Auf Scheitern programmiert
von Ingo Schmidt
Steuern runter, Zölle rauf. Bürokraten weg, illegale Einwanderer raus: vier Schlagworte, mit denen Donald Trump die Absichten für seine zweite Amtszeit umreißt.
Eher nebenbei ist auch davon die Rede, Budgetdefizite und Staatsschulden zu senken. Und vielleicht den Dollar abzuwerten. Das ist nicht sehr verschieden von Trump 1.0. Nur dass damals Mauerbau, nicht Abschiebung, das bevorzugte Mittel war, um die Zahl der Einwanderer im Land zu begrenzen.
Es ist auch nicht sehr verschieden von dem Programm, mit dem Ronald Reagan 1980 zur Präsidentschaftswahl antrat.
Nur war Einwanderung damals kein großes Thema. Reagan wollte auch keine Mauern bauen. Den letzten Staats- und Parteichef der Sowjetunion rief er in Westberlin zum Niederreißen der Mauer auf. An der Grenze zu Kanada setzte er sich für den Abbau von Zollmauern ein, ein Vorhaben, dass später zur nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA, unter Einschluss Mexikos, erweitert und damit Vorbild für Freihandelsverträge in anderen Weltgegenden bis hin zur Welthandelsorganisation wurde.
Trotz Übereinstimmung in allen anderen Programmpunkten ist bei Trump alles anders als bei dem Paten Reagan. Mit seinem Aufruf Make America Great Again traf Reagan einen Nerv. Mit großen Mehrheiten gewann er zwei aufeinanderfolgende Wahlen. Trump kann erst nach einer verlorenen Wahl eine zweite Amtszeit antreten, ist aber nicht der strahlende Wahlsieger, der Reagan einst war.
Reagan: Freihandel statt Mauern
Reagan spielte den Sonny Boy, der den Amerikanern Wechsel auf eine bessere Zukunft ausstellte. Sein Wiedergänger Trump ist ein Wutbürger, der Angst hat, dass internationale Investoren amerikanische Staatsanleihen nicht mehr als sichere Anlage betrachten, sondern herabstufen, im schlimmsten Fall zu Junk Bonds erklären.
Solche Ängste gab es auch in der Amtszeit Reagans. Nicht im Weißen Haus, sondern bei vielen Ökonomen, die Reagans Kampfansage an den Staatsinterventionismus positiv gegenüberstanden, aber feststellen mussten, dass, entgegen ihren theoretischen Modellen, massive Senkungen der Unternehmensteuern nicht zu einem Investitionsboom und steigenden Steuereinnahmen trotz verringerter Steuersätze führten. Dass die Staatsausgaben nicht, wie von ihnen erhofft, gekürzt wurden, weil Reagan den Rüstungswettlauf mit der UdSSR intensivierte. Die Mischung aus Steuersenkungen und damit verbundenen Einnahmeausfällen, in etwa gleichbleibenden Staatsausgaben bei gleichzeitiger Umschichtung von Zivil- zu Militärausgaben und lahmenden Privatinvestitionen führte zu steigenden Haushaltsdefiziten.
Dazu kamen steigende Handelsbilanzdefizite. Im Zuge des Nachkriegsaufschwungs waren in Deutschland und Japan Exportindustrien entstanden, die amerikanischen Herstellern zunehmend Konkurrenz machten. Zumal bei hohen Dollarkursen. Und die Kurse waren hoch, weil die extreme Hochzinspolitik, mit der die US-Zentralbank die Inflation der späten 1970er Jahren bekämpfte, die Nachfrage nach amerikanischen Anlagen, einschließlich Staatspapieren, erhöhte, obwohl die hohen Zinsen zwischen 1979 und 1983 zwei Rezessionen ausgelöst hatten.
Während Ökonomen angesichts des Zwillingsdefizits von Staatshaushalt und Handelsbilanz vor einer Staatspleite warnten, lernten amerikanische Wirtschaftspolitiker, internationale Investoren und Handelsunternehmen, dass US-Schulden kein Problem, sondern ein gutes Geschäft sind. Bis zur Weltwirtschaftskrise 2008/2009 genossen die USA unbegrenzten Kredit, galten Dollaranlagen als rentierlich und in Zeiten wirtschaftlicher und politischer Turbulenzen in anderen Weltgegenden als sicherer Anlageort.
Damit war die Finanzierung von Defiziten in Handelsbilanz, Staatshaushalt und zunehmend auch in privaten Haushalten gesichert – samt des damit verbundenen Konsums über die inländische Produktion hinaus. Die Weltwirtschaftskrise, die von den amerikanischen Immobilien- und Finanzmärkten ausging, hat das Vertrauen der Investoren jedoch erschüttert. Mit staatlichen Rettungspaketen für die private Finanzwirtschaft konnte es wiederhergestellt werden.
Wie vor der Krise haben die USA keine Schwierigkeiten, ihre Defizite zu finanzieren. Dafür haben ihre politischen Eliten mit ihrer großzügigen Rettung der Wall Street das Vertrauen der Main Street verspielt. Es kam zu einer populistischen Bewegung gegen die Globalisierung. Auf der Linken reichte diese von Occupy Wall Street bis zu Bernie-Sanders-Kampagne um die Präsidentschaftskandidatur 2020. Auf der Rechten führte sie über die Tea Party zu Trump.
Trump: Mann der Elite
Mit Trump wurde ein Vertreter der Wirtschaftselite zum Sprachrohr des Protests gegen die politischen Eliten samt der von ihnen über Jahrzehnte zum Vorteil der Wirtschaftseliten und Vermögensbesitzer betriebenen Freihandelspolitik. Populistische Avancen verschafften ihm genug Stimmen unter den nicht so gut Verdienenden, um Wahlen zu gewinnen, bei denen die Schlechtverdienenden wieder einmal keinen Grund zur Stimmabgabe fanden.
Trotzdem ist Trump der Mann der Gutverdienenden. Denen bzw. den Firmen, aus denen sie ihr Einkommen beziehen, hat er in seiner ersten Amtszeit großzügig Steuern erlassen. Wie schon unter Reagan führten Einnahmeausfälle schon vor der Corona-Rezession zu einem steigenden Haushaltsdefizit.
Ganz im Sinne seines protektionistischen Versprechens, ins Ausland, vor allem nach China und Mexiko abgewanderte Jobs nach Amerika zurückzubringen, kündigte er den NAFTA-Vertrag, verhängte Zölle auf chinesische Importe und verschonte auch Waren Made in Europe nicht. Die europäischen, insbesondere deutschen Handelsbilanzüberschüsse gegenüber den USA waren Trump ein Dorn im Auge.
Obwohl sie genau genommen ein Geschenk waren, weil die Rückzahlung der zur Finanzierung dieser Überschüsse notwendigen Kredite nicht ernsthaft erwartet werden konnte. Gleich ob diese Überschüsse aus Europa, China, Mexiko oder Kanada stammen. Amerika ist vielleicht nicht so »great«, wie es einmal war, aber immer noch ein besonderer Schuldner mit weiterhin fast unbegrenztem Kredit.
Da wundert es auch nicht, dass das Handelsdefizit unter Trump 1.0 weiter zunahm. Statt der von vielen Wählern erhofften Rückkehr ordentlich bezahlter Arbeitsplätze in der Industrie stieg die Zahl schlecht bezahlter Dienstleistungsjobs, während Mieten und Grundstückspreise von einem Rekordwert zum nächsten stiegen, als habe es die Immobilienkrise 2006/2007 nie gegeben.
Den Job als Vertreter der Gutverdienenden hat Trump in seiner ersten Amtszeit gut gemacht. Gemessen an seinen politischen Versprechungen ist er gescheitert, sodass selbst Joe Biden mit seinem wenig überzeugenden Versuch, Teile von Sanders’ linkspopulistischem Programm mit Ansprüchen der oberen Klassen zu verbinden, die Wahlen 2020 gewinnen konnte. Kamala Harris ersetzte Sanders’ Linkspopulismus 2024 durch Warnungen vor dem Faschisten Trump. Umgekehrte stellte Trump Harris als Kandidatin einer abgehobenen Elite dar und präsentierte sich wieder als Mann des einfachen Volkes. Bei den Wahlen hatte er damit Erfolg. Als Präsident wird er scheitern.
Bald unbeliebt
Den Wiederaufschwung nach der Corona-Rezession und Russlands Angriff auf die Ukraine und die damit verbundenen Unsicherheiten über die Energieversorgung nutzten Unternehmen zu drastischen Preiserhöhungen. Bidens industriepolitische Ausgabenprogramme gaben Anlass zu weiteren Preissteigerungen. Harris hat die Auswirkungen der Inflation auf die Realeinkommen weniger gut verdienender US-Bürger und die damit verbundene Wut in ihrer Wahlkampagne ignoriert. Zu ihrem politischen Nachteil.
Trump muss sich nun damit herumschlagen, dass die zur Inflationsbekämpfung erfolgten Zinserhöhungen Kapital ins Land locken, den Dollarkurs in die Höhe treiben, US-Exporte damit verteuern, Importe in die USA aber verbilligen. Um das amerikanische Handelsbilanzdefizit zu senken, bräuchte es eine Abwertung des Dollars. In einer wirtschaftlich ähnlichen Situation konnte Reagan mit Deutschland, Japan und Großbritannien im Plaza-Abkommen von1985 eine Abwertung aushandeln. Ähnliches wird Trump kaum gelingen.
Um sich als Mann des einfachen Volkes zu profilieren und das Scheitern seiner ersten Präsidentschaft vergessen zu machen, hat Trump seine protektionistische Rhetorik verschärft. Wie stark er Zölle tatsächlich anheben wird, ist völlig ungewiss. Doch das »Investitionsklima«, soweit es Produktion und Handel von Gütern und Dienstleistungen angeht, hat sich eingetrübt, das »diplomatische Klima« ist vergiftet.
Trump setzt auch gar nicht auf internationale Kooperation, sondern fabuliert über präsidialen Zugriff auf die amerikanische Geldpolitik. Und verschreckt damit selbst seine eigenen Elitezirkel. Dort gilt die Unabhängigkeit der Zentralbank weithin als Unterpfand der Rolle des Dollars als Weltgeld samt der damit verbundenen Kreditwürdigkeit.
Sollte es zu starken Zollerhöhungen kommen, werden, zumindest kurzfristig, anstelle der erhofften Jobs aus Übersee höhere Preise für weiterhin importierte Waren kommen. Auch die Massenabschiebung von illegalen Migranten, sprich: besonders billigen Arbeitskräften, wird, wenn es dazu kommt, die Preise in die Höhe treiben. Der Unmut darüber wird wieder den Präsidenten treffen. Nur ist es diesmal Trump, nicht Biden.
Er wird bald unbeliebt werden: in den eigenen Kreisen, beim einfachen Volk und auf internationaler Bühne.
Ingo Schmidt ist marxistischer Ökonom und lebt in Kanada und Deutschland.
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