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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 10/2015
Zur Abschottung Ungarns
Quelle: Pester Lloyd, 02.09.2015

Am 15.September trat ein Paket von 13 Gesetzen in Kraft, mit deren Hilfe Flüchtlinge aus Ungarn ferngehalten werden sollen. Im einzelnen ist vorgesehen:

– Die Einreise nach Ungarn wird nur an Grenzübergangs- bzw. speziellen Registrierungsstellen legal möglich sein, die alle rund 30 Kilometer entlang der serbischen Grenze eingerichtet werden. Wer dort einen Asylantrag bzw. die sog. Erstregistrierung verweigert, wird umgehend und «mit allen erforderlichen Mitteln» abgewiesen.
– Wer den Antrag stellt, bleibt für die Dauer des auf maximal 4–10 Tage zu verkürzenden Kontroll- bzw. Asylverfahrens, bei dem es kaum einen Zugang zu Rechtsmitteln noch eine aktive Rechtsberatung gibt, in einem rund 60 Meter breiten Streifen unmittelbar an der Grenze interniert und wird dort notversorgt.
– Wer anderswo die Grenze übertritt, den 60-Meter-Korridor eigenmächtig verlässt oder die Grenzbefestigungen beschädigt, wird als «illegaler Eindringling» zum Straftäter, das Strafmaß wurde auf 1–4 Jahre angehoben. Das gilt übrigens auch für den Übertritt über die ungesicherten Grenzen von Kroatien und Rumänien. Wer Auskünfte zu anderen «Illegalen» oder Schleppern verweigert, wird ebenfalls als Straftäter geführt. Das Begehen einer Straftat hat zudem die automatische Ablehnung des Asylantrags zur Folge, ergo: Abschiebung. Kritiker sehen hierin ein Vehikel, das zur Willkür und pauschalen Ablehnung geradezu einlädt.
– Abgelehnte Asylbewerber und all jene «ohne jede Aussicht oder das Recht auf einen Aufenthalt» sollen umgehend an der Grenze abgewiesen oder abgeschoben werden. Das betrifft alle Flüchtlinge, die aus sicheren «Transit- oder Herkunfsländern» kommen, definiert nach FIDESZ-Dekret. Das sind alle Länder des Balkans, somit praktisch alle Flüchtlinge. Was der zwangsläufig daraus folgende Rückstau für diese Länder bedeutet, kann man sich ausmalen.
– Die geplanten Abschiebungen auf ungarischem Territorium gefasster «Illegaler» müssten normalerweise in einer geregelten Übernahmeprozedur mit dem Nachbar- bzw. Aufnahmeland behördlich und verfahrenstechnisch abgewickelt werden. Es ist daher völlig unklar, was die Regierung mit «unmittelbarer Abschiebung» meint, wenn nicht die «Deportation».
– Personen, die «illegalen Eindringlingen» Unterschlupf oder «Fluchthilfe» gewähren, werden als Schlepper identifiziert, es droht eine Haftstrafe bis zu vier Jahren. Kritiker werfen der Regierung hier eine besonders schwammige Formulierung vor, sogar das Darreichen einer Flasche Mineralwasser oder der gestattete Gang zum privaten WC könnte als Fluchthilfe interpretiert werden. Dabei erhält die Polizei u.a. auch die Vollmacht, bei «Verdachtsmomenten» ohne jeden Durchsuchungsbefehl Häuser und Privatgelände zu stürmen und zu durchsuchen.
– Verteiler von Spenden werden als «Erbringer kommerzieller Dienstleistungen» behandelt und müssen gewerblich angemeldet sein.
– Die Gesetze treten mit der Ausrufung eines «Einwanderungsnotstands» in Kraft, eine staatliche Alarmkategorie, die erst geschaffen wurde; sie beinhaltet auch den besonders umstrittenen Einsatz von Militär gegen zivile Flüchtlinge. Die Verfassungsmäßigkeit dieser und anderer Regelungen ist umstritten.

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