An den Rand notiert
von Rolf Euler
Während sich in Deutschland die »Raus-raus«-Debatten überschlagen und viele Geflüchtete in Angst und Schrecken versetzen, gibt es Beispiele von Zivilcourage, die erzählt gehören.
In Bremen hatte ein Geflüchteter in der Evangelischen Gemeinde in der Neustadt ein Kirchenasyl bekommen. Das Kirchenasyl ist eine der wenigen Möglichkeiten, eine Abschiebung in Länder zu vermeiden, in denen die Verfolgten erneut unmenschliche Behandlung erleiden würden – darunter eben viele Länder, die nach dem sog. Dublin-Abkommen als Erstaufnahmeländer »verpflichtet« wären, die Asylanträge zu bescheiden. Das Kirchenasyl ist bisher von den Ausländerbehörden insoweit respektiert worden, als Abschiebebescheide in Kirchen und zugehörigen Gebäuden in der Regel nicht vollstreckt wurden – mit leider einigen Ausnahmen inzwischen. Dieser Bereich der Kirchen hat eine besondere Schutzrolle einnehmen können.
Die bremische Gemeinde bietet seit Jahren Geflüchteten Asyl, zuletzt einem Somalier. Der Innensenator von Bremen änderte im Dezember 2024 jedoch seine Haltung und der Somalier bekam eine Abschiebeverfügung zur Vollstreckung.
Daraufhin organisierte der Pastor Thomas Lieberum mit seiner Gemeinde eine ungewöhnliche Aktion. Am Abend wurden viele Gemeindemitglieder informiert, es versammelten sich rund hundert Menschen bei der Kirche und dem Gemeindesaal, und als die Polizei mit mehreren Mannschaftswagen mitten in der Nacht anrückte, um den Geflüchteten abzuholen, wurden die Glocken geläutet.
Die Menschen blieben mit Schlafsäcken und Proviant im Saal, während die irritierte Polizei erstmal abzog. Später kam sie wieder, aber der Pfarrer erklärte, er sehe seine Aufgabe nicht in Amtshilfe, sondern im Schutz des Geflüchteten. Dadurch wurde der Polizeieinsatz so weit verzögert, dass das schon gebuchte Flugzeug nicht mehr erreichbar war.
Auch während der folgenden Nächte übernachteten teilweise mehrere hundert Menschen in Räumen der Gemeinde, es wurde diskutiert, geredet, gekocht und gesungen.
So wurde die sog. Überstellfrist – auch mit Hilfe eines Rechtsanwalts, der gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) klagte – ausgenutzt und der Asylbewerber konnte einen legalen Aufenthalt erreichen. Der versuchte Bruch des bisher respektierten Kirchenasyls in Bremen hatte zur Folge, dass die Aktion der Kirchengemeinde großen Zuspruch erhielt.
Insgesamt entwickelt sich die Lage für die Betroffenen aber ungünstiger. Kirchengemeinden werden unter Druck gesetzt, nicht viele trauen sich, noch ein Kirchenasyl einzurichten. Daher ist dieses Beispiel aus Bremen so wichtig, es macht Mut.
Infos zum Kirchenasyl in Nordrhein-Westfalen: www.kirchenasyl-nrw.de/.
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