von Andrej Hunko
Zur Wertung der Politik der ukrainischen linken Organisation Borotba gibt es unterschiedliche Einschätzungen in der Linken. Darum bringen wir hier einen Beitrag von Andrej Hunko von Anfang Juli, der eine andere Sichtweise darstellt als diejenige von Angela Klein in der SoZ vom September (http://www.sozonline.de/wp-admin/post.php?post=12233&action=edit).Seit einigen Wochen gibt es in Deutschland eine Kampagne gegen die linke ukrainische Organisation „Borotba“ (Der Kampf), in der unterstellt wird, diese kooperiere mit russischen Neo-Nazis, ja sogar, dass es eine Kooperation der LINKEN mit russischen Neonazis gäbe. Das ist falsch. Die Absicht ist offenbar, eine kritische Position zur Ukraine in die Nähe des russischen Nationalismus zu rücken. Weder gibt es irgendeine Kooperation der LINKEN mit russischen Neo-Nazis oder sonstigen Rechten, noch habe ich irgendwelche Hinweise, dass es diese von Seiten Borotba gibt. Im Gegenteil kooperiert Borotba mit der russischen Linksfront und hat diese gegen Repression unterstützt.1
Hauptvorwurf ist gegenwärtig, Sergei Kirichuk, Koordinator von Borotba, hätte eine Veranstaltung in Berlin mit zwei russischen Neonazis organisiert. Richtig ist, dass eine Veranstaltung mit den beiden russischen Autoren des Buchs „Neonazis & Euromaidan“, Stanislav Byshok und Alexey Kochetkov, unter anderem mit Unterstützung von Sergei Kirichuk geplant war, die auch vom VVN Berlin und anderen beworben wurde. Nachdem Vorwürfe aufgekommen waren, die Autoren hätten Verbindungen zur russischen Rechten, wurde die Veranstaltung kurzfristig von den Veranstaltern und Sergei Kirichuk abgesagt.
Sergei schrieb im Vorfeld der Veranstaltung: “Please be advised that the presentation of ‘Neonazis & Euromaidan’ is canceled because of serious accusations against the authors of this book (Byshok and Kochetkov). We need to arrange a transparent and open investigation of those accusations before we can say anything in detail.” Mir gegenüber erklärte er, er habe die Autoren nicht näher gekannt und sie für „bürgerliche Journalisten“ gehalten. Aus dem Vorgang wird nun eine Kooperation zwischen Borotba und russischen Neonazis konstruiert, die ich für abwegig halte.
Ukrainische Linke
Die (schwache) ukrainische Linke jenseits der Kommunistischen Partei ist gegenwärtig im Verhältnis zu den Maidan-Protesten und der folgenden Entwicklung in der Ukraine gespalten. Während ein Teil der Linken, insbesondere die „Linke Opposition“, sich positiv auf den Umsturz bezieht und versucht im Rahmen der nachfolgenden Entwicklungen soziale Positionen zu formulieren, bezieht insbesondere „Borotba“ eine grundlegend ablehnende Position zum Maidan. Ebenso wie ein Teil der Linken versucht hatte, auf dem Maidan linke Forderungen aufzustellen, war ein anderer Teil bei den Anti-Maidan-Protesten, insbesondere in Charkov und Odessa, mit linken Positionen vertreten.
Meine Kontakte zur ukrainischen Linken stammen aus dem September 2012. Damals hatte ich in Kiev auf Einladung der Linken Opposition zur Eurokrise gesprochen. Anwesend waren verschiedene Gruppen der ukrainischen Linken, darunter Borotba, die Sozialistische Partei, Anarchisten und RLS-Kooperationspartner. In der Folgezeit habe ich insbesondere zur Linken Opposition und zu Borotba Kontakte gehalten. Ein kleiner Erfolg dieser Kontakte war die Verhinderung der Verleihung eines Preises für Online-Aktivismus der Deutschen Welle an
http://en.interfax.com.ua/news/press-conference/117478.html
einen ukrainischen Neo-Nazi-Blogs im Mai 2013, auf die mich sowohl Borotba als auch Linke Opposition aufmerksam gemacht hatten.2
Während und nach den Maidan-Protesten habe ich weiter Kontakt zu den verschiedenen Fraktionen der ukrainischen Linken gehalten und mein Bild der Lage aus unterschiedlichsten Quellen zusammengesetzt. Die Einschätzung der Rosa-Luxemburg-Stiftung vom April 2013 zur „neuen ukrainischen Linken“3 entspricht weitestgehend meinen Beobachtungen.
Solidarität
Die Maidan-Proteste, der Umsturz vom 21. Februar, die Übergangsregierung unter Beteiligung von Faschisten und die nachfolgenden Gegenproteste im Südosten haben die Spaltungen in der ukrainischen Linken weiter vertieft. Im Rahmen des Massakers am 2. Mai in Odessa wurde das Borotba-Mitglied Andrej Brajevsky vom rechten Mob totgeschlagen, nachdem er aus dem brennenden Gewerkschaftshaus springen musste.
Angesichts dieser Ereignisse und der Repression halte ich die Solidarität mit linken, antifaschistischen und demokratischen Organisationen für notwendig, wie es auch der Parteitag der LINKEN im Mai in Berlin beschlossen hat. Das gilt für Borotba ebenso wie für andere Gruppierungen und auch die Kommunistische Partei der Ukraine, die von einem Verbot bedroht ist. Das bedeutet nicht, dass man alle politischen Einschätzungen teilen muss. Auf einer großen Veranstaltung in Aachen haben wir sowohl Vertreter/innen der Pro-Maidan-Linken, als auch der Anti-Maidan-Linken eingeladen, um ihre Positionen deutlich zu machen.
Gegenwärtig ist vor allem Borotba von Repression betroffen. Die gesamte Führung ist im Exil, sämtliche Büros sind zerstört worden, es gab Versuche, ihre Mitglieder auf offener Straße zu entführen. Ich halte es für ein absolutes Minimalgebot an internationaler Solidarität, ihnen die Möglichkeit zur Artikulation zu geben. Deshalb unterstütze ich die Veranstaltungen mit Sergei Kirichuk, der sich zurzeit in Deutschland aufhält.
Gleichwohl habe ich ihn mit den Vorwürfen der Kampagne konfrontiert (Interview im Anhang auf Englisch). Ich habe für mich das Fazit gezogen, dass die Vorwürfe konstruiert und wenig stichhaltig sind. Es handelt sich offenbar um eine Kampagne, die eine der wenigen kritischen Stimmen zur Ukraine zum Schweigen bringen soll und mit höchst unseriösen Mitteln arbeitet. Daran sollten sich Linke nicht beteiligen.
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