von Horst Hilse
Die Parteilose Henriette Reker hat die OB-Wahl in Köln gewonnen. Ihren Sieg erlebte sie im Krankenhaus. Sie war am Samstag angegriffen worden - von einem offenbar fremdenfeindlich motivierten Attentäter.Drama vor der Oberbürgermeisterwahl in Köln: Die parteilose Kandidatin Reker wird Opfer einer Messerattacke und schwer verletzt. Als Motiv soll der Täter die Flüchtlingspolitik genannt haben. Die Rettungskräfte versorgen die Verletzten nach der Messerattacke.
Vor dem Wahllokal im Kölner Stadtteil Lindenthal stellt ein Mann kopfschüttelnd sein Fahrrad ab. "Nee, nee", sagt er, "erst mussten sie die OB-Wahl verschieben, und dann gibt es eine Messerattacke. Ich weiß nicht, was hier los ist." Der blutige Angriff auf die Kölner Oberbürgermeister-Kandidatin Henriette Reker war am gestrigen Wahl-Sonntag das wichtigste Gesprächsthema in den Wahllokalen. Der Schock über den Mordversuch sitzt tief.
Während die Kölner noch spekulierten, wie sich der Angriff wohl auf die OB-Wahl auswirken würde, erreichte sie die Nachricht, dass das Attentat offenbar nicht das Werk eines geistig Verwirrten war. Es gebe "keine Anhaltspunkte für den Ausschluss der Schuldfähigkeit des Angreifers", teilten die Ermittler nach der psychologischen Untersuchung des mutmaßlichen Täters Frank S. mit, der Ausländerhass als Motiv für die Tat genannt hat. Gegen S. wurde ein Haftbefehl erlassen. Dem Mann wird versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung in vier Fällen vorgeworfen. Was, so fragten sich nun viele, ist das für ein Mann? Was wollte er mit der Tat erreichen?
Noch ist es zu früh für eine abschließende Beurteilung, doch viele Zeichen deuten auf einen politischen Hintergrund hin.
Offenbar hatte der Täter früher Kontakte zum organisierten Rechtsextremismus. Frank S. ist Deutscher und lebt seit mehr als 15 Jahren in Köln, er wohnte im Stadtteil Nippes. Nach eigenen Angaben ist er seit Jahren arbeitslos und bezieht Hartz-IV. Laut "Kölner Stadt-Anzeiger" wohnte er allein und hatte kaum Kontakt zu anderen Hausbewohnern. Nachbarn beschrieben den früheren Maler und Lackierer als "unauffälligen Zeitgenossen", wie Kriminaldirektor Norbert Wagner berichtete. Für die Polizei war S. ein unbeschriebenes Blatt. Doch im Verhör gab der 44-Jährige laut Wagner unumwunden zu, Reker "gezielt und bewusst" angegriffen zu haben - "aus fremdenfeindlichen Motiven".
Nach Medienberichten und Recherchen von Antifa-Gruppen war S. in den 90er Jahren in der später verbotenen rechtsextremen Freiheitlichen Deutschen Arbeitspartei (FAP) aktiv. 1993 und 1994 habe der 44-Jährige an Rudolf-Heß-Gedenkmärschen in Fulda und Luxemburg teilgenommen, berichteten die "Antifa Bonn" und "Spiegel Online".
Die FAP galt als besonders gewaltbereite Neonazi-Gruppierung. Die Partei habe in Bonn "eine starke Kameradschaft" gehabt, die nach eigenen Angaben 200 Personen organisiert habe, berichtet die "Antifa Bonn" und schlussfolgert: "Frank S. war ein organisierter Nazi in einer rechtsterroristischen Organisation, die in den 90ern offen dazu aufrief, Flüchtlingsheime anzuzünden."
Ermittler bestätigen gestern nur, der Mann habe ohne nähere Einzelheiten angegeben, "sich in der Vergangenheit aktiv in der rechten Szene aufgehalten zu haben". Dies reiche in die 90er Jahre zurück. "In welcher Funktion und Intensität dies geschah, ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen", hieß es. Dass der 44-Jährige Mittäter hatte, glauben Polizei und Staatsanwaltschaft nach den ersten Ermittlungsergebnissen nicht. Der Attentäter habe "offenbar alleine gehandelt", sagte Ermittlungsleiter Wagner.
Unklar ist auch, ob die Tat lange geplant war. Bedrohungen der Kandidaten im zurückliegenden Wahlkampf gab es nach Erkenntnissen der Behörden nicht, sagte Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers. "Es waren keine Drohungen gegen Frau Reker bekannt." Doch die 58-Jährige war ein typisches Ziel für Rechtsradikale. Reker war als Sozialdezernentin in den vergangenen Monaten auch für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig, sie sprach sich wiederholt für die Integration von Asylbewerbern aus.
Der Sozialpsychologe Andreas Zick, Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Uni Bielefeld, sieht Parallelen zwischen Frank S. und dem norwegischen Massenmörder Anders Breivik. Dem "Kölner Stadt-Anzeiger" zagte Zick, der Attentäter sei "ähnlich wie Breivik in Norwegen der Typus des Einzeltäters, den wir eher aus dem islamistischen Terror kennen". Für Zick ist die Tat "eine ideologische Botschaft, im Amokstil in aller Öffentlichkeit ausgeführt". Geschlecht und prekäre soziale Lage passten ins Bild. Typisch sei auch die lange Einbindung in eine rechtsextreme Gruppe.
Letztlich ausschlaggebend sei das gesellschaftliche und politische Umfeld. "Wir haben vor Monaten gewarnt, dass der Rechtspopulismus auf eine gewaltorientierte Durchsetzung der eigenen Propaganda drängt", sagte Zick. "Wir haben 179 Todesopfer rechtsextremer Gewalt und eine Rechtsterrorgeschichte mit dem NSU. Wir haben allein dieses Jahr über 500 vorurteilsbasierte Hasstaten. Das ist der Bezugsrahmen, auf den sich der Täter beruft."
Der Mann kommt ursprünglich aus dem Stadtteil Bonn-Beul, woher auch die Kögida-Frontfrau und ehemalige Fallschirmspringerin Melanie Ditmer stammt, die sich offen als "überzeugte Faschistin" bezeichnet. Sie dürften sich persönlich gekannt haben.
Verbotene Organisation
Partei Der Messerstecher ist als Rechtsradikaler bekannt. Laut unbestätigten Medienberichten soll er in den 1990er Jahren bei der Freiheitlichen Deutschen Arbeitspartei (FAP) mitgemacht haben. Die wurde 1979 von Martin Pape gegründet, einem ehemaligen Führer der Hitlerjugend. Anfangs war die FAP im Raum Stuttgart aktiv, hatte aber nur wenig Zulauf. Doch nach dem Verbot zweier rechter Organisationen (ANS/NA und VSBD/PdA) Mitte der 80er Jahre schlossen sich viele Neonazis der FAP an und machten sie zum größten Zusammenschluss von Neonazis im wiedervereinigten Deutschland. Die meisten Mitglieder stammten aus den neuen Bundesländern.
Bei Wahlen hatte die FAP nie Erfolg. 1995 sprach das Bundesverfassungsgericht ihr den Parteienstatus ab, kurz darauf verbot sie das Bundesinnenministerium nach dem Vereinsrecht. Viele Anführer wechselten zur NPD. dpa
Hinzuzufügen ist: ätte die Antifa sich nicht seit Jahren darum bemüht, Infos über die "Rechten Kameraden" zusammenzutragen, so wären die ermittelnden Behörden mit ihrer ersten Version "Es liegen keine Erkenntnisse vor" durchgekommen. Erst als die Zusatzinformationen durch Antifas gepostet wurden, mussten auch die Ermittler nachlegen.
Besonders pikant: Einer der Organisatoren des Hess - Marsches war ein verdeckter V-Mann, wie man seit dem NSU-Prozess weiß. Er hatte sicherlich die Namen der angemeldeten Teilnehmer/innen an seine Behörde weitergeleitet. Weshalb man dann "keine Erkenntnisse" über den Attentäter hatte, bleibt unerfindlich, wo doch angeblich die Datenbanken des VV allen Ermittlerteams bei schweren Gewalttaten zur Verfügung stehen..??
Im Grunde ist das ein Behördenskandal. Man bräuchte nur Belege...
Weiter zum Reker-Attentat.. Es wird immer klarer:
Der Attentäter war seit 15 Jahren in Köln- vorher in Bonn-Beul. Er benutzte ein Militär – Messer.
In Bonn-Beul hatte die FAP Kameradschaft eine ihrer größten Gruppen.
Der Attentäter Stefan gehörte dazu und nahm nachweislich auch mehrmals an Gedenkmärschen für den Kriegsverbrecher Hess teil..
FAP wurde verboten - die meisten gingen dann zur NPD.
Aus demselben Stadtteil kommt auch Melanie Ditmer (ehemalige Fallschirmspringerin und bekennende Faschistin; Anmelderin der Kögida-Demos in Köln).
Sie dürften sich gekannt haben.
Melanie D. hat letzte Woche ein Video gepostet, das zeigt, wie man Messerangriffe militärisch vorträgt (sie ist ja darin ausgebildet worden) :
HOGESA -Messertraining
Hinzufügen muss man noch, dass in einem dieser Videos, in dem der Messerkampf trainiert wird, ausdrücklich dazu aufgerufen wird am 25.10. zur HOGESA Demo nach Köln zu kommen.
http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/
All das kann man in wenigen Stunden im Netz recherchieren, die Ermittlungsbehörden gaben aber ein erstes Statement ab, es lägen "keine Erkenntnisse" zum Täter vor. Erst nachdem die Bonner Antifa die Daten veröffentlichte, bequemte man sich auch von der Seite zu einer zweiten Presseerklärung.
Dabei hatten die Behörden in der FAP einen eigenen V-Mann sitzen, der für die Rudolf Hess-Gedenkmärsche verantwortlich war, wie man seit dem NSU-Prozess weiß.
Der soll die Teilnehmernamen nicht an die Behörde weitergeleitet haben?
Es wird dringend nötig eine kontinuierliche Informationsarbeit aufzubauen, da wir mit "sowas" künftig öfter rechnen müssen und uns auf die staatlichen Ermittlungen nicht verlassen können....
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