Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 02/2025

Die Beiträge zu den Präsidentschaftswahlen zeigen die Tendenzen der Parteien.

Dabei scheint sich die Linke darauf zu besinnen auch die Mehrheit – also Arbeit und Kapital - in den Blick zu bekommen.

Jetzt ist es amtlich, die erste Runde der Präsidentschaftswahlen findet am 18. Mai statt, wie oko.press am 09. Januar meldet. Wird sich die Abneigung gegen die Regierung oder die Abneigung gegen die PiS durchsetzen? Die Ressentiments gegenüber den Regierenden und die allgemeine Enttäuschung über die Lage im Land haben zwar noch keine alarmierenden Ausmaße angenommen, aber die Warnstufe ist bereits überschritten.

Wahlen zum Präsident/In Polens https.//studioopinii.pl 02. 01. 2025

Die Wahlen finden also an Sonntagen im Mai statt, der Parlamentspräsident kann den Termin aus rechtlichen Gründen erst nach dem 15. Januar bekannt geben. Nun hat er es wohl übersehen. Der Verfasser des Artikels: „Wogegen werden die derzeitigen Kandidaten ihr Veto einlegen?“ befasst sich also nicht mit den Versprechen der Kandidatin und der Kandidaten. Wir sehen am jetzigen Präsidenten wie er durch sein Veto – eines seiner wenigen Mittel – die Regierungsarbeit blockieren kann.

Rafal Trzaskowski Kandidat der Bürger Koalition

Generell kann man von Rafal Trzaskowski als künftigem Präsidenten erwarten, dass er die Blockaden für Reformen zur Wiederherstellung der demokratischen Mechanismen und der Rechtsstaatlichkeit aufhebt, dass er in der Außen- und Verteidigungspolitik gut mit der derzeitigen Regierung zusammenarbeitet, dass er die Rechte von Frauen und moralischen Minderheiten achtet, dass er die weltanschauliche Neutralität und den säkularen Charakter des Staates respektiert und dass er die kommunalen und nichtstaatlichen zivilgesellschaftlichen Einrichtungen und Organisationen schützt. Unklar ist jedoch, ob und inwieweit er seinen Auftrag nutzen wird, um soziale Rechte zu verteidigen und die Entwicklung sozialer Dienstleistungen zu fördern sowie Lösungen zu blockieren, die dem Umweltschutz, der Klimapolitik und der Energiewende abträglich sind.

Karol Nawrocki Kandidat der PiS

Die hauptsächlich blockierende Rolle von K. Nawrocki könnte sich im zweiten Teil seiner möglichen Präsidentschaft ändern, sollte die PiS nach den nächsten Wahlen wieder an die Macht kommen. In einer solchen Situation ist zu erwarten, dass er die uns bereits aus der Funktionsweise des „PAD“ (Präsident Andrzej Duda)bekannte Rolle eines Schreibers übernehmen wird, der die Handlungen von J. Kaczynski billigt. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass er irgendwann eine eigenständige Rolle auf der politischen Bühne spielen und Führer einer der Fraktionen der polnischen Rechten werden möchte. Vorerst ist jedoch nicht absehbar, ob er seinen Platz in der gemäßigten rechten Mitte finden wird oder ob er der extremen und nationalistischen Rechten näher steht. Bislang deuten seine Ansichten eher auf Letzteres hin, aber in einigen Jahren wird alles davon abhängen, wie sich das künftige Gleichgewicht der politischen Kräfte gestaltet.

Szymon Holownia Polska 2025 und Partner der PSL

Wie die anderen Mitglieder der Demokratischen Koalition wird er natürlich die Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit, Unabhängigkeit der öffentlichen Medien und die Rückkehr zur demokratischen Verfahren in Beziehung zur Kultur und Wissenschaft unterstützen. Fraglich erscheint es zu sein, wie er die Bereiche unterstützen würde, die mit der Weltanschauung zu tun haben. Das Verhältnis von Kirche und Staat, dem Recht der Frauen auf Abtreibung – da hat er schon seine Absicht erklärt sein Veto einzulegen. Dies könnte ein Zeichen dafür sein, dass er die traditionellen katholischen Werte auch in anderen Fragen (wie z.B. Lebenspartnerschaften, die Präsenz religiöser Symbole oder die Rolle der Kirche im Bildungswesen) verteidigen wird und so die Politik der Kirche unterordnen könnte

Andererseits ist die Position von S. Holownia in Bezug auf soziale und wirtschaftliche Probleme schlecht definiert. Einerseits scheint er sich (als Kandidat, der auch von der PSL unterstützt wird) als Verfechter von Unternehmern und liberalen Lösungen zu präsentieren, andererseits scheint die Haltung von Polen 2050 zum Projekt des %-Kredits auf seine Skepsis gegenüber neoliberalen Wirtschaftsrezepten hinzuweisen. Es ist daher zu erwarten, dass er sein Veto gegen mögliche Vorschläge einlegen wird, die auf die Privatisierung und den Rückzug des Staates aus der Erbringung von Sozialleistungen abzielen.

Magdalena Biejat Kandidatin der Linken – ehemalige Ko-Vorsitzende RAZEM

Nach acht Präsidentschaftswahlen ist Magdalena Biejat erst die fünfte Frau als Kandidatin. Keine der bisherigen Kandidatinnen hat mehr als 2,8 Prozent der Stimmen erhalten.

Anders als zu erwarten, legte M. Biejat bei ihrer Vorstellung auf dem Parteitag der Linken den Schwerpunkt nicht auf die Rechte von Frauen und sexuellen Minderheiten - die für die bisher linksorientierten Jungwähler aus den Großstädten wichtig sind -, sondern auf Fragen der sozialen Gerechtigkeit und Sicherheit, nicht nur aus internationaler und strategischer Sicht, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der individuellen sozialen und wirtschaftlichen Sicherheit. Dies scheint darauf hinzudeuten, dass sie nicht nur die bisher überwiegend liberale und großstädtische Wählerschaft der Linken mit ihrer Kandidatur erreichen will, sondern auch den Versuch unternimmt, die Attraktivität einer linken Alternative für Wähler aus kleineren Zentren aufzuzeigen, für die ihre Existenzprobleme wichtiger sind als Auseinandersetzungen über die Ausgestaltung der Demokratie oder Minderheitenrechte. Der weitere Verlauf des Wahlkampfes wird zeigen, ob dieses Manöver im Hinblick auf den Wahlausgang erfolgreich sein wird.

Andererseits kann man sich schon fragen, was dies für die Rolle von Frau Biejat als mögliche zukünftige Präsidentin bedeutet. Als Vertreterin der Partei, die die derzeitige Regierungskoalition bildet, wird sie in ihrer Rolle als Präsidentin sicherlich Initiativen zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Justiz und demokratischer Standards für das Funktionieren des Staates nicht blockieren. Sie wird sicherlich auch Initiativen zur Trennung von Kirche und Staat und zur Achtung der Rechte von Minderheiten (einschließlich sexueller Minderheiten) befürworten. Auch in internationalen Fragen ist zu erwarten, dass sie sich für eine stärkere Rolle Polens und eine tiefere Integration in die EU einsetzen wird. In der zweiten Hälfte ihrer Amtszeit (im Falle einer möglichen Wiederwahl der PiS) wird sie sicherlich in der Lage sein, als Hüterin der Verfassung und als Bollwerk gegen die Rückkehr totalitärer und nationalistischer Tendenzen zu agieren. In all diesen Fragen wird ihr Handeln wahrscheinlich sehr nahe an dem sein, was uns die mögliche Präsidentschaft von R. Trzaskowski bietet.

Eine Besonderheit der möglichen Präsidentschaft von M. Biejat wird wahrscheinlich die Blockierung möglicher Vorschläge (wenn überhaupt) sowohl der derzeitigen als auch der künftigen Regierung sein, die zu einem Abbau der sozialen Rechte und des Niveaus der Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen führen.

Vielleicht wird sie uns als Hüterin der Verfassung an deren Bestimmung erinnern, dass „die Republik Polen ein Staat ... ist, der die Grundsätze der sozialen Gerechtigkeit umsetzt“, und dass sie ein Kapitel über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte enthält, wie z. B.: die Verfolgung einer Politik der Vollbeschäftigung durch den Staat, das Recht auf soziale Sicherheit, das Recht auf Gesundheitsversorgung, das Recht auf Bildung und so weiter.

S?awomir Mentzen Kandidat der Konföderation

Angesichts des Charakters des Programms des Bundes als politischer Unterstützer dieser Kandidatur kann man von ihm Aktionen erwarten, die auf zwei Themen ausgerichtet sind. In wirtschaftlichen und sozialen Fragen auf den Schutz der wirtschaftlichen Freiheit und die Minimierung der sozialen und interventionistischen Funktionen des Staates und die Unterstützung von Lösungen neoliberaler oder sogar libertärer Natur und die Betonung der Privatisierung der öffentlichen Dienste. Andererseits in internationalen Fragen und der Funktionsweise des Staates, die einerseits auf den Schutz der traditionell verstandenen Souveränität und die Einschränkung von Minderheitenrechten und die Skepsis gegenüber der Integration in die EU ausgerichtet sind.

Infolgedessen ist nach der möglichen Präsidentschaft von S. Mentzen zu erwarten, dass er die Bemühungen der Regierung zur Vertiefung unserer Beteiligung an der EU blockieren, Reformen der öffentlichen Sozialsysteme zurückhalten wird (insbesondere wenn dies eine Erhöhung der Steuerlast erfordert) und die Entkopplung der Justiz von der Politik nicht konsequent unterstützt.

Wahrscheinlich wird S. Mentzen wird sich nicht als entscheidendes Hindernis für die Umsetzung der von der jetzigen Regierung angekündigten Änderungen in der Justiz und der Rechtspflege erweisen, aber er wird auch nicht ihr konstruktiver Verbündeter sein.

Die hier zusammengefassten Charakteristika der zukünftigen Handlungsmöglichkeiten der derzeitigen Kandidaten werden wahrscheinlich nicht darüber entscheiden, wer von ihnen die Wahl gewinnen wird. Die Art und Weise, wie der Wahlkampf geführt wird, die Glaubwürdigkeit der Kandidaten und ihrer Vorschläge oder ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit durch bestimmte Wählergruppen haben wir hier nicht berücksichtigt. Es lohnt sich jedoch, sich bewusst zu machen, was wir von ihnen tatsächlich erwarten können.

Sagt Janusz J. Tomidajewicz Em. Professor für Wirtschaftswissenschaften an der UEP und der Universität von Zielona Gora. Gründer der Arbeiterunion und langjähriges Mitglied ihrer nationalen und regionalen Gremien.

Wird Trzaskowski dem Druck gewachsen sein? POLITYKA, 08. 01. 2025

Im Augenblick liegt Trzaskowski, der Bürgermeister von Warschau und Kandidat für das Amt des Präsidenten von der Bürger Koalition vorn.- 7,5 Punkte vor Nawrocki, dem Kandidaten der PiS. Im zweiten Wahlgang hätte er demnach 56,2% gegenüber 35,9 von Nawrocki. Jedoch darf dabei nicht vergessen werden, dass Trzaskowski seit langem als Kandidat den Bürgern bekannt ist. Die anderen Kandidaten kamen erst kürzlich dazu und so ist es klar, dass er seit Wochen die Liste der Kandidaten anführt. Bei der PiS wussten bis vor kurzem die wenigsten wer Karol Nawrocki ist, aber sicherlich wird sich sein Abstand zu Trzaskowski verringern, denn dies könnte konservative Kreise mobilisieren.

Es besteht für Trzaskowski die Gefahr, dass für seine Anhänger zu siegessicher werden und meinen die Tour sei schon gewonnen. Bei seinen Wahlkampagnen hat er bisher größere Städte vermieden, um zu zeigen, dass er auch die Provinz im Blick hat.

In Gliwice war der größte Teil seiner Rede war der Sicherheit gewidmet. Er sprach auch viel über Gemeinschaft, Tradition, die Interessen der polnischen Landwirte und Wirtschaftspatriotismus, die polnischen Provinzen und Zentren außerhalb Warschaus. Trzaskowski betonte seine Kontakte
mit lokalen Regierungsvertretern aus Ortschaften wie Chrzanow oder Zdunska Wola und dass er dank ständiger Gespräche mit ihnen weiß, wie die Probleme Polens außerhalb Warschaus aussehen.

Die PiS wird ihm auch den Stempel einer extrem Anti-Klerikalen, extremen Linken und ultra- progressiven aufdrücken. So betonte er auch in Gliwice seine Achtung vor Traditionen, hier besonders der Bergleute, besuchte die Gräber vom katholischen Priester Popie?uszko (1984 vom Geheimdienst ermordet) und Tischner (Philosoph und kath. Theologe), den er sogar in seiner Neujahrsbotschaft zitierte. Ob ihm das die Provinz abnimmt? Oder ob das seine Anhänger abstößt? Er sprich auch davon, dass den Frauen alle Rechte zustehen. Ob es allerdings die Frauen überzeugen wird, die seit dem Oktober 23 darauf warten, dass das Gesetz zum Verbot des Schwangerschaftsbruchs endlich in die Mottenkiste kommt!? Viele haben sich frustriert von der Politik abgewandt. So können diese Wahlen auch eine Abrechnung mit Tusk und seiner Regierung werden.

Sollte Nawrocki gewinnen, so wird er alles dafür tun, damit die PiS noch vor 2027 an die Regierung kommt. Er wird für noch mehr Chaos in der Regierung sorgen und eine Politik betreiben, die das Land in einen Abgrund führen würde.

Zur Bilanz 2024:


Prof. Stanislaw Obirek:

Der Wahlsieg der demokratischen Koalition am 15.10.2023 kann noch nicht zu einem echten Sieg der Demokratie führen. Die Zerstörungen zwischen 2015 und 2023 waren zu tief und die Strukturen des Rechtsstaates zu schwer verletzt, als dass sie schnell und effizient repariert werden könnten. Vielleicht wird das neue Jahr 2025 das ändern? Hoffen wir es.

Jerzy Domanski, Chefredakteur Przeglad:

Das Verhalten der drei stellvertretenden Generalstaatsanwälte - die von Ziobro ernannt wurden, ist ein Musterbeispiel für die Schwierigkeiten, die Adam Bodnar (Justizminister) heute hat, um das von PiS und Duda am meisten verwüstete Gebiet zu sanieren. Die Polen fragen sich, warum sich alles so langsam bewegt. Es wird nicht die erwarteten Veränderungen geben, bevor Präsident Duda auf die grüne Wiese geschickt wird. Nach dem, was dieser Mann getan hat und was er sagt, vide - seine letzte- glücklicherweise – Rede, in der er wie ein Aufwiegler geplappert hat, weiß ich eines: Polen wird kein Rechtsstaat sein, wenn für solche Dinge wie Andrzej Duda sie getan hat, es keine Strafe geben wird.

Barbara Nowacka, einst Linke, dann in der PO und nun Schulministerin nimmt ihnen 1 Std. Religionsunterricht weg und Bischöfe protestieren, weil Nowacka Christus die Tür versperrt. Wird die Kirche untergehen, weil die Priester weniger Geld für die eine Stunde bekommen? Dabei brauchen sie keine Angst haben. Die Gläubigen in Polen kommen weiter in die Kirchen, weil Weihnachten, weil Ostern... Da stören sie die vielen Affären nicht, nicht die Orgien, sogar die mit einem Toten in einer Pfarrei. Und in der jetzigen Regierung haben sie doch noch Unterstützer – die Volkspartei PSL – deren Vertreter den Hochwürdigen Bischöfen immer noch die Hand küssen.

10.1.2025

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