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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 09/2024

Das Wasser und kein Ende
von Heidemarie Schroeder, Grünheide

Am 22.März 2022 feierte Elon Musk in seiner Tesla-Fabrik in Grünheide den »delivery day«: Nach nur zwei Jahren, während derer Bau und Genehmigungsverfahren parallel voranschritten, rollten die ersten E-Autos vom Band. Da am 22.März alljährlich auch der Weltwassertag begangen wird und der Standort wegen der Gefahren für das Trinkwasser von Beginn an in der Kritik stand, demonstrierten vor den Werkstoren Umweltverbände und Bürgerinitiativen, während im Werk Politprominenz feierte. Die Befürchtungen, die erstere hegten, bewahrheiten sich nun in Folge Stück für Stück.

Der Reihe nach: Die SPD-geführte Landesregierung Brandenburgs konnte 2019 ihr Glück kaum fassen: Es war ihr das Husarenstück geglückt, den genialen Autobauer Elon Musk nach Grünheide zu holen, ohne dass irgendjemand – zuallerletzt die Grünheider:innen – davon Wind bekommen hatte. Für das anlaufende Genehmigungsverfahren galt die Prämisse: Es wird in Rekordgeschwindigkeit durchgezogen und Umweltbelange gelten nur da, wo ihnen gerichtsfest begegnet werden muss.

Einige Beispiele:

1. Während des Erörterungstermins der Einwendungen konnte Tesla nicht glaubhaft machen, dass der unter den Werksfundamenten ungeschützt verlaufende Grundwasserleiter mittels »bester verfügbarer Techniken« hinreichend geschützt würde.

2. Es wurde die Frage verneint, eine Batteriefabrik zu planen. Im Wasserschutzgebiet sind das Errichten und der Betrieb einer Chemiefabrik ausdrücklich verboten – eine solche stellt die inzwischen errichtete Batteriefabrik dar.

3. Durch Schwärzungen im Antragstext ist nicht komplett bekannt, welche trinkwasserelevanten Schadstoffe bei Tesla zum Einsatz kommen.

4. Die Anordnung, dass dem lokalen Wasserverband, der ortsnah Brunnenanlagen betreibt, Zugang zu allen grundwasserrelevanten Daten zu gewähren ist, wurde auf Wunsch Teslas gestrichen.

5. Auf Betreiben und unter Mithilfe Teslas werden werksnah neue Wasserfördermöglichkeiten gesucht.

    Die negativen Folgen solchen Handelns (oder Nichthandelns) zeigen sich sukzessive. Zunächst werden seit Produktionsbeginn für die im Abwasser Teslas vereinbarte Grenzwerte (refraktärer Phosphor, Gesamtnitrat) in erheblichem Maße überschritten. Das ist deshalb keine Bagatelle, weil das entsorgende Klärwerk damit überfordert ist. Folglich gelangen die eutrophierenden Stoffe in die Spree und den Müggelsee. Das Uferfiltrat dieser Gewässer ist für die Trinkwassergewinnung Ostberlins essentiell.
    Ein durch Tesla induzierter steigender Wasserbedarf war erwartbar. Aus den Grundwasserleitern, die jetzt beprobt werden, fliesst das Wasser zu 100 Prozent der Spree zu. Wird es abgezweigt, fehlt es der Spree, wo schon das Sümpfungswasser aus dem Tagebau in der Lausitz entfällt. Letzteres macht im Durchschnitt 75 Prozent des Spreewassers aus. Die Folgen: siehe oben. Ganz aktuell wurde bekannt, dass zunehmend Schadstoffe im Grundwasser auftreten. Diese überschreiten noch keine Grenzwerte, zeigen aber eine bedrohliche Tendenz an.
    Die Befürchtungen von Umweltverbänden und Bürgerinitiativen für eine Beeinträchtigung des Trinkwassers in Quantität und Qualität waren begründet. Vor dem Hintergrund, dass das Produkt Tesla keinen Beitrag zu einer echten Verkehrswende leistet, dass Tesla-Autos von Kunden nicht nachgefragt werden, dass Elon Musk weder ein guter Arbeitgeber noch politisch tragbar ist und dass lokal in Grünheide Natur zerstört und der Wille der Anwohner missachtet wird, ist der anhaltende und wachsende Widerstand von Betroffenen und von Naturschützern nicht nur gegen Tesla, sondern gegen die verantwortlichen Landespolitiker und die Verwaltung mehr als verständlich.
    Parallelen sind vielerorts sichtbar – siehe LNG-Terminal in Mukran. Das kann zu einer gewaltigen Bewegung anwachsen. Die politische »Mitte« drängt das weg, das ist nicht verwunderlich. Ob »Rechte« oder »Linke« davon profitieren werden und ob das alte Koordinatensystem rechts/links überhaupt noch Orientierung bietet, bleibt abzuwarten.

    Die Autorin ist Sprecherin der Wassertafel Berlin-Brandenburg und Mitglied der Grünen Liga.

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