Die Waffen nieder!
von Gisela Notz
Als Vorkämpferin der Friedensbewegungen hat die Schriftstellerin Bertha von Suttner den bürgerlichen Frauengruppen der Jahrhundertwende entscheidende Impulse gegeben. Obwohl sie aus österreichischem Adel stammte, fand sie die Verbindung zur sozialistischen Frauenbewegung und selbst August Bebel hatte Kontakt zu ihr. Mit dem Antikriegsroman Die Waffen nieder! schrieb sie einen der wichtigsten Romane ihrer Zeit. Ihr Leben ist selbst ein Roman.
Als Bertha am 9.Juni 1843 als Gräfin Kinsky von Wchinitz und Tettau in Prag zur Welt kam, war ihr 75jähriger Vater, Graf Franz Joseph Kinsky von Wchinitz und Tettau, ein pensionierter k.und k. Feldmarschall aus böhmischem Adel bereits gestorben. Ein Onkel wurde ihr Vormund. Von ihren Kinderfrauen lernte sie Englisch und Französisch, übte Gesang, Klavier und gute Umgangsformen und war eine perfekte höhere Tochter, die einmal eine reiche Heirat machen oder, wenn das nicht klappte, ein Stern am Himmel der Kunst werden sollte. Bis zu ihrem 30.Lebensjahr sah sie das Kriegsgeschehen eher als Amüsement, als dass es sie beunruhigte.
Bertha war 30 Jahre alt, als das Erbe ihres Vaters durch die Spielsucht ihrer Mutter Sophia Wilhelmine, geborene von Körner, aufgebraucht war. Nun musste sie sich ihren Lebensunterhalt als Erzieherin der vier Töchter des Gutsbesitzers Baron Carl von Suttner verdienen. Der setzte Bertha vor die Tür, als er bemerkte, dass zwischen ihr und seinem jüngsten Sohn Arthur eine Liebesbeziehung bestand. Allerdings vermittelte er ihr eine Anstellung in Paris, wo sie als Privatsekretärin des schwedischen Industriellen und Erfinders Alfred Nobel (1833–1896) arbeitete. Ihr Parisaufenthalt dauerte nur acht Tage, weil Nobel vom schwedischen König wegen seiner neuen Erfindung, dem Dynamit, in sein Land geholt wurde. Die kurze Zeit genügte jedoch für den Beginn einer lebenslangen Freundschaft mit Alfred Nobel.
Zunächst war sie aber allein in Paris und es überfiel sie die Sehnsucht nach Arthur. Sie sagte Nobel ab, fuhr nach Wien zurück, heiratete den sieben Jahre jüngeren Arthur von Suttner (1850–1902) heimlich gegen den Willen seiner Familie und flüchtete mit ihm zu einer befreundeten Fürstin im Kaukasus, wo sie fast neun Jahre lebten und zu erfolgreichen Korrespondent:innen österreichischer Zeitungen wurden.
Rückkehr nach Wien
Die Erfolge trugen dazu bei, dass sich Arthurs Familie mit den beiden versöhnte. Seit 1885 lebten sie auf deren Familienschloss in Harmannsdorf unweit von Wien ein recht mondänes Leben. Bertha kam in Wien erstmals mit Friedensinitiativen in Verbindung. Während einer Reise nach Paris erfuhr sie im Hause des französischen Schriftstellers Alphonse Daudet (1840–1897) von der Existenz nationaler Friedensgesellschaften wie der englischen »Gesellschaft für Frieden und Schiedsgerichte« und von den Plänen des Engländers Hodgson Pratt (1824–1907), ein internationales Schiedsgericht zu gründen, um Konflikte zwischen einzelnen Staaten friedlich zu lösen.
Der Gedanke an internationale Schiedsgerichte ließ sie nicht mehr los. Längst war sie davon überzeugt, dass Krieg als Mittel zur Lösung von Konflikten zwischen den Völkern wegen seiner ungeheuerlichen zerstörerischen Wirkung zu verachten sei. Nun galt es für sie, den Friedensgedanken zu propagieren und die breite Masse zu überzeugen. Sie wollte sich in der Friedensbewegung engagieren, besuchte Schlachtfelder von 1866 und Kriegsveteranen der letzten Kriege.
1889 veröffentlichte sie unter dem Pseudonym »Jemand« das Buch Das Maschinenzeitalter. Zukunftsvorlesungen über unsere Zeit. Das Buch erschien anonym, da ihr – wie sie schrieb – die »Vorurteile gegen die Denkfähigkeit der Frauen« zu groß erschienen und sie befürchten musste, dass das Buch »von solchen einfach ungelesen geblieben wäre, für die es eigentlich bestimmt war«. Mit der vom Fortschrittsglauben getragenen Analyse des aufkommenden Maschinenzeitalters erstellte sie eine Utopie für eine bessere und menschlichere Welt. Dabei setzte sie große Hoffnung auf die Vernunft der Frauen, indem sie schrieb: »In einer Gesellschaft, in der das Vorrecht des Stärkeren so radikal ausgerottet wäre, daß in derselben die Gleichstellung der Frau erreicht worden wäre, würde überhaupt nicht mehr Krieg geführt.« Eine interessante These. Leider ist sie bis jetzt nicht belegt.
Der Antikriegsroman
Im gleichen Jahr 1889, vor 135 Jahren, erschien ihr pazifistischer Roman Die Waffen nieder! Darin nahm sie den Gedanken der »internationalen Schiedsgerichte« wieder auf. Der Roman erregte großes Aufsehen und wurde zum Welterfolg. Er erschien in einer Zeit der Herausbildung von Imperialismus und Militarismus sowie der zunehmenden Weltkriegsgefahr. Bertha wollte mit dem Roman die Friedensbewegung, vor allem die 1880 in London gegründete International Arbitration and Peace Association unterstützen, die Streitigkeiten und drohende Kriege durch innerstaatliche, internationale Schiedsgerichte anstelle von kriegerischen Auseinandersetzungen lösen wollte. Sie stellte sich damit an die Spitze einer pazifistischen Bewegung. Das Buch erfuhr in kurzer Zeit mehr als vierzig Neuauflagen, bevor es in zwanzig Sprachen übersetzt und 1892 in der sozialdemokratischen Zeitung Vorwärts als Fortsetzungsroman abgedruckt wurde. 1913 und 1952 wurde es verfilmt.
Die Pazifistin wurde zu einer Leitfigur der europäischen Friedensbewegung. Sie demaskierte den Krieg als Völkermord und als politisches Verbrechen. Sie wollte das Volk aufklären und die Herrschenden für ihr Friedensstreben gewinnen. Zunehmend erkannte sie die Arbeiterbewegung als Kraft, die sich mehr als andere für Frieden und Völkerverständigung einsetzte. Dass August Bebel (1840–1913), mit dem sie in Kontakt kam, die Großmächte zur Abrüstung und zur Einrichtung von Internationalen Schiedsgerichten für die friedliche Lösung internationaler Konflikte aufforderte, war sicher auch ihrem Einfluss zu verdanken.
Drastisch schildert sie in dem Roman das Grauen der Schlachten aus der Sicht der Ich-Erzählerin Martha, deren Biografie als streng konservativ erzogene Adlige der Romanschreiberin zum Verwechseln ähnelt. Sie beschreibt, wie Familien und Freundschaften unter den Zerstörungen und Verlusten während und nach Kriegen leiden. Der Titel »Die Waffen nieder!« appelliert daran, dass Kriege von Menschen gemacht sind und folglich auch von Menschen verhindert werden können. Dabei entlarvt Bertha von Suttner auch die sogenannten »männlichen Tugenden« wie Mut, Tapferkeit und Kampfeswille, die freilich auch Frauen anhaften können.
»Bei der Furchtbarkeit der gegenwärtig erreichten und noch immer steigenden Waffentechnik«, schrieb sie vor 135 Jahren, »bei der Massenhaftigkeit der Streitkräfte wird der nächste Krieg wahrlich kein ›ernster‹, sondern ein – es gibt gar kein Wort dafür – ein Riesenjammer-Fall sein … Hilfe und Verpflegung unmöglich … Der nächste Krieg, von welchem die Leute so gleichmütig reden, der wird nicht Gewinn für die einen und Verlust für die anderen bedeuten, sondern Untergang für alle.«
Verbreitung des Friedensgedankens
Bertha von Suttner war nun eine berühmte Schriftstellerin und wichtige Aktivistin der Friedensbewegung. Neben ihren Büchern schrieb sie regelmäßig für Zeitschriften und nahm an Friedenskongressen teil. 1892 gründete sie die Monatszeitschrift Die Waffen nieder! mit. Unermüdlich stritt sie nun gegen Nationalismus, Antisemitismus und die Allianz von Militär und Kirche. Kritisch ging sie mit den Argumenten derjenigen Christen um, die sich auf Gott und Vaterland beriefen, um die Notwendigkeit von Kriegen zu rechtfertigen.
Bei der fünften Verleihung des Friedensnobelpreises, den Alfred Nobel auf ihre Anregung hin gestiftet hatte und der seit 1901 vergeben wird, wurde sie 1905 zur ersten weiblichen Preisträgerin. Bertha von Suttner starb am 21.Juni 1914 in Wien, wenige Wochen bevor der Erste Weltkrieg, vor dem sie lange gewarnt hatte, losgetreten wurde. Am 13.Mai 1914 hatte sie noch geschrieben: »Die einzigen – weil sie eine Macht sind – auf die man hoffen kann, dass sie den Massenkrieg abwenden, sind die Sozialdemokraten. Die ›bürgerliche‹ Friedensbewegung bei uns ist wirklich von einer Schlappheit, die ihresgleichen sucht.« Das Umschwenken auch vieler einstmals friedensbewegter Sozialdemokrat:innen hat sie noch mitbekommen.
Die aktuellen Kriege zeigen, dass die Forderungen der Friedensbewegungen immer noch – oder mehr denn je – aktuell sind, weil wir von einer gerechten demokratischen Weltgesellschaft, in der es keine Kriege geben muss, weiter denn je entfernt sind.
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