Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 02/2023

Der Kampf ist nicht zu Ende
von Angela Klein

Lützerath ist geräumt, der Kampf um die 1,5-Grad-Grenze verloren. Die Räumung ging schneller und trotz allem reibungsloser vor sich, als von den Besetzer:innen erwartet, die Gegenseite hatte sich gut vorbereitet. RWE hat jetzt freie Bahn. Der politische Riss zwischen der Klimagerechtigkeitsbewegung und dem politischen Establishment, allen voran den Grünen, aber bleibt.

Letzten Endes wurde die Räumung mit dem Krieg und der aus ihm folgenden Energieknappheit begründet. Wenn die Grünen das Argument ernst meinen, müssen sie zugeben, dass sie vor der Alternative stehen: den Krieg gewinnen oder das Klima retten. So wie sie derzeit in Bund und Land aufgestellt sind, ist es keine Frage, was bei ihnen Priorität hat. Es sieht ganz danach aus, als ob ein weiteres Mal eine ganze Generation für die Herrschenden verloren wäre.
Im Land ist die grüne Führungsriege sehr darum bemüht, Porzellan zu kitten. Sie lobt die Protestierenden als notwendigen Rückenwind, der ihre Klimaziele gegen die Bremser in der Regierung, allen voran die FDP, unterstützen soll. Sie bietet darüber hinaus zwei Argumente an, weshalb die Räumung nicht nur alternativlos war, sondern auch ein Schritt in die klimapolitisch richtige Richtung:
Zum ersten habe der RWE-Deal, wonach der Konzern schon 2030 aus der Kohle aussteigt und nicht erst 2028, dafür aber Lützerath noch abbaggern darf, den Effekt, dass 280 Mio. Tonnen Kohle im Boden bleiben würden. Das ist stark umstritten, beide Positionen berufen sich auf Studien, die sich vor allem darin unterscheiden, dass sie die Energiebedarfe unterschiedlich ansetzen. Kritiker:innen sagen, die Kohle aus dem Tagebau Garzweiler reicht aus, um den prognostizierten Energiebedarf zu decken; die Gegenseite bestreitet das, es würde dabei nicht berücksichtigt, dass 55 Mio. Tonnen Kohle für die Veredelung benötigt würden.
Zum zweiten wird den Besetzern vorgerechnet: Hätten die Grünen dem Deal nicht zugestimmt, wäre der Ausstieg bei 2038 geblieben und es wären nicht nur Lützerath, sondern auch die anderen fünf Dörfer abgebaggert worden. Das ist schwer zu bestreiten – ein klassisches kleineres Übel.
Genausowenig ist jedoch zu bestreiten, dass die Abbaggerung zusätzlicher Kohle aus Lützerath nicht dem Imperativ der Energieeinsparung, sondern dem Gebot der Energieversorgung gehorcht. Hier stellen sich die Grünen mit ihrem kapitalismuskonformen Ansatz selbst ein Bein: Sie können noch so viele Windräder und Solaranlagen bauen – solange der Energieverbrauch nicht dramatisch eingeschränkt wird, solange wird das Klimaziel immer wieder gerissen werden.

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