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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2024

Wie sich die extreme Rechte in den USA die Verfolgung der Palästinasolidarität vorstellt
von Ryan Grim und Murtaza Hussain

Die deutschen Bemühungen, Palästinasolidarität unter dem Deckmantel des »Schutzes jüdischen Lebens« zu unterdrücken, beziehen ihr Vorbild aus dem Umfeld von Donald Trump.

Die Architekten des »Projekts 2025« bei der konservativen Heritage Foundation haben einen Plan entworfen, um in Erwartung eines Sieges von Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen die propalästinensische Bewegung in den USA zu brechen.

Der Project Esther genannte Plan bezeichnet propalästinensische Aktivisten in den USA als Mitglieder einer globalen Verschwörung, die mit ausgewiesenen terroristischen Organisationen im Bunde steht. Sie seien Teil eines sog. »Hamas-Unterstützungsnetzwerks« und würden »unverzichtbare Unterstützung von einem riesigen Netzwerk von Aktivisten und Geldgebern« erhalten, »die ein viel ehrgeizigeres, heimtückischeres Ziel verfolgen – die Zerstörung des Kapitalismus und der Demokratie«.
Diese verschwörerische Darstellung ist Teil einer juristischen Strategie zur Unterdrückung von Äußerungen, die Palästinensern freundlich gesinnt sind oder den Beziehungen zwischen den USA und Israel kritisch gegenüberstehen. Gesetze zur Terrorismusbekämpfung werden eingesetzt, um Äußerungen zu unterdrücken, die ansonsten geschützt wären, sagen Rechtsexperten gegenüber dem Online-Portal Drop Site News.

Die Vorwürfe
Dylan Saba, Rechtsanwalt bei der Organisation Palestine Legal, sagt, die Erfindung von Begriffen wie »Hamas Support Network« oder »Hamas Supporting Organizations« – ein weiterer Begriff, den die Autoren verwenden, um propalästinensische Aktivistengruppen zu beschreiben – ziele darauf ab, ein Narrativ zu konstruieren, das die Anwendung von Gesetzen zur Terrorismusbekämpfung und Sanktionen rechtfertigt, um die Rechte von Einzelpersonen, die an der propalästinensischen Bewegung beteiligt sind, sowie deren Geldgeber und Unterstützer zu unterdrücken. »Sie müssen die Behauptung aufstellen, dass diese Organisationen von der Hamas geleitet und kontrolliert werden, was nicht der Fall ist«, sagt Saba. »Sie behaupten, dass diese Organisationen tatsächlich als propagandistischer Arm für ausgewiesene terroristische Organisationen dienen.«
Um seine Ziele zu erreichen, schlägt das Projekt Esther die Anwendung von Gesetzen zur Terrorismusbekämpfung und zur Bekämpfung von Hassreden sowie auf Einwanderungsgesetze vor, einschließlich der Abschiebung von Studierenden und anderen Personen, die sich mit einem ausländischen Visum in den USA aufhalten, wenn sie an propalästinensischen Aktivitäten teilnehmen.
Das Projekt befürwortet auch den Einsatz des Foreign Agents Registration Act, eines Gesetzes, das Parteien, die ausländische Interessen vertreten, zur Offenlegung verpflichtet; es richtet sich gegen Organisationen, die nach Ansicht der Unterstützer des Projekts aus dem Ausland finanziert und geleitet werden.
Darüber hinaus wird in dem Dokument vorgeschlagen, den Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act (RICO) anzuwenden, um die strafrechtliche Verfolgung von Einzelpersonen und Organisationen der Bewegung zu unterstützen. Das RICO-Gesetz wurde ursprünglich geschaffen, um das organisierte Verbrechen in den USA und insbesondere Mafiagruppen zu bekämpfen.

Eine mehrstufige Kampagne
Die Autoren des Projekts Esther stellen sich ihre Kampagne in mehreren Stufen vor: Zunächst soll die »Propaganda« aus den Lehrplänen entfernt werden, sodann eine Einschüchterungskampagne folgen, um Schüler von der Teilnahme an Demonstrationen abzuhalten; ihre Kommunikation in den sozialen Medien, die Durchführung von Versammlungen und andere Formen der Koordination zwischen propalästinensischen Gruppen sollen beschränkt werden. Ziel dieses Prozesses ist, dass sowohl die US-Öffentlichkeit als auch ein Großteil der jüdischen Gemeinde HSOs – Abkürzung für »Hamas Support Organizations« – als Bedrohung für ihre Sicherheit wahrnehmen.
Diese Schritte, so versprechen die Autoren von Projekt Esther, würden die propalästinensische Bewegung in den USA »innerhalb von 12 bis 24 Monaten« brechen.
Viele der vom Projekt Esther vorgeschlagenen Maßnahmen stellen nach Ansicht von Rechtsexperten eher eine Eskalation der derzeitigen Praktiken als eine völlige Neuorientierung dar. So haben die Behörden bspw. im vergangenen Jahr gegen Demonstranten, die gegen eine Polizeiausbildungsstätte in Georgia protestierten, Anklage nach dem RICO-Gesetz erhoben. Und erst vor wenigen Wochen hat die Regierung Biden Samidoun, eine Solidaritätsgruppe für palästinensische Gefangene, als terroristische Organisation eingestuft.
»Sie erfinden keine neuen Taktiken. Sie sprechen nur über umfassende, gezielte und besser ausgestattete Arten von Angriffen«, sagte Diala Shamas, eine Anwältin des Center for Constitutional Rights. »Hier geht es darum, propalästinensische Gruppen mit einer ausländischen terroristischen Organisation gleichzusetzen, was eine bewährte Taktik ist, die schon sehr lange angewendet wird. Man braucht nur zu versuchen, eine nebulöse Verbindung zur Hamas herzustellen, dann kann man sich auf diese weitreichenden Gesetze berufen.«
Das Dokument zielt auf mehrere Gruppen ab, darunter die Open Society Foundation von George Soros, die Tides Foundation und der Rockefeller Brothers Fund, denen der Bericht vorwirft, »finanzielle und andere materielle Mittel wie Ausrüstung, Ausbildung und Beratung« für die Unterstützer der palästinensischen Sache bereitzustellen. Das Dokument nennt auch National Students for Justice in Palestine, American Muslims for Palestine und Jewish Voice for Peace als Hauptakteure des »Hamas Support Network«.
»Die Menschen haben nach dem ersten Verfassungszusatz das Recht, politische Ansichten zu äußern, sich mit anderen zusammenzuschließen und die US-Regierung zu kritisieren«, fügt Saba hinzu. »Wenn Sie das als politisch bedrohlich empfinden und es nicht mögen, müssen Sie sich etwas einfallen lassen, um den ersten Verfassungszusatz zu umgehen. Der Ausweg, den sie sich ausgedacht haben, sind die Gesetze zur Terrorismusbekämpfung und die zur materiellen Unterstützung ausländischer Organisationen.«

Die Urheber?
Zu den Architekten des Projekts Esther gehören konservative Organisationen wie In Defense of Christians, der Family Research Council, das Philos Project, das America First Policy Institute, die Coalition for Jewish Values, Concerned Women of America, die Latino Coalition for Israel, die National Association of Scholars, die Regent University und das Steamboat Institute.
Das Projekt Esther verfolgt als vorgebliches Ziel, den Antisemitismus zu bekämpfen. Es hat seinen Namen von einer persischen Königin, die in der hebräischen Bibel jüdische Untertanen gerettet haben soll. Es erwähnt jedoch nicht den Antisemitismus der Rechten, der oft auf direkten rassistischen Stereotypen und offener Feindseligkeit gegenüber jüdischen Menschen beruht, und scheint stattdessen damit beschäftigt zu sein, den »internen politischen Druck zu bekämpfen, der die Regierung der USA dazu zwingen soll, ihre langjährige Politik der Unterstützung Israels zu ändern«. Eine solche Politikänderung betrachten die Autoren des Berichts als antisemitisch.
Die Unterstützung der Vorschläge von Projekt Esther durch jüdische Organisationen in den USA scheint begrenzt zu sein. Viele, die ursprünglich als Unterstützer von Projekt Esther aufgeführt waren, haben sich nach der Veröffentlichung des Dokuments von diesem distanziert, berichtet Jewish Insider unter Berufung auf den politisch parteiischen Charakter des Projekts. Trotz dieser Rückschläge ist das Projekt Esther eine konkrete Absichtserklärung eines bedeutenden konservativen Think Tank, der mit einer möglichen künftigen Präsidentschaftsadministration verbunden ist.
»Unsere Absicht ist es, alle willigen und fähigen Partner in einer koordinierten Anstrengung zum Einsatz aller verfügbaren Ressourcen zu organisieren und zu leiten, um die Geißel des Antisemitismus in den USA zu bekämpfen«, heißt es in dem Bericht. Er fügt hinzu, er hoffe, »dass diese Anstrengung eine Gelegenheit für eine öffentlich-private Partnerschaft darstellt, wenn eine willige Regierung das Weiße Haus besetzt«.
29.10.24

Quelle: www.dropsitenews.com/p/project-2025-israel-heritage-gaza-palestine-protest-trump

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