Rechte Agitatoren hetzen gegen erneuerbare Energien
von Klaus Meier
Rechte Blogger, die FAZ und die Springer-Presse haben zum Jahresübergang ihre Kampagne gegen die Energiewende verschärft. Die Industrie würde abwandern, die Haushalte würden in eine finanzielle Krise geraten, Stromausfälle drohten. Was ist dran an diesen Behauptungen?
Tatsächlich gab es in Deutschland in den dunklen Monaten November und Dezember einige sonnenlose Tage mit viel Nebel und wenig Wind. Windkraft- und Photovoltaikanlagen können deshalb nur wenig Strom produzieren. Das nennt man Dunkelflaute.
Ein solcher Tag war der 12.Dezember 2024. Nur 18 Prozent des deutschen Strombedarfs konnten durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Der Rest musste durch Kohle- und Gaskraftwerke erzeugt werden, hinzu kamen Stromimporte aus den EU-Nachbarländern. In dieser Situation stieg der Preis für eine Kilowattstunde an der Leipziger Strombörse kurzfristig auf fast 94 Cent pro Kilowattstunde. Privathaushalte, aber auch Unternehmen mit langfristigen Stromverträgen spürten von den Preisschwankungen wenig. Sie zahlen ihrem Stromversorger einen fest vereinbarten Preis.
Es gibt aber auch einzelne Unternehmen, die ohne Verträge Strom tagesaktuell zu sog. Day-Ahead-Preisen an der Strombörse kaufen. Sie können den Strompreisspitzen nicht ausweichen. So auch das Elektrostahlwerk des Feralpi-Konzerns im sächsischen Riesa, das in dieser Situation seine Produktion drosselte. Der Chef des Unternehmens fragte empört in den Medien: »Wie kann es sein, dass wir als energieintensive Industrie vom Wetter abhängig sind?«
Die FAZ kommentierte: »Mit der Dunkelflaute hat es jetzt jeder begriffen: Die Energiewende ist gescheitert. Ohne Hilfe aus dem Ausland und das Verstromen von Kohle geht es nicht. Deutschland ist der Geisterfahrer der Energiepolitik.« Und die Bild-Zeitung prägte gleich ein neues Wort: Deutschland sei bei seinen europäischen Nachbarn zum »Strombettler« geworden.
Tatsächlich sind diese Untergangsprognosen völlig aus der Luft gegriffen. Selbst wenn man nur die kurzfristigen Day-Ahead-Preise mit ihren temporären Preisspitzen betrachtet, ergibt sich laut einer Studie des Ökostromanbieters Rabot Energy ein maximaler Monatspreis von sehr niedrigen 12,83 Cent pro Kilowattstunde. Im Jahresdurchschnitt sinkt der Wert sogar auf 8 Cent. Da fragt man sich, warum der Chef eines Elektrostahlherstellers so in Rage gerät.
Dabei sind für das Jahr 2024 Erfolge zu vermelden. Im Durchschnitt erreichten die erneuerbaren Energien einen Anteil von 59 Prozent am deutschen Stromverbrauch, so viel wie nie zuvor. Gleichzeitig wurde deutlich weniger Braun- und Steinkohle verbrannt als im Vorjahr. Dies führte zu einem Rückgang der CO2-Emissionen, die sich seit 2014 mehr als halbiert haben.
Das Problem der Dunkelflauten
Trotz dieser guten Nachrichten bleibt das Problem der Dunkelflauten. Auch mit einem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien und besseren Stromnetzen zwischen Nord und Süd lassen sie sich nicht vermeiden. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes treten Dunkelflauten, die zwei Tage oder länger dauern, durchschnittlich zweimal im Jahr auf. Die längsten dauerten in der Vergangenheit etwa vier bis fünf Tage.
In diesem Winter konnten die kurzen Dunkelflauten nicht zuletzt durch Stromimporte aus dem Ausland, vor allem aus der Schweiz, den Niederlanden und Frankreich, überbrückt werden. Der europäische Stromhandel funktionierte in dieser Situation reibungslos und die deutsche Stromversorgung war zu keinem Zeitpunkt ernsthaft gefährdet.
Trotzdem empörten sich rechte Kritiker über die kurzen Strompreisspitzen und die Importabhängigkeit. In den Medien wurde zudem die Frage gestellt, warum in dieser Situation nicht auf die 30 deutschen Kohle- und Gaskraftwerke zurückgegriffen wurde, die sich in Reservebereitschaft befinden. Nach Informationen des Handelsblatts werden sie aber nicht zum Preisausgleich eingesetzt, sondern nur im äußersten Notfall, wenn das Netz stabilisiert werden muss. Dies sei erst ab einer Preisschwelle von rund 4000 Euro pro Megawattstunde der Fall.
Diese Schwelle wurde bei weitem nicht erreicht. Dennoch stellt sich die Frage, wie die Preisspitzen in kurzzeitigen Dunkelflauten zumindest geglättet werden können. Eine Möglichkeit, um kurzfristige Stromschwankungen auszugleichen, ist der Einsatz großer Batteriespeicher. In der Vergangenheit waren sie dafür zu teuer, doch in jüngster Zeit sind ihre Preise stark gefallen, allein in den letzten zehn Jahren um 90 Prozent. Und der Preisverfall hält an.
Was tun bei einer längeren Flaute?
Dem Einsatz von Batterien sind jedoch enge Grenzen gesetzt. Sie sind nur dann sinnvoll, wenn eine Dunkelflaute sehr kurz ist, etwa ein bis eineinhalb Tage. Dauern Nebel und Windstille aber zwei Wochen an, reichen die möglichen Batteriekapazitäten nicht mehr aus. Dann müssen die von Wirtschaftsminister Habeck benannten Gaskraftwerke einspringen. Sie müssen H2-ready sein. Das bedeutet, dass sie zukünftig auf Wasserstoff umstellbar sind. Sie wären dann auch CO2-frei. Ursprünglich wurde ein Bedarf von 30 Gigawatt für den Ausgleich von Dunkelflauten genannt. Durch die verqueren Debatten in der Ampelkoalition einigte man sich auf nur 10 Gigawatt.
Eigentlich zu wenig, denn diese Größe würde bei einer längeren Dunkelflaute nicht ausreichen, um den Strombedarf zu decken. Natürlich könnte man dann auf die Reservekraftwerke auf Kohlebasis zurückgreifen. Doch diese Anlagen sind CO2-intensiv und extrem schwerfällig: Das Hochfahren dauert mehrere Stunden. Gaskraftwerke haben dagegen den Vorteil, dass sie bei Bedarf innerhalb einer Viertelstunde von Null auf Volllast hochgefahren werden können. Mit ihnen ließe sich verhindern, dass Deutschland bei der Strombeschaffung zu sehr von den Nachbarländern abhängig wird.
Das ganze Projekt verzögerte sich aber, weil es bei der finanziellen Kompensation für die Energiekonzerne klemmte, die die Kraftwerke bauen und betreiben sollen. Aus Sicht der kapitalistischen Konzerne lohnt sich das Projekt nicht. Denn die Gaskraftwerke laufen nur, wenn nicht genügend Strom aus Wind- und Solarkraftwerken zur Verfügung steht. Das sind bestenfalls ein paar hundert Stunden im Jahr, ansonsten stehen sie still.
Erst Ende Dezember 2024, also nach dem Ende der Ampelkoalition, konnte Habeck einen Gesetzentwurf zur Finanzierung der Zehn-Gigawatt-Gaskraft vorlegen. Als Kosten wurden 17 Milliarden Euro genannt.
Doch für das Gesetz gab es keine parlamentarische Mehrheit mehr. Die Ampelkoalition existierte nicht mehr und die Union verweigerte ihre Zustimmung – ein Akt vollendeter politischer und ökonomischer Verantwortungslosigkeit von Friedrich Merz und seinen Parteifreunden. In der Konsequenz bedeutet dies, dass sich auch der Kohleausstieg verzögert, denn ohne Alternative können fossile Kraftwerke nicht so einfach abgeschaltet werden. Vielleicht war das ja auch so gewollt.
Biogas statt Wasserstoff
Das Problem der Backup-Gaskraftwerke ist, dass die Kosten für Wasserstoff sehr hoch sind. Es gibt jedoch Möglichkeiten, mit weniger Wasserstoff auszukommen: die Nutzung von Biogas. Davon gibt es tatsächlich große Mengen.
Bisher werden sie ohne Priorität gleichmäßig über das Jahr verteilt in lokalen Gaskraftwerken verbrannt. Dabei wird Strom erzeugt und oft gleichzeitig die Abwärme genutzt. Würde man das Biogas über das Jahr zunächst in Speichern sammeln und nur in Dunkelflauten verstromen, könnte man viel Wasserstoff einsparen. Diese Absicherung gegen Dunkelflauten ließe sich sogar noch erhöhen, wenn man auch den in Deutschland produzierten Biodiesel und Bioalkohol einbeziehen würde, die heute völlig sinnlos den Autotreibstoffen beigemischt werden.
Die Kosten der Infrastruktur
Trotz der großen Diskussion um Backup-Gaskraftwerke sind diese eher kostengünstig. Deutlich teurer ist der Umbau der Leitungsinfrastruktur, die bisher auf wenige zentrale Kohle- und Atomkraftwerke ausgelegt ist. Da die industriellen Großverbraucher vor allem in Süd- und Westdeutschland sitzen, der Windstrom aber vor allem im Norden erzeugt wird, müssen Stromtrassen gebaut werden, um den Windstrom zu transportieren.
Dies wurde von der Politik über viele Jahre verschleppt. Der aktuelle Netzentwicklungsplan geht von einem Investitionsbedarf von 328 Milliarden Euro für neue Stromnetze bis 2045 aus. Andere Berechnungen nehmen 90 Milliarden Euro weniger an. Hinzu kommen weitere 183 Milliarden Euro für den Ausbau der Verteilnetze auf Orts- und Kreisebene.
Die Kosten für den langfristigen Umbau des Stromsystems werden bisher ohne jedes soziale Augenmaß den kleinen Stromkunden aufgebürdet. Die Preise für Haushaltsstrom lagen im Jahresdurchschnitt 2024 bei rund 41 Cent pro Kilowattstunde, während Industriekunden nur schlanke 17 Cent zahlen müssen.
In den rechten Medien wird über die Infrastrukturkosten der Transformation unablässig lamentiert. Dahinter steckt die Leugnung und Relativierung der Klimakatastrophe.
Auch die Gegenrechnung der Importkosten für fossile Energieträger wird von den rechten Agitatoren geflissentlich vergessen: allein im Jahr 2023 betrugen sie für Erdgas, Erdöl und Steinkohle rund 63 Milliarden Euro. In der Summe sind das bis 2045 deutlich mehr als die Infrastrukturkosten für Netze und Gaskraftwerke. Die Ausgaben für fossile Energien könnten perspektivisch komplett eingespart werden, wenn endlich konsequent auf ein System aus erneuerbaren Energien gesetzt würde.
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