Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2024

An den Rand notiert
von Rolf Euler

So hieß eine Ausstellung im Landesmuseum Westfalen-Lippe (LWL) »Zeche Zollern« in Dortmund in diesem Sommer. In der Umgebung eines ehemaligen Bergwerks sollte auf die deutsche Geschichte der Kolonialzeit hingewiesen werden.

Menschen aus der Region zogen damals als Missionare, Farmer oder Soldaten in die Kolonien. Unternehmer und Industrielle trieben die deutsche Kolonialpolitik voran, Kaufleute handelten mit Kaffee und Tee. Straßen wurden nach kolonialen Akteuren benannt, Menschen aus kolonisierten Regionen lebten hier. Ansatzpunkt der Ausstellenden war, dass die Folgen des Kolonialismus bis heute nachwirken.
Bei dieser Ausstellung kam es zu einem politischen Eklat mit Neofaschisten auch aus der AfD. Was war geschehen? Die Kuratorin der Ausstellung hatte mit ihrem Team vereinbart, für Menschen, die von der Kolonialgeschichte betroffen waren, also insbesondere Black, Indigenous und People of Color (BIPoC), sog. »Safe Spaces« anzubieten. Jeden Samstag sollte es vier Stunden geben, in denen sich Nichtweiße ohne Beeinträchtigung mit der Geschichte ihrer früher kolonisierten Länder und Menschen auseinandersetzen konnten. Es gab nie ein Verbot oder eine Kontrolle für andere Besucher, man bat lediglich um Rücksicht. Das Museum bekam positive Rückmeldungen auch aus der Community.
Bis nach einiger Zeit ein rechtsextremes Nachrichtenportal berichtete und von der AfD-geförderten Dortmunder Antenne frei ein Shit­storm gegen die Ausstellungsmacher:innen losgetreten wurde, weil angeblich mit öffentlichen Geldern »Rassismus gegen Weiße« betrieben würde. Tagelang wurden diese mit Telefonanrufen, Mails und Interneteinträgen angegriffen, zum Teil mit Absendern aus den östlichen Bundesländern. Mit dieser Reaktion auf den »Safer Space« hatten das LWL und die Kuratorin in diesem Ausmaß nicht gerechnet.
Die Rechten hatten auf dem Museumsgelände gefilmt und Angestellte im Internet bloßgestellt. Die Reaktion war, dass sich viele Medien bei der Museumsleitung und dem LWL meldeten. Es dauerte Tage, bis klar war, dass eine rechtsextrem koordinierte Kampagne einen Vorwand für ihre hetzerische Aufwiegelei gesucht hatte.
Es ist offensichtlich, dass nicht nur der »Safer Space« zum Anlass genommen wurde, sondern auch der antikoloniale Inhalt der Ausstellung gemeint war. Die historischen Zusammenhänge zum heutigen Neofaschismus bzw. zu rechtsextremen Ansichten bei AfD und anderen Gruppierungen sind zwar nicht immer offensichtlich. Hier wie schon anderswo ist das strategische Konzept der AfD, sich selber als Opfer aufzuspielen und demokratische Räume bis zum letzten für antidemokratische Zwecke auszureizen.
Man kann dem LWL und den Museumsleitungen nur Rückgrat wünschen, sich nicht in ihrer weiteren aufklärerischen Arbeit beirren zu lassen.

Ausführlicher auf www.nordstadtblogger.de/museum-zeche-zollern-haelt-
weiterhin-an-safer-space-in-der-ausstellung-zu-kolonialismus-fest/

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