Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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Nur Online PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 09/2014
Für ein Europa der Solidarität

von Damien Millet und Eric Toussaint

Gemäß der Kriterien des Internationalen Währungsfonds führten die europäischen Regierungen strenge Sparmassnahmen durch: Kürzung der öffentlichen Ausgaben, die Einfrierung von Gehältern bzw. Gehaltskürzungen für Beamte, reduzierter Zugang zu wichtigen öffentlichen Einrichtungen und Sozialhilfe, höheres Rentenalter etc.; erhöhte Kosten für den öffentlichen Transport, Wasser- und Gesundheitsversorgung, Ausbildung etc.; höhere und besonders unfaire Steuern wie die Mehrwertssteuer; massive Privatisierung von Firmen in Wettbewerbssektoren. Alles in allem also die strengsten Sparmassnahmen seit 1945. Die Auswirkungen der Krise werden durch sog. Hilfsmassnahmen, die die Interessen des Kapitals schützen verstärkt. Die Austeritätspolitik verschärft die wirtschaftliche Verlangsamung beträchtlich, sie produziert sozusagen einen Schneeballeffekt: das langsame Wachstum – falls vorhanden – erhöht die Staatsschulden. Die Bedeutung von „triple A“ wird klar: Austerität bei den Gehältern, der Geldpolitik und beim Budget.

Die Leute sind immer weniger bereit, die Ungerechtigkeit dieser Reformen und die ernsthaften sozialen Rückschritte, die sie zur Folge haben, zu akzeptieren. Es sind vornehmlich die Arbeiter, die Arbeitslosen und die Haushalte mit den niedrigsten Einkommen, die vom Staat dazu herangezogen werden um die weitere Prosperität der Gläubiger sicherzustellen. Dabei tragen wie üblich die Frauen die größte Last durch prekäre und Teilzeitarbeitsstellen, die ihnen vom aktuellen patriarchalen Gesellschaftssystem auferlegt werden. Der Kampf für eine andere soziale Logik kann nicht vom absoluten Respekt für die Rechte der Frauen getrennt werden. Der Kampf für eine andere gesellschaftliche Logik ist untrennbar an den Kampf für den absoluten Respekt für die Rechte von Frauen gebunden.

Sehen wir uns an, was das bedeutet.

Die Reduzierung der Staatsschulden ist für sich gesehen kein Ziel. In bestimmten Umständen mag dies die wirtschaftliche Aktivität stimulieren und die Bedingungen der Krisenopfer erleichtern. Sobald die wirtschaftliche Aktivität wieder einigermaßen läuft, müssen die Staatsschulden nicht durch die Verringerung der öffentlichen Ausgaben reduziert werden, sondern durch die Anhebung der Steuereinnahmen aus den Vermögen und Einkommen im obersten Bereich – indem man die Steuervermeidung verhindert und höhere Steuern auf Kapital- und Finanzerträge einhebt. Das Defizit kann auch durch die Nicht-Bezahlung öffentlicher Ausgaben erfolgen, die als illegitim empfunden werden und als gefährlich für das Leben von Menschen und die Umwelt. Andererseits ist es grundsätzlich notwendig, die Budgets für gesellschaftlich sinnvolle Dinge zu erhöhen und die Auswirkungen der wirtschaftlichen Depression zu verringern.

Die Ausgaben für erneuerbare Energien, Infrastrukturen, einen besseren öffentlichen Transport, Schulen oder Gesundheitseinrichtungen müssen erhöht werden. Wenn die Wirtschaft durch die Stimulation öffentlicher oder privater Nachfrage stimuliert wird, werden auch die Steuereinnahmen stimuliert. Darüber hinaus muss die Krise eine Möglichkeit eröffnen, mit der kapitalistischen Logik zu brechen und eine radikale Veränderung in der Gesellschaft zu schaffen. Diese neue Logik, die noch weitgehend unerforscht bleibt, muss den „productivism“, den Drang, zu produzieren, über Bord werfen ebenso wie andere Formen der Unterdrückung wie Rassismus und Patriarchat zu Gunsten von ökologischen Überlegungen und der Propagierung des „collective commons“, gemeinschaftlichem Eigentum.

Dazu ist es notwendig, eine breite Anti-Krisen-Bewegung zu aufzubauen, sowohl auf lokaler als auch auf europäischer Ebene, wobei kreative Energien und den Fokus auf radikalen Lösungen, die auf sozialer und Klimagerechtigkeit basieren, kombiniert werden.

1. Stopp für unfaire Sparprogramme, die die Krise verschlimmern.

 

Das Ende der anti-sozialen Austeritätsmaßnahmen sind eine absolute Priorität. Die Regierungen müssen von Demonstrationen, Streiks und der Verweigerung unfairer und unpopulärer Steuern dazu gezwungen werden, den EU-Behörden nicht zu gehorchen und die Austeritätsmaßnahmen zu widerrufen.

2. Aufhebung der illegitimen Staatsschulden

Die Durchführung einer Prüfung der Staatsschulden durch die Bürger, was in einigen Fällen mit einer einseitigen und souveränen Aufhebung der Zurückzahlung von Staatsschulden einhergehen kann, würde in einigen Fällen die Missachtung illegitimer Schulden zulassen und den verbliebenen Rest ziemlich reduzieren.

Es muss außer Frage stehen, dass die Neuverhandlung von Schulden akzeptiert werden, welche von den Gläubigern entschieden wurden – vornehmlich aufgrund der strengen Bedingungen die damit einhergehen. Der griechische Schuldenplan vom März 2012 ging Hand in Hand mit der Anwendung eines weiteren Maßnahmenpakets, das die wirtschaftlichen und sozialen Rechte der Menschen sowie die Souveränität der griechischen Regierung mit Füßen tritt. Gemäß einer Studie der Troika werden die griechischen Staatsschulden trotz einer Schuldenreduktion, die private Gläubiger akzeptiert hatten, im Jahr 2013 164% des Bruttoinlandprodukts erreichen! Dies muss für eine alternative Lösung in Diskussion gestellt werden. Eine einseitige Ablehnung von Schulden durch ein Schuldnerlandes ist ein sehr starker Ausdruck der Souveränität eines Landes.

Warum muss der verschuldete Staat seine öffentliche Schulden radikal reduzieren, indem er das aufhebt, was als illegitime Schulden angesehen wird? Zunächst sind es Gründe, die mit der sozialen Gerechtigkeit zu tun haben, darüber hinaus sind es aber auch wirtschaftliche Gründe, die jeder verstehen kann und um die jeder kämpfen kann. Um erfolgreich aus einer Krise hervorzugehen, können wir nicht einfach ein wirtschaftliches Stimulierungspaket schaffen, das auf der öffentlichen und privaten Nachfrage basiert. Denn wenn wir mit einem solchen Stimulierungspaket zufrieden wären, kombiniert mit einer Steuerreform, die auf Umverteilung abzielt, würden die zusätzlichen Einnahmen zu einem Großteil von der Zurückzahlung von Staatsschulden verschluckt werden. Die höheren Beiträge, die die reichsten Haushalte und großen Unternehmen leisten müssen, würden vom Einkommen absorbiert werden, die sie von den Staatsanleihen erzielen, da sie ja die mehrheitlichen Eigner und Nutznießer dieser Anleihen sind (was die Weigerung erklärt, die Aufhebung dieser Schulden ins Auge zu fassen). Daher ist es notwendig, einen großen Anteil der Staatsschulden aufzuheben. In welchem Ausmaß dies geschieht, wird davon abhängen, inwieweit die Opfer dieses Schuldensystems sich dessen bewusst sind (die Schuldenanhörung durch die Bürger könnte hier eine entscheidende Rolle spielen), die Art und Weise, wie sich die wirtschaftliche und politische Krise weiter entwickelt und insbesonders von den echten Machtbeziehungen, die sich auf der Strasse, im öffentlichen Raum und den Arbeitsplätzen durch gegenwärtige und zukünftige Mobilisierung ergeben. Für bestimmte Länder wie Griechenland, Portugal, Irland, Spanien und Ungarn ist die Aufhebung der Schulden ein extrem heißes Thema. Für Italien, Frankreich und Belgien beginnt es, eines zu sein und es wird bald ein zentrales Thema der politischen Debatten im restlichen Europa sein.

Für die Länder, die bereits von den Spekulateuren, dem Währungsfonds und anderen Institutionen wie die europäische Kommission, wäre es angemessen, ein einseitiges Moratorium in Bezug auf die Rückzahlung von Staatsschulden auszurufen. Dieser Vorschlag gewinnt an Popularität in den Ländern, die am meisten von der Krise betroffen sind. So ein einseitiges Moratorium muss mit einer Überprüfung der öffentlichen Kreditnahme durch die Bürger einher gehen, wodurch die Öffentlichkeit mit konkreten Beweisen und Argumenten versorgt wird, die nötig sind, den Teil der Schulden, die illegitim sind, zurückzuweisen. Wie der CADTM in zahlreichen Veröffentlichungen gezeigt hat, gibt es durch internationales und nationales Recht eine rechtliche Basis dafür, solche souveräne Schritte unilateral zu setzen.

Das Audit, die Überprüfung, wird auch die verschiedenen Verantwortlichkeiten im Verschuldungsprozess zutage bringen und es ermöglichen, dass die Verantwortlichen sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene zur Rechenschaft gezogen werden. Wie auch immer der jeweilige Fall gelagert sein mag, ist es legitim, dass die privaten Institutionen und reichen Personen, denen diese Staatsanleihen gehören, die Last der Erlassung der illegitimen Staatsschulden tragen, da sie zu einem großen Teil verantwortlich sind für die heutige Krise, von der sie auch profitiert haben. Die Tatsache, dass sie diese Last tragen müssen, ist schlicht und einfach ein geeigneter Schritt in Richtung größere soziale Gerechtigkeit. Dafür ist es auch wichtig, eine Liste von Besitzern von solchen Staatsanleihen zusammen zu stellen, um diejenigen Bürger entschädigen zu können, die solche Anleihen haben, jedoch lediglich über ein niedriges oder mittleres Einkommen verfügen.

Falls die Überprüfung Verfehlungen in Bezug auf illegitime Schulden aufzeigt müssen die Täter dazu verurteilt werden, Reparationen zu zahlen und, falls die Vergehen schwerer Natur sein, auch mit Gefängnis bestraft werden. Behörden, die illegal Kredite aufgenommen haben, müssen vor Gericht gestellt werden.

Bei denjenigen Schulden, die nachweislich nicht illegitim sind, wäre es angemessen, die Kreditgeber dazu zu zwingen, positiv zu agieren, indem sie die Schulden und Zinsen reduzieren und auch den Zeitraum verlängern, in dem die Schulden zurückgezahlt werden können. Auch hier wäre es nützlich, eine „affirmative action“-Politik für diejenigen durchzusetzen, denen nur wenige Anleihen gehören, welche zu den normalen Bedingungen zurückgezahlt werden sollen. Darüber hinaus sollte es eine Obergrenze dafür geben, wie viel der Staat für die Schuldenrückzahlung aufwendet, welche sich danach richtet, wie die wirtschaftliche Gesundheit eines Landes aussieht, seine Rückzahlungsfähigkeit und wie hoch die essentiellen, nicht reduzierbaren soziale Ausgaben sind. Die Maßnahmen sollen sich nach dem richten, was für Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg getan wurde: das Londoner Schuldenabkommen von 1953, das darauf abzielte, die Schulden Deutschlands um 62% zu reduzieren, setzte fest, dass der Zusammenhang zwischen Schuldenrückzahlung und Exporteinkünften nicht mehr als 5% betragen soll. So ein Zusammenhang könnte wie folgt definiert werden: Die Geldmenge, die für die Schuldenrückzahlung reserviert wird soll nicht mehr als 5% der Staatseinnahmen betragen. Um eine Wiederholung der Krise, die 2007-2008 begann, zu verhindern, muss ein rechtlicher Rahmen verabschiedet werden, der die Verstaatlichung privater Schulden verbietet und eine permanente Überprüfung der öffentlichen Schuldenpolitik zwingend vorschreibt – unter Beteiligung von Bürgern – und vorsieht, dass Vergehen, die mit illegitimen Schulden zusammenhängen, nicht verjährt werden können. Zudem sollen illegitime Schulden erlassen werden können und eine goldene Regel entworfen werden, gemäß derer Staatsausgaben, die grundlegende Menschenrechte ermöglichen, nicht angegriffen werden können und Priorität über Ausgaben haben, die zur Schuldenrückzahlung dienen. Es gibt keinen Mangel an alternativen Möglichkeiten.

3. Für eine faire Neuverteilung von Reichtum

Die direkten Steuern für die reichsten Bürger und größten Firmen haben seit 1980 stetig abgenommen. Hunderte Milliarden von Euro an Steuererleichterungen wurden den Reichsten gewährt, die dies dazu nutzten, zu spekulieren und noch mehr Reichtum anzuhäufen.

Eine tief greifende Steuerreform, die soziale Gerechtigkeit anstrebt (indem die Vermögen der Reichsten reduziert werden, um dasjenige der Mehrheit der Bevölkerung zu erhöhen) muss auf europäischer Ebene harmonisiert werden um Steuerdumping zu verhindern. Das Ziel ist, die öffentlichen Einnahmen zu erhöhen, vor allem durch eine progressive Steuer auf die Einkommen der reichsten Individuen (die marginale Einkommenssteuer kann leicht auf 90% gesteigert werden), die Steuer auf Reichtum von einer bestimmten Ebene an, sowie Unternehmenssteuer. Die so erhöhten Einnahmen müssen mit einer rapiden Senkung der Preise der Grundversorgung einhergehen, wie Nahrung, Wasser, Elektrizität, Heizung, öffentlicher Transport und Erziehung – insbesonders durch eine signifikante und gezielte Senkung der Mehrwehrtssteuer. Eine den Umweltschutz begünstigende Steuerpolitik soll umgesetzt werden durch die Schaffung von Steuern für Industrien, die die Umwelt verschmutzen.

Die Länder können ihre Energien bündeln und Steuern auf Finanztransaktionen verabschieden, insbesonders in Bezug auf Fremdwährungen, um die Staatseinnahmen zu steigern, Spekulation zu vermindern und stabile Wechselkurse zu haben.

4. Krieg gegen Steueroasen führen

Steuervermeidung durch Steueroasen ist die Ursache für verlorene Ressourcen, die zur Entwicklung genutzt werden könnten, in Ländern des Nordens und des Südens. Die verschiedenen G20-Treffen haben sich der Konfrontation mit diesem Problem verweigert, trotz verschiedener Absichtserklärungen. Eine einfache Maßnahme wäre allen Personen oder Firmen innerhalb des Territoriums eines Landes Transaktionen mit oder durch Steueroasen durchzuführen, wobei die Strafe in der Höhe der Transaktion sein sollte. Darüber hinaus erleichtern diese schwarzen Löcher der Finanzwelt illegitime Aktivitäten und Wirtschaftkriminalität. Die Industriemächte, die dies jahrelang akzeptiert haben, verfügen alle über die notwendigen Handlungsvoraussetzungen.

Die organisierte Steuervermeidung entzieht der Gemeinschaft beträchtliche Ressourcen und zerstört Jobs. Wichtige öffentliche Ressourcen sollten den Finanzbehörden zugeordnet werden, so dass sie effizient betrügerische Machenschaften durch große Firmen und reiche Familien ausfindig machen und verfolgen können. Die Resultate sollten öffentlich gemacht und die Schuldigen stark bestraft werden.

5. Zügeln der Finanzmärkte

Die Spekulation auf globaler Ebene umfasst ein Mehrfaches des Reichtums dar, der auf unserem Planet produziert wird. Ausgefallene Finanzpakete machen solche Spekulationen unkontrollierbar. Die Komplexität des Systems destabilisiert die reale Wirtschaft und Diskretion und Geheimniskrämerei sind die Regel. Angesichts dessen müssen die Kreditgeber zunächst ausfindig gemacht werden, damit man ihnen Steuern verrechnen kann. Die Diktatur der Märkte muss ein Ende haben. Die Spekulationen von öffentlichen Staatsanleihen, Wechselkursen und Grundgütern muss verboten werden ebenso wie Schnellverkäufe und Credit Default Swaps. Zweite Märkte, die in der Tat schwarze Löcher sind und sich allen Regeln und Überwachung entziehen, müssen geschlossen werden.

Die Ratingagenturen müssen ebenso strikt reformiert und kontrolliert werden und es muss verboten werden, dass sie die Schulden souveräner Staaten bewerten. Denn sie sind weit davon entfernt, eine objektive und wissenschaftliche Überwachungsmethode zu sein, sind strukturell in die neoliberale Globalisierung verwoben und waren mehrfach schon ursächlich in sozialen Katastrophen involviert. Das Herunterstufen eines Landes kann die Zinsen erhöhen, die bezahlt werden müssen, um erfolgreich auf den Finanzmärkten Geld zu borgen – dies führt zu einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Landes. Das „folgt meinem Anführer“-Verhalten der Spekulateure multipliziert diese Schwierigkeiten, welche für die Bevölkerung noch schwerwiegender sind. Die Anbiederung der Ratingagenturen an das Finanz-Establishment macht sie zu wichtigen internationalen Playern. Ihr Anteil an der Entwicklung der Krise wird von den Medien nicht genügend beachtet. Die wirtschaftliche Stabilität der europäischen Länder ist in ihre Hände gelegt worden, ohne Sicherheitsnetze und ohne ernsthafte Kontrolle durch die Behörden. Aus diesem Grund muss ihr Gefahrenpotential entfernt werden.

Um weitere destabilisierende politische Manöver zu verhindern muss eine strenge Kontrolle kapitalistischer Marktbewegungen wiederhergestellt werden.

6. Verlagern der Banken und Versicherungen in eine öffentliche Einrichtung, die von den Bürgern kontrolliert wird.

Durch ihre eigenen Irrtümer fehlt es vielen Banken nicht nur an Bargeld, sie sind sogar insolvent. Die Politik der Zentralbanken, ihnen unbegrenzten Kredit zu gewähren, ohne die Regeln zu ändern, verschärft das Problem.

Wir müssen zu den grundsätzlichen Dingen zurückkehren. Aufgrund ihrer Größe und des potentiell verheerenden Effekts, den ihr schlechtes Management auf die Wirtschaft haben kann, sollten sie öffentliche Dienste sein. Die Dienste, die Banken leisten, sind zu wichtig, als dass sie von privaten Interessen geleitet werden. Banken nutzen öffentliche Gelder, die vom Staat garantiert werden und leisten einen grundlegenden Dienst für die Gesellschaft. Aus diesem Grund sollten sie staatlich werden.

Die Staaten könnte ihre Interventions- und Kontrollmacht über wirtschaftliche und finanzielle Aktivitäten zurück gewinnen. Darüber hinaus brauchen sie Instrumente um Investitionen zu tätigen und öffentliche Ausgaben zu finanzieren, was nur wenige der Ressourcen des Geldmarktes in Anspruch nehmen würde. Um dies zu erreichen, ist es notwendig, die Banken ohne Kompensation zu enteignen und so einen öffentlichen Sektor zu schaffen, der von den Bürgern kontrolliert wird.

In manchen Fällen könnte die Enteignung von Privatbanken teuer sein falls der Staat dazu verpflichtet wird die Schulden und toxischen Produkte zu übernehmen, die diese noch haben. Diese Kosten müssen durch die Enteignung der Vermögen der Großaktionäre gedeckt werden. Die Banken wurden oft von Großaktionären zur Insolvenz getrieben. Diese haben große Anteile und machen großzügige Profite in anderen wirtschaftlichen Sektoren. Ihre Vermögen müssen angezapft werden um, so gut es geht, die Verstaatlichung von Verlusten zu verhindern. Das irische Beispiel ist emblematisch: Die Art und Weise, wie die Allied Irish Bank auf Kosten des irischen Steuerzahlers verstaatlicht wurde, ist inakzeptabel.

Wir unterstützen eine Lösung, die die Eliminierung des kapitalistischen Bankensektors in sich birgt, sowohl im Spar- und Kreditsektor als auch im Handels- und Investmentbereich. So würden nur mehr zwei Arten von Banken übrig bleiben: Öffentliche Banken mit einem öffentlichen Status und kooperative Banken, die nicht allzu groß sind.

Trotzdem über ihren Zustand weniger berichtet wird, ist der Versicherungssektor ebenso zentral für diese Krise. Die großen Versicherungsfirmen haben ähnlich große Dummheiten gemacht wie die Privatbanken, mit denen manche eng verflochten sind. Ein großer Teil ihrer Assets besteht aus Schatzobligationen und Derivativen. Auf der Jagd nach schnellen Profiten haben sie die Prämien, die von Privat- und Rentenvorsorgern sowie Inhabern von Lebensversicherungen geleistet werden, auf gefährliche Weise aufs Spiel gesetzt. Die Enteignung dieser Verträge würde ihren Kollaps verhindern und die Sparer und Eigner von Versicherungen schützen. Diese Enteignung von Versicherungsfirmen muss Hand in Hand gehen mit einer Konsolidierung von allgemeinen, öffentlichen Pensionssystemen.

7. Firmen verstaatlichen, die seit 1980 privatisiert worden sind.

Eine charakteristische Entwicklung in den letzten dreißig Jahren war die Privatisierung von Firmen und öffentlichen Einrichtungen. Von Banken bis zur produzierenden Industrie, von der Post bis zur Telekommunikation bis hin zu Energie und Transport haben die Regierungen vieles verkauft und sich so der Möglichkeit beraubt, diese Sektoren zu regulieren. Diese öffentlichen Güter, die von kollektiver Arbeit hergestellt werden, müssen wieder zu öffentlichen Gütern werden. Neue staatliche/öffentliche Firmen müssen geschaffen werden und öffentliche Dienste müssen den Bedürfnissen der Bevölkerung angepasst werden, beispielsweise müssen die Folgen des Klimawandels durch eine öffentliche Behörde gemildert werden durch die Schaffung einer Behörde, die für die Isolierung und den Schutz von Häusern zuständig ist.

8. Radikale Reduzierung der Arbeitszeit für die Sicherstellung der Vollbeschäftigung und die Durchsetzung einer Politik, die für soziale Gerechtigkeit sorgt.

Das Teilen von Reichtum auf einer anderen Basis ist die bestmögliche Antwort auf die gegenwärtige Krise. Der Anteil am erwirtschafteten Reichtum, der Arbeitern zur Verfügung steht hat in den letzten Jahrzehnten stark abgenommen, während Gläubiger und Aktionäre ihre Profite erhöht haben und das erwirtschaftete Geld dazu nutzten, zu spekulieren. Erhöhte Gehälter haben nicht nur zu anständigen Lebensbedingungen geführt, dadurch wurden auch die Finanzierung von sozialer Sicherheit und Renten angekurbelt.

Durch kürzere Arbeitszeit – ohne Lohnkürzung dafür mit mehr Jobs – können wir die Lebensqualität von Arbeitern erhöhen und Arbeitsplätze für diejenigen schaffen, die sie brauchen. Eine radikale Reduzierung der Arbeitszeit schafft auch eine Möglichkeit den Lebensrhythmus zu verändern, unsere sozialen Beziehungen zu verbessern und einen konsumorientierten Lebensstil hinter uns zu lassen. Mehr Freizeit bedeutet auch eine Möglichkeit für alle am politischen Leben teilzunehmen, Solidarität zu stärken, freiwillige Arbeit zu leisten und an kulturellen Aktivitäten teilzunehmen.

Auch das Mindest- und Durchschnittseinkommen sowie die Sozialleistungen müssen deutlich erhöht werden. Einerseits sollte das Einkommen der Firmenleiter strikt begrenzt werden, egal ob die Firma privat ist oder staatlich. Boni, Aktienoptionen, Rentenpakete oder andere Vergünstigungen sollen gestrichen werden. Wir müssen über ein maximales Einkommen entscheiden. Wir raten zu einer maximalen Einkommensdiskrepanz von 1 zu 4 (wie Plato schon vor 2400 Jahren empfohlen hat), wobei alle Einkommensquellen zusammen versteuert werden.

9. Kreditaufnahme durch den Staat zur Verbesserung von Lebensbedingungen, allgemeinen Gütern und ein Bruch mit der Logik der Umweltzerstörung.

Ein Staat muss in der Lage sein, Geld zu borgen, um so den Lebensstandard zu erhöhen, beispielsweise durch gemeinschaftliche Arbeit und Investition in erneuerbare Energien. Ein Teil davon kann durch das aktuelle Budget verwirklicht werden durch klare politische Entscheidungen, aber Kredite können einen integrativeren Ansatz ermöglichen, indem man zum Beispiel wegkommt von einer Form der Mobilität, die auf individuelle Autos ausgerichtet ist und eine weitreichendere Entwicklung des öffentlichen Verkehrs fördert, Kernkraftwerke schließt und sie alle mit erneuerbarer Energie ersetzt, Eisenbahnen wieder eröffnet oder neu baut im ganzen Land, angefangen mit den Städten und Vorstädten und Niedrigenergiehäuser sowohl im öffentlichen als auch privaten Sektor baut.

Wir müssen dringend eine transparente Art und Weise der Kreditnahme definieren. Unser Vorschlag ist wie folgt: 1. Der Ziel des Kredits muss sein, den Lebensstandard zu erhöhen und die gegenwärtige Logik der Umweltzerstörung zu durchbrechen; 2. Der Kredit muss Teil einer Umverteilungspolitik sein, die die Ungleichheit reduziert. Darum schlagen wir vor, dass Finanzinstitutionen, private Firmen und reiche Haushalte dazu rechtlich verpflichtet werden, Staatsanleihen mit 0% Zins zu kaufen ohne Indexanpassung für einen Betrag, der dem entspricht, was sie besitzen, während andere Bürger freiwillig Staatsanleihen kaufen können und dabei einen positiven Ertrag erzielen, der höher als die Inflationsrate ist. Wenn die jährliche Inflation auf 3% steigt, wäre der Zinssatz der von der Regierung gezahlt werden würde 6%. Eine solche Maßnahme der positiven Diskriminierung (vergleichbar derjenigen, die der Bekämpfung der Rassenungleichheit in den USA und dem Kastensystem in Indien bzw. Benachteiligung von Frauen dient) wird zu größerer Steuergerechtigkeit beitragen und den Reichtum besser verteilen.

10. Über den Euro diskutieren.

Die gegenwärtige Debatte, ob Länder wie Griechenland den Euro verlassen sollen, ist definitiv notwendig. Der Euro ist klarerweise eine Zwangsjacke für Griechenland, Portugal und Spanien. Der Grund, warum dieses Thema im vorliegenden Programm nicht so ausführlich vorkommt, ist, dass verschiedene soziale Bewegungen und linke Parteien unterschiedliche Ansichten dazu haben. Unser Hauptanliegen ist es, Menschen zusammen zu bringen, was den entscheidenden Themenkomplex der Schulden anbelangt und im Moment das links liegen zu lassen, was uns entzweit.

11. Eine andere EU, die auf Solidarität beruht.

Einige Vorgaben in den Abkommen, die die EU, die Euro-Zone und die Europäische Zentralbank (EZB) regeln, müssen geändert werden. So müssen wir die Artikel 63 und 125 des Lissabon-Abkommens eliminieren, die jedwede Begrenzung der Verschiebung von Kapital verbieten sowie die Hilfe für Mitgliedsstaaten, die in Schwierigkeit sind. Wir müssen auch aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt herauskommen. Der europäische Stabilitätsmechanismus muss ebenso aufgehoben werden. Darüber hinaus müssen die gegenwärtigen Abkommen mit neuen ersetzt werden, im Kontext eines genuin demokratischen Aufbauprozesses, um so einen Solidaritätspakt zu schaffen, der sowohl Jobs und Umwelt im Auge behält.

Wir brauchen eine vollkommen neue monetäre Politik sowie einen neuen Status und Funktionsweise der EZB. Die Unfähigkeit der politischen Kräfte sie dazu zu bringen, Geld zu drucken, ist ein großer Nachteil. Als sie die EZB über die Regierungen und damit über die Bevölkerungen gestellt hat, hat die EU eine disaströse Entscheidung getroffen; damit hat man sich dafür entschieden, Menschenleben finanziellen Überlegungen unterzuordnen anstatt umgekehrt.

Als viele soziale Bewegungen ihre rigiden und inadäquaten Statuten kritisierten, musste die EZB ihre angestammte Rolle auf dem Höhepunkt der Finanzkrise ändern. Leider stimmte sie dazu aus den falschen Gründen zu, nicht um dafür zu sorgen, dass auf die Interessen der Menschen geachtet wird, sondern um die Kreditgeber zu decken. Dies ist Beweis genug, dass wir einen „new deal“ brauchen: Die EZB und die einzelnen Zentralbanken der verschiedenen Länder müssen direkt Mitgliedsstaaten finanzieren können, die die Erreichung von sozialen und Umweltstandards anstreben, welche die Grundbedürfnisse der Menschen befriedigen.

Heutzutage werden wirtschaftliche Unterfangen wie der Bau eines Spitals oder eine rein spekulatives Projekt auf ähnliche Weise finanziert. Die Regierung sollte unterschiedliche Quoten anwenden: niedrige für soziale und umweltverträgliche Investitionen und sehr hohe oder sogar verhindernd hohe Quoten für spekulative Operationen, die eigentlich in manchen Gebieten verboten werden sollten.

Ein Europa, das auf Solidarität und Kooperation aufgebaut ist, sollte uns erlauben, mit dem in letzter Zeit entwürdigenden Wettbewerbsmodell zu brechen. Die neoliberale Logik hat uns die derzeitige Krise eingebracht und so ihr Scheitern gezeigt. Es hat soziale Faktoren nach unten gebracht: weniger sozialer Schutz, weniger Beschäftigung, weniger öffentliche Dienste. Die handvoll Menschen, die von der Krise profitiert haben, taten dies unter Missachtung der Rechte der Mehrheit. Die Schuldigen sind auf der Siegerseite, die Opfer müssen zahlen! Diese Logik, die allen EU-Gründungsdokumenten zugrunde liegt, muss durchbrochen werden. Ein anderes Europa, das auf der Kooperation zwischen Mitgliedsstaaten und der Solidarität unter den Menschen basiert, muss koordiniert und nicht vereinheitlicht werden, so dass ein Aufwärtstrend erzielt werden kann (die europäischen Ökonomien sind zu unterschiedlich als dass sie in einen Rahmen gepresst werden können). Es müssen globale EU-weite Maßnahmen durchgeführt werden, wie massive öffentliche Investitionen zur Schaffung von öffentlichen Arbeitsplätzen in Schlüsselbereichen wie unterstützende Dienste, erneuerbare Energie, Bekämpfung des Klimawandels oder grundlegende soziale Bereiche. Eine andere Politik wird einen Prozess brauchen, der von den Leuten koordiniert wird, um so eine Verfassung zu entwerfen, mit der man ein anderes Europa errichten kann.

Dieses andere demokratische Europa muss danach streben solch nicht-verhandelbare Prinzipien wie Steuer- und soziale Gerechtigkeit durchzusetzen, sowie verbesserte Lebensumstände, Entwaffnung und radikale Verringerung der Militärausgaben, nachhaltige Entscheidungen was die Energie anbelangt – ohne die Nutzung von Kernkraft, einen Bann von gen-manipulierten Pflanzen. Man muss auch der Politik ein Ende bereiten, die Europa als von Immigranten belagerte Festung ansieht und ein Partner im fairen Handel mit dem Süden werden. Der erste Schritt in diese Richtung muss das bedingungslose Streichen der Schulden der Dritten Welt sein. Die Aufhebung der Schulden ist ein gemeinsamer Nenner in all den Kämpfen, die wir führen müssen, sowohl im Norden als auch im Süden.

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