Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 11/2024

Eine ostdeutsche Stadt
von gk

Elsa Koester: Im Land der Wölfe. Frankfurt: FVA, 2024. 320 S., 24 Euro

In Grenzlitz, einer ostdeutschen Stadt, tobt der Wahlkampf. Zu den Favoriten gehören die grüne Bürgermeisterkandidatin und ihr Konkurrent von den »Blauen«. Die Autorin Elsa Koester, stellvertretende Chefredakteurin der Wochenzeitung Der Freitag erkundet die Befindlichkeit der Bevölkerung zwischen grün und blau, zwischen Ideen von einer fortschrittlichen Zukunft und der Angst vor dem Fremden und den vielen Grautönen dazwischen.

Sie hätte für ihren Roman keine bessere Protagonistin präsentieren können, um die Welt der Großstädter mit der so völlig anderen Welt der Provinz zu konfrontieren: Nana kommt aus Berlin-Neukölln und coacht Politiker. Früher war sie mal in der Antifa. Ihr neuer Auftrag: Sie soll die grüne Bürgermeisterkandidatin im ostdeutschen Grenzlitz unterstützen. Aber die hat einen einflussreichen Konkurrenten von den Blauen: Polizeikommissar Paul Witte ist in Grenzlitz aufgewachsen und gut vernetzt.
Es gibt nur ein paar vermeintlich sichere Anlaufstellen für diejenigen, die nicht im rechten Mainstream mitschwimmen: ein Café, ein Kulturzentrum. Die Straße hingegen ist ein umkämpfter Raum, wie Nana schnell feststellen muss, als sie mit den Geflüchteten unterwegs ist. Auch der Besuch des Polizeifestes wird zur Mutprobe. Witte tritt als Redner auf, einige stadtbekannte Neonazis sind zugegen. Als Nana und Katja, die grüne Kandidatin, bei seiner Rede als einzige nicht in die Hände klatschen, wird es bedrohlich.
Koester macht die Atmosphäre greifbar, aus der subtilen Bedrohung wird schließlich brachiale Gewalt: Die Fenster des Cafés werden mit Steinen eingeworfen, als Katja und Nana mit den wenigen Muslimen der Kleinstadt dort das Zuckerfest feiern. Und dann gewinnen die Blauen auch noch die Wahl und Nana trifft Witte anschließend auf der Straße. Sie denkt an die Zukunft – und schüttelt dem neuen Bürgermeister schließlich die Hand. Eine Geste der Unterwerfung.
Elsa Koester ist ein großer Wurf gelungen: Sie lässt ihre Leser:innen die Macht des aufkeimenden Faschismus und seine Konsequenzen für den Alltag sinnlich erleben.

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