Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

Bert Brecht hielt nicht viel vom Recht auf geistiges Eigentum. Wir auch nicht. Wir stellen die SoZ kostenlos ins Netz, damit möglichst viele Menschen das darin enthaltene Wissen nutzen und weiterverbreiten. Das heißt jedoch nicht, dass dies nicht Arbeit sei, die honoriert werden muss, weil Menschen davon leben.

Hier können Sie jetzt Spenden
Nur Online PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2024

von Peter Nowak

No Other Land
Dokumentarfilm
2024, 95 min.


Ein Video mit seiner toten Enkelin im Arm machte Scheich Khaled Nabhan weltweit bekannt. Der alte Mann aus dem Gazastreifen zeigte öffentlich die Trauer über den Tod des Kindes. Er wurde zum Gesicht der Zivilbevölkerung im Gazastreifen, die nichts mit der Hamas zu tun hat und trotzdem zum Opfer der israelischen Kriegsführung wird.

Am 16. Dezember 2024 starb auch Khaled Nabhan nach einem israelischen Bombenangriff auf das Flüchtlingslager, in dem er lebte. Er ist einer der wenigen Toten dort, die mit ihren Gesicht und mit ihren Gefühlen bekannt sind.

Zu oft sind es reine Ziffern, wenn wir von Tausenden von Toten im Gazastreifen lesen, die dann im Zweifelsfall auch noch alle mit der islamistischen Hamas in Verbindung gebracht werden. Dabei wird vergessen, dass die Hamas auch im Gaza als Unterdrückerorganisation auftritt. Es ist so wichtig, dass auch die Bewohner:innen im Gaza und in der Westbank ein Gesicht bekommen, dass sie als Menschen gezeigt werden, die Träume und Hoffnungen für ihr Leben haben und sich nicht einfach zu Kollateralschäden in einem Krieg machen lassen, der nicht der ihre ist.

Deshalb ist der Film No Other Land so wichtig. Er gibt Basel Adra ein Gesicht, einem jungen Mann, der in einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Hebron aufgewachsen ist. Schon als Jugendlicher hielt er mit seiner Kamera fest, was in seiner Umgebung passierte. Dazu muss man wissen, dass in Hebron eine kleine Gruppe von israelischen Ultranationalist:innen die palästinensische Bevölkerung täglich provoziert und dabei von den israelischen Soldat:innen oft Rückendeckung bekommt, besonders seit die ultrarechte Regierung an der Macht ist.

Dabei soll nicht vergessen werden, dass in Hebron seit Jahrtausenden auch Jüdinnen und Juden lebten, die dort von palästinensischen Nationalisten 1929 mit Gewalt vertrieben wurde. Das rechtfertigt allerdings nicht das Auftreten der Mehrheit der Siedler:innen in Hebron, die die übrige Bevölkerung nicht als Nachbar:innen betrachtet, mit denen man zusammenleben will, sondern als Feind, den man vertreiben muss.

Einen anderen Weg ist Yuval Abraham gegangen. Der israelische Journalist und Dokumentarfilmer freundete sich mit Basel Adra an. Nur so war es möglich, No other Land zu drehen, einen Film, in dem die Aktivitäten von Adra und seiner Familie im Mittelpunkt steht. Sie wehren sich dagegen, dass sie ihr Haus für einen Übungsplatz der israelischen Armee räumen sollen. Wir sehen im Film die selbstbewußten Menschen, die sich in einem Akt des zivilen Ungehorsams der schwerbewaffneten Polizei und dem Militär entgegen stellen. Ihre einzige Waffen sind ihre Körper.

Die Polizei wird im Film allerdings nicht als schießwütige Rambos gezeigt, manchen Soldat:innen ist es durchaus unangenehm, die Menschen aus ihren Häusern räumen zu müssen. Nachdem ihr Haus abgerissen wurde, kampieren sie weiterhin in der Nähe in provisorisch selbstgebauten Behausungen. Ein Verwandter von Basel Adra wird durch ein Geschoss so schwer am Rücken verletzt, dass er gelähmt ist und später stirbt.

Hier wird auch deutlich, wie gefährlich auch gewaltfreier ziviler Ungehorsam sein kann. Es ist ein Verdienst des Films, etwas vom Mut und Entschlossenheit dieser Menschen vermittelt zu haben. In dem Film kommen keine Islamist:innen vor, wir sehen keine Fanatiker:innen, die Israel auslöschen wollen. Nein, wir sehen Menschen, die einfach nur auf ihrem Land leben wollen und dafür unbewaffnet, aber mit zivilem Ungehorsam kämpfen.

Mit Yuval Abraham sehen wir einen Israeli, der bereit ist, diesen Menschen zuzuhören. Es gibt auch einige Szenen, wo das Machtgefälle zwischen den beiden Männern angesprochen wird. Basel Adra sagt, dass er auch andere Ziele und Träume habe, als immer nur im Widerstand zu sein. Aber er habe anders als sein israelischer Freund nicht die Möglichkeit, durch die Welt zu reisen, sagt er fast resigniert. Doch das stimmt nicht mehr. Der Film machte auch ihn weltbekannt. Bei der Berlinale 2024, wo der Film preisgekrönt wurde, konnten beide Co-Autoren gemeinsam auftreten.

Auch diesem Film wurde vorgeworfen, er würde antisemitische Inhalte verbreiten. Das ist absolut falsch. Im Gegenteil, der Film zeigt am Beispiel von Basel Adra und Yuval Abraham, wie ein Zusammenleben von jüdischen und palästinensischen Menschen aussehen könnte. Dann wäre Gaza frei von der Hamas und in Israel hätten Netanjahu und seine kahanistischen Koalitionspartner:innen keine Macht mehr. Das wäre die einzige Alternative für ein gutes Leben für alle Menschen. Denn der Titel des Films beschreibt die Realität: Es gibt kein anderes Land.

Teile diesen Beitrag:
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen

Folgende HTML-Tags sind erlaubt:
<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>



Spenden

Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF


Schnupperausgabe

Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.


Kommentare als RSS Feed abonnieren