Die Russische Kommunistische Partei (Internationalisten) sagt linken Kriegsunterstützern den Kampf an
von Ewgeniy Kasakow
Im heutigen Russland gibt es Dutzende Parteien und Organisationen, die sich »kommunistisch« nennen – gleich ob sie das Wort im Namen, im Statut oder im Programm tragen.
Ihre zahlenmäßige Stärke variiert von über 160000 bei der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF), die formell stärkste Oppositionspartei im Land, bis hin zu einem lokalen Zirkel, der sich um einen Küchentisch versammeln kann. Die meisten dieser Organisationen beziehen sich mehr oder weniger positiv auf das unter J.W.Stalin aufgebaute Gesellschaftsmodell, bei starken Unterschieden in der Bewertung späterer Jahrzehnte der sowjetischen Geschichte. Die meisten größeren Organisationen sind seit Februar 2024 auch mehr oder weniger gespalten in ihrer Haltung zur »militärischen Spezialoperation«, wie die offizielle Bezeichnung für den Ukrainekrieg lautet.
Nun ist eine neue kommunistische Partei dazugekommen. Am 22. und 23.Juni wurde in der Nähe von Moskau die Russische Kommunistische Partei (Internationalisten), RKP(I), gegründet. Die RKP(I) vereinigt vor allem ehemalige Mitglieder von kleineren stalinistischen Organisationen, der Russischen Kommunistische Arbeiterpartei (RKRP) und der Vereinigten Kommunistischen Partei (OKP), deren jeweilige Führung die »Spezialoperation« unterstützt. Die RKP(I) dagegen betrachtet den Krieg als einen Fall imperialistischer Konkurrenz.
Die Gründung wurde angestoßen von der Initiativgruppe Krasny poworot (Die Rote Kehrtwende) aus Nowosibirsk, der Organisation der Permer Kommunisten, der Offenen Kommunistischen Plattform der Internationalisten und der Kommunistischen Initiative. Insgesamt waren bei der Gründungskonferenz 27 Delegierte aus zwölf Regionen anwesend. Die neue Partei sieht sich als konsequent leninistisch und ruft zum Kampf für einen »demokratischen Frieden ohne Annexionen und Kontributionen« auf.
Der Gründung gingen erbitterte Debatten voraus, vorangetrieben vom Videoblog der Nowosibirsker RKRP-Abspaltung Krasny Poworot um den Aktivisten Sergej Krupenko. Der 1962 geborene Krupenko war noch während der Perestroika-Zeit in der stalinistischen Opposition zur Gorbatschow aktiv, er gehörte zu den Gründern der RKRP im November 1991. Die RKRP war in den 1990er und 2000er Jahren die zweitgrößte kommunistische Partei nach der KPRF und die größte von allen stalinistischen K-Gruppen. 2007 wurde ihr die Registrierung als Partei entzogen.
Als die Führung der RKRP im Krieg gegen die Ukraine einen »antifaschistischen Kampf« sah, begannen ganze Ortsverbände zu rebellieren. Ähnlich entwickelte sich die Situation in der OKP – die Partei, die 2014 von unzufriedenen KPRF-Mitgliedern gegründet wurde. Die OKP warf der KPRF-Führung unter Gennadi Sjuganow einen Rechtskurs und Kompromiss mit Wladimir Putin vor. Doch in bezug auf den Krieg gibt sich das ZK der OKP betont loyal-patriotisch. Eine Registrierung, die ihr die Teilnahme an Wahlen ermöglichen würde, blieb jedoch auch dieser Partei bisher versagt.
Die Rebellion der Kriegsgegner in den beiden Parteien nahm bereits im Herbst 2022 Konturen an, als eine Konferenz das »Manifest der Koalition der Kommunisten-Internationalisten« beschloss. Darin wurde Russland, neben den NATO-Staaten und China, eine imperialistische Macht genannt, jegliche Unterstützung für Putin oder Selenskyj verurteilt, und der Kampf gegen Mobilmachungen, Waffenlieferungen und wirtschaftliche Sanktionen in allen beteiligten Staaten erklärt.
Im sechzehnseitigen Parteiprogramm wird die aktuelle Situation auf der Grundlage der Theorie des Staatsmonopolkapitalismus analysiert. Im Programm wird lobend erwähnt, der Aufbau des Sozialismus sei in der Sowjetunion gelungen, doch Stalins Name taucht nicht auf. Explizit wird dagegen vor der Gefahr »der Faschisierung des bürgerlichen russischen Staates« und eines neues »imperialistischen Weltkriegs« gewarnt. Das Programm markiert deutlich den Bruch mit der »Querfronttaktik« der stalinistischen Parteien in den 1990er bis 2000er Jahren, als diese Seite an Seite mit russischen Nationalisten gegen Marktreformen und westlichen Einfluss demonstrierten. Wohin dieser Kurs führte, demonstriert Sjuganows KPRF, die heute alle Repressionsmaßnahmen im Namen der Vaterlandsverteidigung mitträgt.
Kritiken
Bisher hat es die RKP(I) weder geschafft, stabile Bündnisse mit anderen Antikriegslinken zu schmieden, noch alle Kriegsgegner aus dem sowjetnostalgisch-stalinistischen Spektrum zu vereinigen. Den Auseinandersetzungen mit anderen linken Strömungen schenkt die RKP(I) eher wenig Aufmerksamkeit und konzentriert sich auf die Kritik der »falschen«, da den Krieg befürwortenden Stalinisten. Aber gerade in stalinistischen Kreisen wird die RKP(I) für ihr zu gemäßigtes Programm kritisiert, da dort zu viel Aufmerksamkeit »bürgerlichen Freiheiten« geschenkt wird. Diesen Kritikern, wie dem YouTube-Kanal Tribun, entgegnet die RKP(I), in Russland stehe eine »revolutionär-demokratische Diktatur« an, die sich von einer reinen »Diktatur des Proletariats« unterscheide, was auch im aktuellen Programm Ausdruck findet.
Andere stalinistische Kriegsgegner, wie die ebenfalls von der RKRP abgespaltene Russische Front der Werktätigen (RTF) um Alexander Batow, bewerten die Parteigründung für prinzipiell verfrüht. Die Arbeiterbewegung sei noch nicht so weit, was aus der Sicht der RKP(I) kein Argument darstelle, denn die Partei solle gerade noch vor dem möglichen Aufschwung der Bewegung aufgebaut werden. Die RKP(I) wendet sich weiterhin an die unzufriedenen Mitglieder der Pro-Kriegs-KPs, die sich noch nicht zu einem Parteiaustritt durchgerungen haben.
Eine Wahlteilnahme oder Registrierung strebt die RKP(I) nicht an, jedoch soll die legale öffentliche Arbeit solange wie möglich fortgesetzt werden. Die Risiken bleiben weiterhin hoch. Erst am 4.September verkündete die größte trotzkistische Organisation Russlands, die Revolutionäre Arbeiterpartei (RRP), ihre Selbstauflösung, nach Repressalien gegen mehrere ihrer Aktivist:innen.
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