Hausdurchsuchungen, Einschüchterung, Diffamierung
von Leon Wystrychowski
Das Verbot der propalästinensischen Gruppe hat eine neue Qualität und ist zugleich eine Blaupause.
Am 15.Mai 2024 fand die vorerst letzte Aktion von Palästina Solidarität Duisburg (PSDU) statt, genau ein Jahr nach dem ersten öffentlichen Auftritt der Gruppe zum 75.Nakba-Tag. Keine 24 Stunden später war die Gruppe verboten.
Am 16.Mai um 6 Uhr morgens drang die Duisburger Kriminalpolizei in vier verschiedene Wohnungen von mutmaßlichen Mitgliedern von PSDU ein. Den Betroffenen wurden Verbotsverfügungen gegen PSDU und Durchsuchungsbefehle überreicht. Im Fall des Autors kam noch ein Durchsuchungsbefehl wegen vermeintlicher Straftaten hinzu.
Die Durchsuchungen dauerten bis zu sechs Stunden. In meinem Fall auch mit Spürhund. Die Ausbeute war denkbar unspektakulär: Die Polizisten entwendeten Bargeld in vierstelliger Höhe, tausende Flugblätter und Sticker, Fahnen und Plakate, Anstecker und Kufiyas, Bücher, Soundanlagen, einen Pavillon, private Kleidungsstücke usw. Außerdem Handys, Laptops, MP3-Player und weitere Datenträger.
Die Beamten klärten die Betroffenen nicht über ihre Rechte auf, sondern belogen sie, dass sich die Balken bogen, und verweigerten ihnen ihre Rechte, sollten sie diese dennoch kennen und auf ihnen bestehen. Einzelne Polizisten verhielten sich zudem einschüchternd und provokant.
Neben der KriPo waren auch der Staatsschutz, das LKA und der Verfassungsschutz vor Ort. Außerdem sind die Medien informiert: WDR, WAZ und Springer-Presse tummelten sich vor den Häusern der Betroffenen. Parallel dazu gab NRW-Innenminister Reul (CDU) eine Pressekonferenz, in der er sich für sein repressives Vorgehen selbst feierte. (Am Tag zuvor hatte er noch mit einem Korruptionsskandal für Schlagzeilen gesorgt.) Außerdem forderte er weitere Verbote vom Bundesinnenministerium (BMI). Schließlich verstieg er sich zur Behauptung, die Hamas sei die »Mutter« von palästinasolidarischen Organisationen in Deutschland wie PSDU.
Die Verbotsverfügung
So weit geht die Verbotsverfügung gegen PSDU freilich nicht. Anders als im Fall des Gefangenensolidaritätsnetzwerks Samidoun, dem das BMI in seiner Verbotsverfügung vom November 2023 u.a. andichtet, ein Ableger der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) zu sein, war den Behörden eine solche Konstruktion im Fall von PSDU offenbar zu weit hergeholt. Stattdessen kreierte man im NRW-Innenministerium den Vorwurf der »geistigen Unterstützung der Hamas«. Was so klingt, als habe man bei PSDU regelmäßig für die Hamas gebetet, entpuppt sich als neue Qualität von Gesinnungsjustiz: Allein das Bekenntnis zum Recht der Palästinenser auf Widerstand wird als »Hamas-Unterstützung« ausgelegt.
Freilich nicht im strafrechtlichen Sinne, denn es gibt gegen Ex-PSDUler keine entsprechenden Anzeigen. Es laufen zwar Verfahren gegen ehemalige Aktive der Gruppe, allerdings geht es dabei stets um unhaltbare Vorwürfe wie »Volksverhetzung« (§130 StGB), »Billigung von Straftaten« (§140), »Aufforderung zu Straftaten« (§111) »Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen« (§86), die Benutzung von Parolen wie »From the River to the Sea, Palestine will be free« oder den »Aufruf zur Intifada«.
Die Verbotsverfügung gegen PSDU argumentiert fast ausschließlich politisch: Wer für das Recht auf Widerstand und für eine Ein-Staaten-Lösung ist und Israel Apartheid, Kolonialismus und Genozid vorwirft, ist Antisemit, für Terror und gegen Völkerverständigung – und damit ein Verfassungsfeind. Daran hat bislang auch nichts geändert, dass derlei Vorwürfe mittlerweile selbst vom Internationalen Gerichtshof und von NGOs wie Amnesty International, Human Rights Watch, B’Tselem oder dem Lemkin Institute for Genocide Prevention erhoben werden.
Das Verbot ist eine weitere Steigerung der schon zuvor präzedenzlosen antipalästinensischen Repression in Deutschland. Wenn die Behörden mit dieser Argumentation durchkommen, wird das PSDU-Verbot eine Blaupause für weitere Verbote palästinasolidarischer und und darüber hinaus friedenspolitischer und oppositioneller Gruppen in der BRD sein. Umso wichtiger ist der Kampf gegen das Verbot auf politischer und juristischer Ebene. Dass sich dafür bereits ein Komitee aus solidarischen Menschen in Duisburg gegründet hat, war ein wichtiger Schritt. Nun braucht es aber auch über Duisburg hinaus mehr Aufmerksamkeit und Solidarität.
Weitere Informationen zum PSDU-Verbot und zum Kampf dagegen findet man auf www.psdu-verbot.info.
Der Autor ist Islamwissenschaftler (MA) und Historiker (MA), Autor eines beim AphorismA-Verlag erschienenen Buchs zur Geschichte der politischen Linken in Palästina und schreibt für verschiedene Medien.
Spenden sind willkommen auf: Rote Hilfe e.V., OG Duisburg, IBAN: DE02430609674007238398, Verwendungszweck: Komitee gegen Verbot.
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