Ohne Moos…
von Rolf Euler
…nichts los! Das denken sich jetzt clevere Geschäftsleute angesichts von Klimaänderung und Schadstoffausstoß in den Städten. Da wurde dann eine Mooswand schnell zum «City-Tree» deklariert und für die «Grüne Hauptstadt Europas» vor und in den Hauptbahnhof in Essen platziert. Weitere Städte haben auch schon Mooswände aufgestellt, andere überlegen das noch.
Das ganze wird nun als «Klimawunder» verkauft, zum Preis von 25000–30000 Euro.
Auf vier mal drei Metern wachsen an der senkrechten Wand verschiedene Moose, bewässert über eine solargetriebene Pumpe aus einem Tank darunter. Der Hersteller ist die Firma «Green City Solutions» aus Sachsen. Sie preist die Effektivität der Mooswände: diese würden soviel Kohlendioxid, Stickoxid und Feinstaub binden wie 275 Straßenbäume. Einen Nachweis für diese Werte gibt es bisher nicht, aber Auszeichnungen für die clevere Firma soll es schon geben.
Nun kann sich jeder einmal an eine Allee mit Straßenbäumen stellen und schauen, wie weit er laufen muss, bis er auf 275 Bäume kommt. Bei einem Abstand von rund 10 Metern sind das 2750 Meter, und das bei einer Baumbreite von ebenfalls rund 10 Metern. Dann schaue man mal in die Kronen von Linden, Eichen oder Platanen, die solche Alleen bilden, und lasse im Geist drei mal vier Meter Moosbewuchs daneben stellen. Vielleicht erhält man dann einen Eindruck, wieviel Biomasse hier verglichen wird. Oder wieviel Verschattung durch fast nichts ersetzt werden soll. Nichts gegen die Effektivität von Moosen bei der Luftreinhaltung. Aber diese Wand, die an einer vielleicht auch belebten Kreuzung steht, mit fast drei Kilometern Baumreihe zu vergleichen, kommt mir «spanisch» bzw. als eine Geschäftsidee vor, die einen für dumm verkaufen will.
Aber für die Stadtverwaltungen gibt es ja «Vorteile»: kein Laubfall, keine Baumpflegemaßnahmen, keine Sturmschäden? Wie viele Straßenbäume wurden schon aus Verkehrsgründen vernichtet, um Straßen und Plätzen, Autos und sonstigem Verkehr Platz zu machen, und wie viele Bäume könnte man für 30000 Euro neu pflanzen?
«Ein spannender Aspekt in Sachen Klimaschutz» ist die Mooswand für einige Stadtverwaltungen im Ruhrgebiet. Ach, was ist es schön grün hier, sagen ja Touristen sowieso schon immer. Da kann man ihnen dann ein Stück Mooswand für einige Kilometer Straßenbäume als Ersatz verkaufen.
Oder in die Einkaufszentren stellen, ins Untergeschoss, wie im Recklinghäuser «Palais», wo die Autos auf dem Dach parken…
Mein Gegenvorschlag: Für 29900 Euro Bäume pflanzen und darunter für die restlichen 100 Euro jeweils einen Moosteppich anlegen, dann braucht man keine Pumpe und keinen Wassertank, und das Moos wächst im Schatten der Bäume ziemlich von allein. Nachteil: Das kann man in einem Einkaufszentrum tatsächlich nicht machen. Und es werden womöglich an den Straßen einige Parkplätze entfallen. Das geht dann natürlich überhaupt nicht…
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