen an Drittstaaten erhielten die deutschen Rüstungsunternehmen Ausfuhrgenehmigungen in Höhe von 30,2 Millionen Euro, mehr als jemals zuvor. Die Lieferungen gingen u.a. an Saudi-Arabien, Kuwait, Malaysia und Ägypten.

Waffenproduktion – ökonomisch wieder unverzichtbar?
Der Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) versucht, den Kritikern der Rüstungsexporte den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem er betont, wie viele Arbeitsplätze an der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie hierzulande hängen. Dabei schindet er Eindruck mit großen Zahlen, um den Gewerkschaften die «Unverzichtbarkeit» dieses Sektors zu beweisen.
In einer Studie rechnet der BDSV vor, die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie habe im Jahr 2011 Güter im Wert von fast 12,5 Mrd. Euro exportiert. Dabei weist der aktuelle Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für das Jahr 2011 lediglich Ausfuhrgenehmigungen über 5,4 Mrd. Euro aus.
Die Zahl der in der Rüstungsindustrie Beschäftigten gab der BDSV im Jahr 2010 noch mit 80.000 an. Seine neue Studie aus dem Jahr 2011 zählt für 2010 aber schon 9000 Beschäftigte mehr, für 2011 sogar 98.000 Erwerbstätige. Hinzu kämen 218.640 indirekt in der SVI Beschäftigte. Auch diese Zahlen liegen deutlich über dem Rüstungsexportbericht der Bundesregierung.
Die überhöhten Zahlen des BDSV, ein Wirtschaftsverband, der die Interessen deutscher Unternehmen aus der Rüstungsindustrie vertritt, hängen damit zusammen, dass die klassischen Rüstungsgüter nur zu einem äußerst geringen Teil Gegenstand seiner Studie sind. Einen großen Teil der Ausfuhren macht nicht der so genannte Kernbereich der SVI aus, sondern Güter des sogenannten Erweiterten Bereichs (ESV), wozu z.B. auch Gerät gehört, das zur Brandbekämpfung, bei Überschwemmungen oder für die IT-Sicherheit benötigt wird.
2011 wurden im gesamten Bereich der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie Güter im Wert von 28,3 Mrd. Euro hergestellt. Auf klassische Rüstungsgüter entfallen davon aber nur gut 4 Mrd., die restlichen gut 24 Mrd. gehören zum Erweiterten Bereich. Das spiegelt sich auch in den Arbeitsplätzen wieder: 80700 Erwerbstätige arbeiten im Erweiterten Bereich, nur 17.300 in der klassischen Rüstungsproduktion.
Der Hauptgeschäftsführer des BDSV, Georg Adamowitsch (SPD-Mitglied), begründet die Notwendigkeit der Lockerung der Rüstungsexportrichtlinien damit, Deutschland brauche eine wehrtechnische Industrie, um in außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungen unabhängig zu bleiben. Tatsächlich dürfte es dem BDSV jedoch darum gehen, moralisch begründete Fragen wie die, ob auch an autoritäre Staaten Kriegsgerät verkauft werden soll, mit einer Debatte um sichere Arbeitsplätze zu ersetzen – eine Argumentation, für die Gewerkschaften immer empfänglich sind.

Zitat zum Thema:
«Die Armee ist kein gepanzertes Technisches Hilfswerk.»
Thomas De Maizière

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