Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 01/2025

Bremen: Sujet Verlag, 2024. 563 S., 29,80 Euro
von Ayse Tekin

»Wenn mein Mann mich über seine Flucht informiert hätte, warum sollte ich hierbleiben und darauf warten, dass ich festgenommen werde? Wenn Ihre Frau flüchten würde, würden Sie dann zu Hause auf sie warten? Hätte ich gewusst, dass er fliehen wird, wäre ich zumindest in Erzincan, damit ich ihm helfen kann.« So Gülsen zu dem Offizier, der sie ins Revier mitgenommen hat um zu fragen, wo ihr Mann sein könnte. So sind alle Frauen in Sankofa, Dogan Akhanlis posthum erschienenem Buch: direkt, herausfordernd und kämpferisch.

Was nicht heißt, dass die Männer nicht kämpfen, aber die Selbstverständlichkeit, mit der die Mutter von Tayfun, der aus dem Gefängnis durch einen selbstgebauten Tunnel geflohen ist, davon ausgeht, dass ihr Sohn nichts Falsches machen würde, wenn der Staat ein »ordentlicher Staat« wäre, ist verblüffend und stärkend. So sind auch die anderen Frauen, Gülsen, Esra/Maria, Lisa oder May, die ihr Leben selbst gestalten, dabei stets auf Solidarität setzen.
Der Autor erzählt in Sankofa die Geschichten mehrerer Charaktere, bei denen die Lesenden – zumindest die aus Köln und Berlin – sich fragen werden, um wen es geht. Die Figuren und die politischen Geschehnisse in der Zeit – von den 80er Jahren bis 2020 –, in der dieser Roman spielt, sind so miteinander verwoben, dass am Ende das Gefühl bleibt, es wird live über unsere Zeit und unser Leben berichtet. Nicht nur in Köln und Berlin – auch wenn Köln eine wichtige Rolle spielt –, sondern über Savsat im Nordosten der Türkei, Elazig, Sivas, Diyarbakir, München, Christchurch, bis nach Minneapolis!
Dogan Akhanli ist 1957 im Nordosten der Türkei geboren, 2021 starb er in Berlin. Er war nicht nur ein Literat, sondern ein politischer Aktivist, weshalb er aus der Türkei nach Deutschland fliehen musste. Seine Bücher hat er überwiegend in Köln geschrieben. Sein letzter Roman Sankofa ist ein hochpolitisches Buch, obwohl nicht Politik im Zentrum des Buches steht, sondern die Menschen. Er hat mehreren Figuren Leben eingehaucht, bei denen die Lesenden sich fragen werden: wer ist jetzt wer und wo bin ich?, aber alle Stränge treffen sich irgendwann, wenn man nur weiterliest. Es ist ein hochkomplexes Buch, aber weder schwierig noch anstrengend.

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