Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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›Hier müssen dicke Bretter gebohrt werden‹
von Jörg Bergstedt

Friedens-, Verkehrswende- und Transformationsaktivist:innen agierten fünf Tage rund um den 1.Mai in Görlitz, um mit der Belegschaft der geplanten und rechtlich bereits eingetüteten Panzerbaufabrik, mit Gewerkschaften und Einwohner:innen ins Gespräch zu kommen.

»Fast alle Werktätigen waren gegen den Umbau zur Kriegsfabrik, aber die meisten wollen lieber Panzer bauen als entlassen werden.« So äußern sich diejenigen, die zwei Tage vor den Toren Gespräche führten. Sie zeigten Verständnis, aber auch Enttäuschung über die geringe Kampfbereitschaft der dort Arbeitenden. Die meisten hätten resigniert gewirkt und den Eindruck gemacht, möglichst wenig an die Sache erinnert werden zu wollen. Das war auch bei den Infoständen in der Innenstadt und am Bahnhof zu merken: »Wir haben viele hundert Menschen angesprochen. Fast alle fanden die Sache mit den Panzern falsch, aber hatten keine Hoffnung, etwas ändern zu können.«
Keinerlei Verwechslungsgefahr entstand dabei mit rechten oder rechtsoffenen Gruppen, die in Görlitz das Thema Frieden für sich zu nutzen suchen. »Es ist unser Ziel, die Verlogenheit der rechten Gruppen und Parteien zu entlarven und mit klaren Positionen unverwechselbar zu sein.« So führten die Aktivist:innen stets ein Spruchband mit sich, welches dem Fronttransparent »Frieden schaffen ohne Waffen« der regelmäßigen, rechtsoffenen Montagsdemos glich, aber ergänzt war um die Worte: »– auch an Grenzen, bei der Polizei und überall!«
Mit der in Görlitz überdurchschnittlich starken rechten Szene kam es nicht zu direkten Begegnungen, außer beim Verteilen von Flugblättern. Inhaltliche Gespräche blieben aber aus, Gewalt oder Gewaltandrohungen gab es ebenfalls nicht.
Allerdings wird das Thema zukünftig noch wichtig werden müssen, schließlich ist das Rechts-Links-Schema bei der Frage von Frieden und Aufrüstung stark durcheinandergeraten. Rechte Parteien und Gruppen, in Wahlprogrammen und Forderungen sonst nicht zimperlich in Fragen Gewaltanwendung, demonstrieren in Görlitz und anderswo regelmäßig für den Frieden – und viele Menschen machen mit, blind dafür, wen sie da eigentlich unterstützen.
Umgekehrt lahmt die Mobilisierung in linken Kreisen zurzeit, auch weil ein großer Teil der linkspolitisch engagierten Görlitzer:innen sehr auf den Abwehrkampf gegen rechts fokussiert und die Panzerfabrik für sie gar keine politische Rolle spielt.

Schwierige Gewerkschaften
Schwierig gestaltet sich das Verhältnis zu Gewerkschaften. So durften die Aktivist:innen keinen eigenen Stand bei der 1.Mai-Kundgebung aufbauen. Hieß es zunächst noch, das liege an Informationspannen, so schimmerte in Gesprächen doch deutlich durch, dass die abweichenden Positionen zur Aufrüstung der Grund für die Absage waren. »Wir wollen keine Infostände mit Meinungen, die nicht zu unseren passen«, hieß es. Merkwürdig, dass dann Parteien wie SPD, CDU und BSW dabei sein durften.
Ablehnung kam vor allem aus der IG Metall, so wurde berichtet. Deren Haltung steht jedoch im Widerspruch zu ihrer Satzung. »Die IG Metall setzt sich«, steht dort unter §2, »für Frieden, Abrüstung, Völkerverständigung und den Schutz der natürlichen Umwelt« ein. Eigentlich müsste sie sich entsprechend dieses Paragrafen auch für die Vergesellschaftung von Schlüsselindustrien einsetzen. Das hätte ein Ansatz sein können, um das Waggonwerk zu erhalten. Diese Möglichkeit hat die Gewerkschaft nie ernsthaft debattiert.
»Hier müssen überall dicke Bretter gebohrt werden«, sagen die Aktivis­t:innen und die Mitwirkenden aus Görlitz und Umgebung. Während der fünf Aktionstage sind sie stärker zusammengewachsen und haben viele Ideen gesponnen für Aktionen, die nun folgen sollen. »Ohne etwas, das aufrüttelt und den Tiefschlaf von Gewerkschaften, Werktätigen, Bevölkerung und politischen Gruppen beendet, wird hier nicht viel passieren.«
Viele Görlitzer:innen hätten den Kopf in den Sand gesteckt. Den Bau von Panzern fänden sie eigentlich falsch, aber nähmen es widerstandslos hin – um vielfach gleichzeitig darüber zu schimpfen, dass »die da oben« ja sowieso machen, was sie wollen.
Beginnend am verlängerten Himmelfahrtswochenende soll es den Sommer über mehrere mehrtägige Aktionsphasen geben. Die Anreise lohnt sich auch für antimilitaristische Aktive aus anderen Städten, die lokalen Akteur:innen können wirkungsvoll unterstützt werden. Teil der Aktivitäten sollen Workshops auf den sommerlichen Camps sein.
In der Region finden das deutlich politisch ausgerichtete Faetzig-Camp vom 25. bis 27.Juli sowie mehrere regionale Festivals statt. Bisher zieren sich noch einige Veranstalter:innen bei der Entscheidung, ob Panzerfabrik und Militarisierung bei ihnen einen Platz bekommen. Im Vordergrund sollen in der nächsten Zeit öffentlichkeitswirksame Aktivitäten in der Stadt stehen – von Straßentheater über performative Umgestaltungen im öffentlichen Raum bis hin zu Kommunikationsguerillaaktionen.

Genauere Informationen, Zugangslinks zu Chats und Infokanälen sowie Termine auf https://panzerfabrik.siehe.website. Die Initiative https://kirchengegenpanzer.wordpress.com will gezielt die lokalen Kirchen ansprechen.

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