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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 06/2022

Die Verhandlungen mit den Unikliniken in NRW haben begonnen
von Violetta Bock

An den sechs Unikliniken in NRW streiken die Beschäftigten, von der Küche bis zur Pflege, seit Anfang Mai unbefristet. Der Arbeitgeberverband hatte Verhandlungen abgelehnt, deshalb verhandeln die sechs Unikliniken nun direkt mit der Tarifkommission, die von einem 200köpfigen Delegiertenrat begleitet wird.

Die schlimme Situation in den Krankenhäusern ist seit Jahren bekannt. Personal wird dringend gebraucht, aber fast ein Drittel der Auszubildenden bricht die Ausbildung ab, weil sie unter den derzeitigen Umständen nicht weiter arbeiten wollen. Im NRW-Wahlkampf war das Thema besonders präsent, nicht nur durch die Volksinitiative «Gesunde Krankenhäuser in NRW – für alle», sondern vor allem durch den Streik an den sechs Unikliniken.
Die dortigen Beschäftigten übergaben bereits im März 12000 Unterschriften an die Landesregierung mit einem Ultimatum. Ihr Ziel ist eine verbindliche Personalbemessung für alle Stationen und Berufsgruppen. Als daraufhin abgesehen von Versprechungen nichts passierte, traten sie nach einem Votum von 98 Prozent in den unbefristeten Streik. An fast allen Kliniken wurden Notdienstvereinbarungen abgeschlossen, um eine Mindestversorgung der Patient:innen zu garantieren. Notfälle werden also weiterhin behandelt, aber nicht mehr die kleineren Fälle.
Insgesamt streiken etwa 2000 Beschäftigte, 70 Prozent der OP-Kapazitäten wurden stillgelegt. In Aachen hat die Klinikleitung solch eine Notfallvereinbarung am längsten verweigert, sie wertete Streiktage als Fehltage und übte Druck auf Auszubildende aus.
Es gibt zahlreiche Solidaritätserklärungen, von den Feuerwehrleuten NRW, Klima-Bahn statt Beton-Bahn, zuletzt von über 600 Ärzt:innen organisiert durch den VdÄÄ. Um Öffentlichkeit auf die Streiks zu lenken, hat eine Beschäftigte aus Köln kurzerhand die Carolin-Kebekus-Show der ARD angeschrieben und wurde prompt eingeladen zu einem Brennpunkt Pflege.

Gut aufgestellt
Die Streiks zeigen Wirkung. Der Arbeitgeberverband des Landes NRW hatte Verhandlungen über einen Entlastungstarifvertrag abgelehnt. Infolgedessen fasste die Landesregierung Anfang Mai einen Kabinettsbeschluss, mit dem den Unikliniken der Austritt und direkte Verhandlungen ermöglicht wurden. Der Tarifvertrag des Landes gilt als Anerkennungstarifvertrag für alle Beschäftigten weiter. Die Klinikleitungen formierten sich dadurch als eigener Interessenverband.
Nach Gesprächen zum Verfahren fand das erste Verhandlungsgespräch am 20.Mai statt. Für den 25. und 26.Mai waren weitere Gespräche vereinbart.
Während sich die Arbeitgeberseite also erst finden muss, sind die Beschäftigten mit Ver.di gut organisiert. Sie haben die vergangenen Wochen und Monate genutzt, um Strukturen aufzubauen. So gibt es Teamdelegierte pro Station und Berufsgruppe, mit denen die je notwendigen Anforderungen an eine ausreichende Personalbemessung diskutiert wurden. Pro Standort sind es gut 200 Teamdelegierte. Die Tarifkommission besteht aus 75 Beschäftigten der Unikliniken. Ganz offene Verhandlungen, wie im Modell McAleveys gibt es noch nicht.
Um eine Rückkopplung sicherzustellen und auf die Expertise aus den verschiedenen Bereichen zugreifen zu können, wurde aus allen Teamdelegierten ein Delegiertenrat von insgesamt 200 Personen gewählt. So sollen Angebote und verhandlungsentscheidende Fragen zwischen Tarifkommission und Delegiertenrat abgeklärt werden.
Es ist das erste Mal, dass ein Entlastungstarif für mehrere Kliniken verhandelt werden soll. Der Ausstieg aus dem Flächentarifvertrag TdL ist auf der anderen Seite also der Einstieg in den Flächentarif Entlastung.

Helios
Unterdessen machen sich weitere Häuser auf den Weg Richtung Entlastung. Am 12.Mai, dem Tag der Pflege, wurden Petitionen am Uniklinikum Dresden und Frankfurt an die dortigen Vorstände übergeben. Der Fokus in der Entlastungsbewegung liegt damit insgesamt noch auf den Unikliniken.
Aber auch an anderen Krankenhäusern organisieren sich Beschäftigte. In Niedersachsen folgten etwa 1000 Kolleg:innen der Helios-Kliniken an acht Standorten im Mai dem Streikaufruf. Ver.di fordert für die rund 5000 Beschäftigten der acht Krankenhäuser eine Lohnerhöhung von 15 Prozent, 200 Euro mehr für Auszubildende, eine einheitliche Jahressonderzahlung in Höhe eines Monatslohns sowie eine Corona-Sonderzahlung in Höhe von 1500 Euro.
Helios hat 2021 728 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet, ist bisher aber nicht bereit, davon an die Beschäftigten abzugeben. Am 14.Juni werden die Verhandlungen fortgesetzt.

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