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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 02/2025

Vernetzung von Betrieben in der Hand der Arbeitenden
von Elisabeth Voß

Angesicht sich zuspitzender Krisen sind Gegenwehr und Alternativen notwendiger denn je. Seit zehn Jahren vernetzen sich europäische Betriebe, die von den Beschäftigten übernommen wurden. Von Anfang an lag der Schwerpunkt auf dem Mittelmeerraum und öffnete sich auch für Neugründungen ohne Vorgeschichte von Betriebsbesetzungen. Willkommen wären ebenfalls Betriebe aus anderen europäischen Ländern, die sind aber bislang nicht vertreten.

Manfred Neugroda berichtete in SoZ 9/2024 über die bisherigen drei Treffen: 2014 in der Nähe von Marseille bei Scop Ti, 2016 bei Vio.Me in Thessaloniki und 2019 in Mailand bei RiMaflow. Dort wurden gemeinsame Vorhaben zur gegenseitigen praktischen Unterstützung diskutiert: Ein direkter Warenaustausch zwischen den Projekten, die Ausweitung des solidarischen Handels mit einem europaweiten Netzwerk von Verkaufsstellen und ein Kooperativenfonds, in den alle beteiligten Gruppen etwas einzahlen, je nach Umsatz, und aus dem sie sich zinsfrei Geld leihen können, um Maschinen und Gebäuden zu finanzieren.
Bisher blieben das schöne Ideen. Es gibt Kontakte und Austausch zwischen einzelnen Betrieben, aber ein gemeinsames ökonomisches Netzwerk ist bislang nicht zustande gekommen. Selbstverwaltung macht viel Arbeit und so bleibt kaum Zeit, nebenbei noch Vernetzungsstrukturen aufzubauen. Hinzu kommt, dass die Corona-Zeit den Vernetzungsprozess ins Stocken gebracht hat.

Das vierte Europäische Treffen in Barcelona
Erst nach fünf Jahren, im Oktober 2024, fand wieder ein Workers-Economy-Treffen statt, diesmal in Barcelona, im Sozialen Zentrum Can Batlló. Eingeladen hatte die anarchosyndikalistische Gewerkschaft CGT in Kooperation mit der Stiftung Salvador Segui. Während bisher zwischen 150 und 300 Leute zu den Treffen kamen, waren diesmal kaum mehr als 40 Teilnehmende dabei.
Einige Wissenschaftler:innen waren extra aus Lateinamerika angereist. Aus Barcelona nahm das Verlags- und Druckereikollektiv Descontrol teil, dessen Betriebsräume im Can Batlló wir besichtigen konnten. Ebenfalls aus Barcelona kam ein Vertreter von el Poblet. Die »Genossenschaft für gesellschaftliche Transformation durch Selbstorganisation und Vernetzung« betreibt in der Carrer Independencia ein Zentrum mit verschiedenen Beratungs- und Kurs­angeboten und hat eine eigene Währung.
Aus Thessaloniki waren Kolleg:innen von Vio.Me gekommen, der noch immer besetzten, nun aber räumlich eingeschränkten Fabrik (die SoZ hat mehrmals berichtet). Ebenfalls aus Thessaloniki kamen Kollektivist:innen vom Café Pagkaki, das 2009 von jungen Erwerbslosen gegründet wurde. Es bietet Produkte aus alternativem und solidarischem Handel zu möglichst günstigen Preisen an.
Die neu gegründete Genossenschaft GKN For Future (GFF) war mit einem Vorstandsmitglied vertreten, das über das Fabrikkollektiv von GKN in Florenz berichtete. Seit 2021 hält eine Kernbelegschaft eine als ständige Betriebsversammlung deklarierte Besetzung ab. Die Genossenschaft hat weit über eine Million Euro Einlagen von vielen solidarischen Mitgliedern – auch aus Deutschland – gesammelt. Kathy Ziegler berichtete in SoZ 11/2024 über die Genossenschaftsversammlung, die zeitgleich zum Treffen in Barcelona stattfand.
Der GKN-Kollege war auch für RiMaflow gekommen, beide Kollektive sind Teil des Netzwerks Fuorimercato, das Austauschbeziehungen außerhalb des Marktes organisiert. Ebenfalls von Fuorimercato waren Vertreter:innen von Solidaria aus Bari und Contadinazioni aus Sizilien dabei. Das Kollektiv von Einheimischen und Geflüchteten in Bari produziert die ausbeutungsfreie Tomatensauce SfruttaZero, die auf jedem Glas das Foto eines Kollektivmitglieds abbildet. Die Initiative ContadinAzioni unterstützt Wanderarbeiter:innen in ihren Kämpfen und beim Aufbau selbstverwalteter Betriebe.
Ein Kollege aus Berlin gab einen Input zur Demokratischen Arbeitszeitrechnung von der gleichnamigen Initiative (IDA).
Die Vernetzungstreffen hatten immer auch eine solidarische internationalistische Perspektive über Europa hinaus. 2016 war eine Genossin aus Rojava zugeschaltet, 2019 haben wir eine Solidaritätserklärung mit den Zapatistas in Chiapas verabschiedet.
Diesmal waren zwei Vertreter:innen des palästinensischen Popular Art Centre per Zoom dabei und berichteten von ihrer Arbeit unter erschwerten Bedingungen. Seit 1987 arbeiten sie für eine freie palästinensische Gesellschaft. Neben kulturellen Angeboten unterstützen sie junge Menschen und Frauen dabei, sich eine Existenzgrundlage in landwirtschaftlichen Kooperativen aufzubauen.

Wie weiter?
Es war ein schönes Wiedersehen, aber von der Aufbruchstimmung der vorherigen Treffen war in Barcelona nichts zu spüren. Mehrfach wurde die Unmöglichkeit benannt, die drei Ziele: sinnstiftende Arbeit, sinnvolle Produkte und günstige Preise gleichzeitig umsetzen zu können. Viele Fragen, wie bspw. die nach einem klaren Blick auf die sich verschärfenden Verhältnisse, nach einem gemeinsamen Selbstverständnis oder nach dem Umgang mit öffentlicher Förderung, wurden angesprochen. Deutlich war der Wunsch nach weiterer Zusammenarbeit, dass es ein langer Prozess ist und dass das nächste Treffen größer werden soll. Jedoch fanden sich keine Verantwortlichen dafür, und so bleibt nur die Hoffnung, dass das vielleicht eine von den nicht dabei gewesenen Gruppen in die Hand nimmt.

Die Autorin war auch 2016 und 2019 dabei, hat über das Treffen 2016 auf workerscontrol.net berichtet und sammelt hier Infos zum Europäischen Workers-Economy-Netzwerk: http://workerseconomy.
solioeko.de
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