Andreas Malm: The Destruction of Palestine is the Destruction of the Earth. London: Verso, 2024. 144 S., £ 9.99
von Hermann Dierkes
Das neue Buch des schwedischen Klimaforschers Andreas Malm ist sehr lesenswert und nützlich. Es behandelt die Entwicklung bis Juli letzten Jahres.
Andreas Malm, ein international bekannter und harter Kritiker der globalen Fossilwirtschaft von der Universität Lund, analysiert die Rolle von Erdöl und Erdgas in der arabischen Welt für die Globalökonomie und hier insbesondere die verheerenden Folgen der fossil betriebenen Waffentechnik und Kriegführung beim Überfall Israels auf Gaza, für die große Teile des Westens Mitverantwortung tragen.
Sehr lesenswert und nützlich ist aber auch das Kapitel »Response to some Objections regarding the Palestinian Resistance« über den Charakter des Widerstands (vor allem Hamas, Islamischer Jihad, PFLP, DFLP und ihre bewaffneten Formationen). Es basiert auf einer Debatte im Verso-Blog zwischen Matan Kaminer und Andreas Malm vom Mai 2024.
Malm zeigt auf, dass sich die Verhältnisse im von der Hamas regierten Gazastreifen bereits vor dem 7.Oktober anders darstellten, als vielfach – aus Unkenntnis und/oder bewusster Verfälschung – verbreitet wird. Die Hamas hat – im Gegensatz zur israelischen Gesellschaft und Armee – einen Prozess der Säkularisierung durchlaufen, falsche Positionen aufgegeben, strebt die nationale Einheit an und hat auch linken Formationen wie PFLP und DFLP Bewegungsfreiheit eingeräumt. Die bewaffneten Kräfte des Widerstands arbeiten seit dem Großangriff der israelischen Armee eng zusammen.
Ohne die Verhältnisse zu beschönigen, könne man sagen, dass die Restriktionen, die der Bevölkerung von Gaza auferlegt wurden und werden, von denen der Palästinensischen Autonomiebehörde in den Schatten gestellt werden, deren einziger Existenzgrund die Kollaboration mit den Besatzern ist und die sich erst recht von den meisten Regimen in der arabischen Welt abheben.
Malm wirbt nachhaltig für Solidarität mit dem Widerstand, die heute in den USA am weitesten entwickelt ist.
Er wendet sich auch gegen die Ansicht, der palästinensische Widerstand habe den katastrophalen Vernichtungsfeldzug gegen Gaza (und das Westjordanland) unklugerweise selbst ausgelöst und die Folgen zu tragen. Auf diese Weise die Schuld für die extreme Unterdrückung den Opfern und Widerständlern zuzuweisen bedeute, diejenigen zu beschuldigen, die für ihre Freiheit kämpfen, und nicht diejenigen, die wahnwitzig versuchen, ihre Herrschaft aufrechtzuerhalten.
Israel hätte anders reagieren können als mit hassgesteuertem Völkermord.
Interessant ist auch Malms Erörterung des Verhältnisses von Widerstandsbewegung und Umwelt- bzw. Klimapolitik: »Der palästinensische Widerstand ist offensichtlich keine Umweltbewegung … Ein Umweltbewusstsein im palästinensischen Widerstand und in anderen Kämpfen im Nahen Osten aufzubauen ist gewiss eine notwendige historische Mission, aber sie kann nicht davon ablenken, dass die Verteidigung der Existenz und der Rechte des palästinensischen Volkes heute im Vordergrund steht.«
Es ist zu hoffen, dass sich auch ein deutschsprachiger Verlag findet, der das Buch herausbringt.
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