Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2024

Die UN-Klimakonferenz ist immer weniger ein Instrument, die Klimazerstörung zu bekämpfen
dokumentiert

Schon die COP28 im vergangenen Jahr in Dubai (VAE – Vereinigte Arabische Emirate) war kein Ort mehr, an dem Lösungen für die Klimakrise ausgehandelt werden. Es war ein internationaler Handelsplatz für falsche Lösungen und lukrative Kohlenstoffgeschäfte.

Die Macht der Unternehmen innerhalb der COP hat in den letzten Jahren zugenommen. Gefördert werden private »Lösungen« für öffentliche Probleme, von denen die Unternehmen profitieren, während die Menschen die Rechnung bezahlen.
Ein Beispiel ist der Fonds für Schäden und Verluste. Aus ihm soll Geld von den Ländern des globalen Nordens an die Länder des globalen Südens fließen, die wenig zur Krise beigetragen haben, aber mit ihren Folgen kämpfen. Der Fonds sollte auf der COP28 endgültig verabschiedet werden, aber die bereitgestellten Beträge reichten bei weitem nicht aus. Angeblich werden 250 Milliarden US-Dollar benötigt, zugesagt wurden ganze 70 Millionen!
Hingegen wurden Milliarden Euro für einen neuen Private-Equity-Fonds mit Sitz in Dubai zugesagt, der zusammen mit BlackRock und anderen Vermögensverwaltern »Klimainvestitionen« im Süden tätigen will. Das ist keine Hilfe: Die Menschen in den Zielländern müssen das Geld zurückzahlen oder die privatisierte Infrastruktur bei Energie und Transport mit Gebühren belasten.

Agrarkonzerne kolonisieren die COP
Die VAE nutzten ihre Präsidentschaft der COP28, um Lebensmittel und Landwirtschaft zu einem wichtigen Teil der Agenda zu machen. Eigentlich ein längst überfälliges Anliegen. Produktion und Konsum unserer Lebensmittel verursachen jährlich ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen. Gleichzeitig beeinträchtigt der Klimawandel die Fähigkeit von Landwirten, Fischern und anderen, uns zu ernähren, zerstört aber auch ihre eigenen Lebensgrundlagen.
Die COP28 begann denn auch mit einer hochtrabenden Erklärung zu Ernährung und Landwirtschaft, die von über 150 Staatsoberhäuptern unterstützt wurde. Doch die Erklärung ist nicht Teil der aktuellen UN-Klimarahmenkonvention geworden und enthält keine Verpflichtung zu messbaren Zielen oder konkreten Maßnahmen. Im zentralen Text der COP, der die Fortschritte seit Paris aufführt, fehlen Ernährung und Landwirtschaft als Emittenten, es wird nur gesagt, sie müssten sich an den Klimawandel »anpassen«.
Die meisten Lobbyisten der Agrarindustrie waren Teil von nationalen Delegationen, was ihnen direkten Zugang zu Informationen und zu Verhandlungsräumen verschaffte. Die globale Fleischlobby z.B. trat mit Delegierten von mindestens 19 Mitgliedsorganisationen auf. Die Unternehmen nutzten die internationale Medienaufmerksamkeit, um grüne Produkte zu präsentieren.
Die Ankündigung von 7,1 Milliarden US-Dollar neuer Finanzmittel für Ernährung und Landwirtschaft wurde von den Medien mit Begeisterung aufgenommen. Aber niemand fragte nach Rechenschaftspflicht und Transparenz. Fast die Hälfte dieser Fonds fiel unter das Programm »AIM for Climate« der USA und der VAE, eine Initiative, die private und öffentliche Investitionszusagen zusammenfasst. Eine der größten privaten Investitionen, die »AIM for Climate« auf der COP28 verkündete, betraf ein 500-Millionen-Dollar-Agrobusinessprojekt in Nigeria. Nur wenige Tage nachdem AIM for Climate das »bahnbrechende« Projekt angepriesen hatte, belangte die US-Börsenaufsicht das dahinterstehende Unternehmen, die Tingo Inc, wegen Betrugs in Milliardenhöhe.

Kohlenstoffwirtschaft weiter auf dem Tisch
Auch in der strittigen Frage der Kohlenstoffmärkte gab es keine Fortschritte. Für viele war dies eine Erleichterung. Denn zahlreichen Kohlenstoffkompensationsprojekten war betrügerische Buchführung, Landraub und Schäden für lokale Gemeinschaften und indigene Völkern nachgewiesen worden.
Verhandlungen wurden geführt über die Schaffung eines internationalen freiwilligen Kohlenstoffmarkts, in dem Unternehmen die Führung übernehmen sollten – auf der Basis unzureichender Kriterien für die Teilnahme, für eine Emissionsverringerung oder -beseitigung usw. In Ermangelung eines international vereinbarten Rahmens können Unternehmen und Regierungen mit eigenen Initiativen vorpreschen und behaupten, sie würden das Pariser Abkommen einhalten. Während die Unterhändler in Dubai über den Text stritten, waren die Konzerne damit beschäftigt, neue Verträge anzukündigen und zu unterzeichnen.
Unternehmen aus dem Gastgeberland VAE und aus anderen Golfstaaten waren dabei besonders aktiv und sind jetzt eine wichtige Kraft bei der Durchsetzung von Kohlenstoffkompensationen weltweit. Der VAE-Agrargigant Al Dahra, der sich im Besitz von Abu Dhabis Staatsfonds ADQ befindet, kündigte eine Vereinbarung mit dem dänischen Unternehmen Agreena an, aus seinem 55.000 Hektar großen Betrieb in Rumänien, dem größten Ackerbaubetrieb der EU, Emissionsgutschriften zu generieren.
Eine ähnliche Vereinbarung hatte es zuvor zwischen Agreena und dem saudi-arabischen Staatsfonds Public Investment Fund (PIF) gegeben, der die Continental Farmers Group in der Ukraine besitzt. Dort will Agreena auf 153.000 Hektar Ackerland Emissionsgutschriften erzeugen.
Ein weiteres, äußerst umstrittenes VAE-Unternehmen, das die COP zur Unterzeichnung von Klimaschutzverträgen nutzte, war Blue Carbon. In den Monaten vor der COP28 unterzeichnete Blue Carbon Verträge mit den Regierungen von Kenya, Liberia, Tanzania, Zambia und Zimbabwe, aber auch Papua-Neuguinea und St.Lucia über eine Gesamtfläche von mehr als 24 Millionen Hektar Land. Die lokalen Gemeinschaften aus mehreren dieser Länder haben gesagt, dass sie nicht zu den Geschäften konsultiert wurden, obwohl es um ihre Wälder geht. Liberia etwa hat den VAE 30 Jahre lang die Kontrolle über 10 Prozent seiner Wälder eingeräumt.
Auch Qatar bemüht sich intensiv um die Kompensation von Kohlenstoff aus der Landwirtschaft mittels eines Unternehmens namens Green Economy Partnership (GEP), das ebenfalls auf der COP28 vertreten war. GEP begann als Koalition der Regierungen von Uganda, Malawi, Zanzibar, Guinea-Bissau und der DR Kongo zusammen mit dem französischen Unternehmen Gaussin. Für einen Anteil von 20 Prozent will es den Abbau von Kohlenstoffemissionen in der Subsistenzlandwirtschaft und auf agroforstwirtschaftlichen Flächen registrieren und auf dem Weltmarkt verkaufen.
Ein weiterer Akteur, der im Bereich des Kohlenstoffemissionshandels rasch an Einfluss gewinnt, ist Jeff Bezos. Der Bezos Earth Fund und viele andere seiner Unternehmungen sind eng mit den größten Lebensmittel- und Agrarkonzernen der Welt verbunden. Sein Unternehmen Amazon setzt auf Kohlenstoffkompensationen, um den eigenen massiven Kohlenstofffußabdruck auszugleichen, insbesondere durch Projekte im Amazonasbecken, wo Bezos’ Stiftung über 50 Millionen USD für den Umweltschutz und für indigene Gemeinschaften gespendet hat.

Wie weiter mit den sozialen Bewegungen?
Die Klima-COP ist kein Prozess, den die sozialen Bewegungen ignorieren können. Wir brauchen ein gewisses Maß an Zusammenarbeit zwischen den Regierungen zur Bewältigung der Klimakrise, und derzeit gibt es keine Alternative zur Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, um dies zu erreichen. Doch Politikgestaltung ist mit Unternehmensinteressen verflochten und die COP ist zu einem Multimilliarden-Dollar-Marktplatz für Kohlenstoff geworden.
In den sozialen Bewegungen herrscht ein starker und wachsender Konsens darüber, was wahre und was falsche Klimalösungen sind. Die falschen Ansätze sind die marktwirtschaftlichen, bei denen Eliten zu ihrem Vorteil nach Land und Ressourcen greifen und mit Kompensationen hausieren gehen.
Mit Blick auf die COP29 in Baku oder die COP30 in Belém sehen wir große Herausforderungen. Das aserbaidschanische Organisationskomitee schließt Frauen aus. Und die engen Beziehungen der brasilianischen Regierung zur Agrarindustrie und zu Ölgesellschaften birgt eigene Risiken. Brasilien kam nach Dubai mit 36 Vertretern der Fleischindustrie in seiner Delegation und einem Plan zur Erschließung von 40 Millionen Hektar Weideland. Zum Abschluss der Gespräche hat Lulas Regierung eine Rekordzahl von Konzessionen für Gas- und Ölbohrungen ausgeschrieben, auf dem Spiel stehen 2 Prozent der Fläche des Landes.
Unternehmen und Regierungen machen aus der COP Klimaschutz ein Davos, wo Öl- und Kompensationsgeschäfte unter dem Banner des Klimaschutzes vorangetrieben werden.
Wir müssen diese Blase platzen lassen.

* Quelle: https://grain.org/en/article/7104-the-davos-isation-of-the-climate-cop

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