Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

Bert Brecht hielt nicht viel vom Recht auf geistiges Eigentum. Wir auch nicht. Wir stellen die SoZ kostenlos ins Netz, damit möglichst viele Menschen das darin enthaltene Wissen nutzen und weiterverbreiten. Das heißt jedoch nicht, dass dies nicht Arbeit sei, die honoriert werden muss, weil Menschen davon leben.

Hier können Sie jetzt Spenden
Klima 1. Mai 2025

An den Rand notiert
von Rolf Euler

Vor knapp vier Jahren erschien an dieser Stelle ein Beitrag mit der Überschrift »2 °C«. Es tut mir leid: Dieses Jahr lautet die Überschrift wie oben: Schlimmer geht immer!
Was hat sich getan, oder vielmehr nicht getan, dass wir die Gradzahl hier erhöhen müssen?

Zweieinhalb Grad ist der durchschnittliche Temperaturanstieg in Deutschland seit dem Beginn der kapitalistischen Industrialisierung gegenüber der Zeit davor. »Wir« – ok, nehmen wir mal die Vereinfachung – haben also das Pariser Klimaziel von vor zehn Jahren locker gerissen.
Vielleicht ist das keine so große Überraschung, da die letzten zehn Jahre bekanntlich die jeweils wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen waren. Nach der bisherigen Statistik hätten wir in diesem Jahr mehr als 1 Grad Erwärmung – im langfristigen Durchschnitt! – der letzten 150 Jahre erreicht.
Und nun geschah etwas, das diese Zahl massiv korrigierte: Der Deutsche Wetterdienst (DWD) passte die Statistik an die Wirklichkeit an, eine revolutionäre und politisch umstrittene Aktion. Denn mit der Statistik ändert sich die politische und gesellschaftliche Stimmung – statt Zeit zur Korrektur haben »wir« nun keine Zeit mehr, sondern müssen noch mehr politische und wirtschaftliche Maßnahmen ergreifen, um die Zahlen wieder nach unten zu korrigieren!

Was war geschehen? Statt einen langfristigen linearen Durchschnitt über die vergangenen 150 Jahre in die Jetztzeit zu verlängern, um die Temperaturjahresergebnisse zu »glätten« hat der DWD eine Statistikmethode der gleitenden Durchschnitte gebildet. Es werden also immer die Durchschnitte einer kurzen Periode gebildet – z.B. der Jahre 1950 bis 1955, dann die der folgenden Periode, also 1951 bis 1956, und diese Durchschnitte werden dann in einer neuen »Kurve« dargestellt.
Diese Methode ermöglicht, die massiven Temperatursprünge der letzten zehn Jahre deutlich abzubilden, da sie auf der Basis nicht des 150-Jahr-Durchschnitts, sondern des kürzeren Zeitabschnitts gebildet werden. (Ein Bild in der Zeit, Nr.14/25, gibt davon einen guten Eindruck.)
Unterhalb der »Null-Erhöhung-Linie« lagen nur die Jahre 1995 und 2010, alle anderen lagen darüber! Und 2019 bis 2024 zeigen noch weit darüber liegende Werte.

Die DWD-Leute fürchteten, der Statistikwechsel werde einen Shit­storm auslösen. Das war zwar nicht so, aber die Schlussfolgerungen aus diesen durch Tatsachen untermauerten Trend sind wohl noch gar nicht angekommen. Und der Koalitionsvertrag ignoriert sie wie bisher.
Ich setze das »Wir« in Anführungszeichen, weil die Redaktion der SoZ eher nicht gemeint ist. Von den Klassenverhältnissen her sind diejenigen gemeint, die am meisten zum CO2-Ausstoß beitragen, sowie diejenigen, die die politischen Maßnahmen beschließen müssten.
(»Wir« ist die billige Methode, allen die Verantwortung zuzuschieben – und damit keinem.)

Teile diesen Beitrag:
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen

Folgende HTML-Tags sind erlaubt:
<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>



Spenden

Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF


Schnupperausgabe

Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.


Kommentare als RSS Feed abonnieren