Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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Polnische Presseschau 9. September 2025

zusammengestellt von Norbert Kollenda

Liebe Leserinnen und Leser,
das Aufenthaltsrecht für Ukrainer:innen wird derzeit mit Sozialabbau verknüpft – und Präsident Nawrocki gießt zusätzlich Öl ins Feuer. Außerdem gehen wir in dieser Ausgabe der Frage nach, warum die polnische Rechte die USA und vor allem Donald Trump so sehr bewundert, und kommentieren den jüngsten Aufenthalt Nawrockis bei Trump. Ebenfalls im Fokus: die große Waffenschau in Kielce, an der auch Firmen aus Israel beteiligt waren – sie rief Proteste und eine Anzeige bei der Polizei hervor. Und schließlich: die „Fünf Gerechten von Hajnówka“ stehen erneut vor Gericht – diesmal als vermeintliche Fluchthelfer. (Norbert Kollenda)

„Zuerst Polen“: Nawrockis Veto gegen Hilfe für Ukrainer:innen

OKO.press, 27. August 2025

Das polnische Sondergesetz setzt die EU-Richtlinie über den vorübergehenden Schutz für Geflüchtete aus der Ukraine um, die im März 2022 verabschiedet wurde. Die EU-Kommission hat diesen Schutz bis März 2027 verlängert.

In Polen läuft das Sondergesetz jedoch am 30. September 2025 aus. Einen Monat vor Ablauf über eine Verlängerung zu streiten – während der Aufenthalt von rund einer Million Menschen davon abhängt – ist eine absurde und unnötige Idee.

Präsident Karol Nawrocki hat die Novellierung des Sondergesetzes abgelehnt und stattdessen eine eigene Version vorgelegt – angeblich, um die Interessen der Polinnen und Polen besser zu schützen.

De facto bedeutet das, den Ukrainer:innen in Polen das Leben schwerer zu machen. Doch das Erschweren des Alltags anderer kann leicht nach hinten losgehen. Manche der Vorschläge des Präsidenten werden negative soziale Folgen haben.

Erstens versetzt das Veto die ukrainische Gemeinschaft in eine Lage der Unsicherheit und Angst – und schürt Spannungen, von denen es in Polen ohnehin schon mehr als genug gibt.

Zweitens hat die Verunsicherung bei der Legalisierung von Ausländer:innen auch negative Folgen für polnische Institutionen, Unternehmen und Schulen. Wenn Ukrainer:innen vorübergehend die Möglichkeit verlieren, ohne Arbeitserlaubnis zu arbeiten, geraten Arbeitgeber ebenso wie die zuständigen Behörden für Arbeitserlaubnisse in erhebliche Schwierigkeiten.

Wer soll die Anträge von einer Million Menschen in allen möglichen Angelegenheiten effizient bearbeiten? Welchen Sinn soll das haben?

Eigentlich müssten wir alle an einem vorhersehbaren und funktionierenden Staat interessiert sein – das liegt im polnischen Interesse. Doch anstelle von Stabilität herrschen nun Unsicherheit und Chaos.

Nun wollen Regierung und Präsident auch noch den Schwächsten die Unterstützung streichen – etwa Kindern, deren Eltern nicht arbeiten können. Zum Beispiel einer alleinerziehenden Mutter mit drei Kindern, darunter ein behindertes, die in einer Sammelunterkunft lebt.

Sie hat keine Möglichkeit, arbeiten zu gehen, doch ihre Kinder brauchen Hilfe wie kaum jemand sonst. Diese Unterstützung ermöglicht ihnen den Schulbesuch und eine Chance auf ein unabhängiges Leben in der Zukunft.

Streicht man sie, ist die Familie zum sozialen Abstieg verurteilt. Warum das im Interesse der Polinnen und Polen sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Diese Familien werden nicht verschwinden, sie werden hier bleiben. Für alle ist es besser, wenn sie die bestmöglichen Lebenschancen haben.

Ein Beispiel aus der Praxis: Eine ältere Frau aus der Ukraine bezieht dort ihre Rente und hat daher keinen Anspruch auf Sozialversicherung in Polen. Sie lebt in einer Sammelunterkunft, weil sie aus der Ostukraine stammt und nicht zurückkehren kann – sie hat schlicht keinen Ort und keine Angehörigen mehr.

Warum sollte ihr der Zugang zu einem Arzt Polinnen und Polen verarmen lassen? Viele Ukrainer:innen zahlen in Polen Steuern, deren Beitrag die Kosten der Sozialhilfe bei weitem übersteigt: Laut einem Bericht von Deloitte und UNHCR erwirtschaften sie 2,7 Prozent des BIP.

Wir können uns das leisten. Ukrainer:innen verdienen genug, um ihre eigenen Rentner zu unterstützen – und sie tragen sogar dazu bei, polnische Rentner:innen mitzufinanzieren.

Besonders geschmacklos wirkt die Ablehnung einer weiteren Novelle des Sondergesetzes nur einen Tag nach den Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag der Ukraine. Sie schürt Ablehnung und soziale Konflikte in einem Land, in dem Menschen mit Migrationserfahrung rund sieben Prozent der Bevölkerung ausmachen.

Was soll daran gut sein, wenn wir uns noch mehr hassen? Wir gestalten dieses Land gemeinsam. Auch wenn der Präsident verkündet „zuerst Polen, zuerst die Polen“, leben hier auch andere Menschen. Sie zu schikanieren verbessert die Lebensqualität der Polinnen und Polen nicht.

Miroslaw Skórka, Vorsitzender des Verbands der Ukrainer in Polen, kritisierte das Veto von Präsident Nawrocki deutlich

Das ist eine destruktive Handlung des Präsidenten und seines Umfelds. De facto bedeutet sie die Umsetzung der Politik des Kremls, nicht die Polens. Ich sage das in vollem Bewusstsein. Wenn wir das Modell eines nationalistischen Staates übernehmen, dann ist das genau das Modell, das uns der Kreml nachdrücklich empfiehlt.

In ähnlichem Ton äußerte sich Außenminister Radoslaw Sikorski auf X:

Putins Propagandisten sind begeistert von den Entscheidungen, die Hilfe für die Ukraine und die Ukrainer einzuschränken. Ich gratuliere nicht dazu.

Nawrocki wiederholt zudem seine Vorwürfe, Polinnen und Polen müssten länger auf Arzttermine warten, weil Ukrainer:innen bevorzugt behandelt würden. Schon im Wahlkampf hatte er erklärt:

Die Bürger des polnischen Staates werden im eigenen Land schlechter behandelt als die Gäste aus der Ukraine – damit bin ich nicht einverstanden!

Wie rechte Rhetorik den Sozialstaat angreift

OKO.press, 31. August 2025

Es genügt, Angriffe auf Sozialleistungen mit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zu verbinden. Die von der Rechten verbreiteten Geschichten über Ukrainerinnen, die angeblich das polnische Sozialsystem missbrauchen, sind eine exakte Kopie des amerikanischen Mythos von den „Welfare Queens“. Das Ziel ist dasselbe: die Demontage des Sozialstaats. Leider hat das liberale Zentrum den Boden dafür bereitet – und die Konfederacja greift es begierig auf. (Norbert Kollenda)

Die Konfederacja stützt sich heute auf zwei Grundpfeiler. Erstens: die Abneigung gegen Migrant:innen und „Fremde“ im weitesten Sinn. Diese richtet sich gleichermaßen gegen diejenigen, die arbeiten („sie nehmen den Polen die Jobs weg“), wie gegen jene, die nicht arbeiten („sie leben von unseren Sozialleistungen“). Betroffen sind Menschen aus fernen Kulturkreisen ebenso wie Nachbarn, etwa die Ukrainer.

Zweitens: die Ablehnung des Staates und seiner sozialen Funktionen. Für die Konfederacja sind fast alle Sozialprogramme „Geldverschwendung“, öffentliche Dienstleistungen grundsätzlich ineffizient und zur Privatisierung bestimmt, und jede Form von Besteuerung ist „Diebstahl“.

Es stellt sich die Frage: Warum fördern ausgerechnet Vertreter der beiden größten Parteien, PO und PiS, Lösungen, die letztlich der Konfederacja in die Hände spielen?

Im Fall von Karol Nawrocki ist die Antwort recht einfach: Schon im Wahlkampf verhielt er sich, als wäre er der Kandidat der Konfederacja. Mit dem Programm, mit dem er tatsächlich antrat, hätte er problemlos auch auf der Liste von Mentzens Partei kandidieren können.

Doch was ist mit Rafal Trzaskowski? Er war es, der die Idee vorantrieb, arbeitslosen Ukrainer:innen die 800-Zloty-Beihilfe zu streichen – trotz der Warnungen von Ökonom:innen, dass dies ein rein demagogischer Slogan sei, der kein reales Problem löse, sondern neue schaffe. Und Donald Tusk? Er begrüßte diese Idee sogar.

War das nur ein ungeschickter Versuch, sich bei Mentzens Wähler:innen anzubiedern? Die Wahrheit ist wohl komplizierter – und unbequemer.

Tatsächlich haben antisoziale Forderungen, die die Rechte heute so nahtlos mit Anti-Migrationsparolen verbindet, im liberalen Lager eine lange Tradition. Schon früher waren sie mit dem Liberaldemokratischen Kongress und der Freiheitsunion verbunden, heute finden sie ihre Fortsetzung in der Bürgerkoalition.

Warum die polnische Rechte Trump vergöttert

Przeglad, 1. September 2025

Im Zusammenhang mit Nawrockis Besuch bei Donald Trump stellen sich viele besorgte Fragen. Schon in Zeiten der linken Regierung unter Leszek Miller gehörte Polen zum „Kreis der Willigen“ – und musste erfahren, dass die versprochenen Aufträge, etwa für die Panzerfabrik Bumar, am Ende ausblieben.

Dennoch glaubt die polnische Rechte bis heute, dass alles, was Amerika nützt, auch Polen zugutekommt – und bleibt in diesem Glauben gefangen.

Muss Polen wirklich die amerikanische Rüstungsindustrie stützen? Genau darum geht es, wenn Trump von fünf Prozent des BIP für Verteidigung spricht – während die USA selbst nur drei bis dreieinhalb Prozent aufwenden.

Die polnische Rechte redet unablässig von Souveränität, bittet aber gleichzeitig ständig um die Gunst der Amerikaner. Was soll das sein – Unabhängigkeit unter amerikanischer Knute?

Trump wird mit Nawrocki so reden, dass er Polen – und ihn persönlich – zu einem nützlichen Idioten der USA macht. Denn Trump hat kein Interesse daran, die EU als geeinten Partner zu sehen.

Im Gegenteil: Nawrocki und die polnische Rechte bieten sich geradezu an, da sie erklärtermaßen Gegner der EU sind. Trump mag kein vereintes, kein demokratisches Europa – er fühlt sich nicht einmal als Mensch des Westens.

Prof. Roman Kuzniar, Lehrstuhl für Strategische Studien und Internationale Sicherheit an der Universität Warschau, warnt:

Die Amerikaner haben ein klares Interesse daran, die rechte Revolution, wie sie in den USA stattgefunden hat, auch in Polen fortzuführen oder gar zu verstärken.

Sie glauben, dass Nawrocki dazu beitragen wird, sie hier zu vollenden. Ein weiterer Punkt ist die Haltung zur Europäischen Union – die Zerstörung der europäischen Einheit. Trump und seine Regierung wollen mit Hilfe Polens die Entschlossenheit Europas gegenüber Russland schwächen.

Und die anti-ukrainische Haltung Nawrockis und seines Teams kann gar nicht anders verstanden werden, als dass sie Russland nützt. Das zeigt, wie falsch sie liegen, wenn es um die Vertretung polnischer Interessen geht – und wie schädlich diese Präsidentschaft für Polen sein wird.

Nawrockis erster Besuch bei Trump: Geschenke und Symbolik

OKO.press, 3. September 2025

Der erste Auslandsbesuch von Präsident Karol Nawrocki bestand nicht nur aus Handschlag mit Donald Trump und Fotos im Oval Office.

Nawrocki kehrt aus Washington mit einem beträchtlichen „Geschenk“ seines politischen Verbündeten zurück. In seiner Anwesenheit kündigte Trump an, die in Polen stationierten US-Truppen nicht in andere Regionen der Welt zu verlegen.

Damit wurde eine strategische Entscheidung der US-Regierung öffentlich, die wenig mit Trumps persönlichen Sympathien oder Antipathien zu tun hat, sondern die gesamte Ostflanke der NATO betrifft. Doch Nawrockis Umfeld und sein politisches Lager können dies nun als persönlichen Verhandlungserfolg des neuen Präsidenten verkaufen.

Außerdem konnte Nawrocki verkünden, eine Einladung zum G20-Gipfel im kommenden Jahr erhalten zu haben – auch wenn bislang unklar bleibt, in welcher Funktion er dort auftreten wird.

Nawrockis USA-Besuch: Symbolik, Demütigungen und rote Mützen

Krytyka Polityczna, 5. September 2025

Wie gering das Interesse amerikanischer Journalist:innen an Polen ist, zeigte sich unmittelbar nach der gemeinsamen Erklärung von Trump und Nawrocki.

Die Live-Kamera der Associated Press blendete den polnischen Präsidenten kurzerhand aus, und die Reporter wandten sich sofort den großen US-Themen zu: dem provokanten Gipfeltreffen der Staatschefs Chinas, Russlands und Indiens, den Interventionen der Bundesregierung in amerikanischen Großstädten und dem andauernden Epstein-Skandal.

Als Trump gefragt wurde, ob er Kräfte zur Bekämpfung der Kriminalität nach Chicago schicken werde, erklärte er, es sei ihm peinlich, dies in Anwesenheit des polnischen Präsidenten zu sagen – aber ja, Chicago, das Zentrum der polnischstämmigen Community in den USA, habe große Fortschritte bei der Kriminalitätsbekämpfung erzielt.

Nawrocki betonte die gemeinsamen konservativen Werte, die beide Männer und beide Länder angeblich verbänden. Doch nur Stunden später bezeichnete die New York Times ihn als „zeremoniellen“ und damit weitgehend symbolischen Präsidenten mit begrenzter Macht in einem Land mit Mitte-Links-Regierung.

Das Treffen zwischen Außenminister Marco Rubio und seinem polnischen Kollegen Radoslaw Sikorski in Miami am Vortag fand keinerlei Erwähnung. Zwar war Sikorski ebenfalls in Washington, doch zu einem Treffen mit Trump wurde er nicht eingeladen.

Mit seinem funktionalen Englisch schlug sich Nawrocki nicht schlecht, doch seine Rolle wirkte auf viele wie die eines Schoßhündchens, das brav neben Trump auf dem Sofa sitzt – so die Kommentare in sozialen Medien unmittelbar nach dem Besuch.

Vor allem Pol:innen in den USA und weltweit beteiligten sich an der Debatte: Die Rechte meinte, es sei besser, einen „Hündchen“-Präsidenten zu haben als einen linken, während Linke spöttelten, man müsse sich fragen, welcher der beiden Präsidenten die größere Blamage sei.

Als der Korrespondent des Polnischen Rundfunks im Weißen Haus, Marek Walkuski, Trump fragte, warum er nichts gegen Putin und zur Beendigung des Krieges in der Ukraine unternehme, reagierte Trump erst kokett, dann gereizt:

Woher wissen Sie, dass ich nichts tue?

Schließlich riet er dem Journalisten, sich einen neuen Job zu suchen. Der Vorfall fand sowohl bei Fox News als auch bei MSN Beachtung. Nawrocki, direkt daneben sitzend, schwieg.

Die wohl provokanteste Reaktion auf den Besuch kam vom Daily Beast. Es warf Trump Narzissmus vor, nachdem er Nawrocki mit Fanartikeln seiner Kampagne beschenkt hatte – einer roten MAGA-Mütze und einer Einkaufstasche mit seiner Unterschrift.

Das waren dann auch die sichtbarsten Mitbringsel des polnischen Präsidenten aus Washington. Daneben gab es nur noch Trumps Empfehlung, in Rom den Papst zu grüßen – einen Papst, der mit Sicherheit keinen der beiden Staatschefs zu seinen ideologischen Verbündeten zählt.

„Trumps Mann in der EU“

Przeglad, 8. September 2025, Jerzy Domanski

Selbst die Wahl in das höchste Amt macht aus einem Menschen keinen neuen. Ein Dummkopf bleibt ein Dummkopf, und ein Verbrecher kann seine Sünden nicht aus seiner Biografie tilgen – auch wenn er es versucht.

Macht und ein gut bezahlter Hofstaat mögen helfen, die wahren Absichten zu verschleiern, doch auf Dauer funktioniert das nicht. Die sozialen Medien sind da, um hinter die Kulissen zu blicken; man kann nicht alle kaufen oder einschüchtern.

Wir wissen, wer Donald Trump ist, was er getan hat und welche Entscheidungen er als Präsident der USA trifft. Positives lässt sich darin kaum finden.

Im Gegenteil: In einer immer unsichereren Zeit ist er ein zusätzliches Problem – ein wachsendes. Ein Zerstörer, der unablässig Dinge kaputtmacht, ein Größenwahnsinniger, der seine Herrschaft für eine „goldene Zeit“ der USA hält.

Er hört auf unausgesprochene Komplimente und primitive Schmeicheleien und ist überzeugt, sie uneingeschränkt zu verdienen. Die Politiker, die ihm begegnen, bedienen diesen Hunger zynisch – die Klügeren, wie Macron, tun es immerhin mit einer gewissen Finesse.

Nawrocki hingegen musste keinen Tribut in Worten entrichten, denn Polen erfüllt bereits eine andere Erwartung: Gleich nach dem reichen Saudi-Arabien ist es einer der größten Käufer amerikanischer Waffen – und das ohne Feilschen. Weitere Flugzeuge, Atomkraftwerke, Gas und alles, was die USA anbieten, werden gekauft.

Man kann von Aufrichtung, Souveränität und Würde reden – und dann genau das tun, was Nawrocki bei Trump getan hat. Mit der Realität polnischer Unabhängigkeit hat das nichts zu tun.

Vielmehr kommt die Denunziation politischer Gegner und von Premierminister Tusk im Weißen Haus einem Landesverrat gleich. Politiker, die sich dafür hergeben, sind verachtenswerte Figuren, die Polen schaden. Sie dienen lediglich dazu, fremden Einfluss in den polnischen Machtstrukturen zu verankern.

Israels Waffen auf der Kielcer Rüstungsmesse sorgen für Proteste und Anzeige

OKO.press, 3. September 2025 / Przeglad, 8. September 2025

Israelische Unternehmen präsentierten auf der Rüstungsmesse in Kielce ihre Waffen – und priesen deren Einsatz im Gazastreifen. Trotz massiver Kritik schlossen die Organisatoren die israelischen Aussteller nicht aus. Aktivist:innen gelang es immerhin, einen der Stände mit roter Farbe – als Symbol für Blut – zu bespritzen.

Die 33. Internationale Messe für Verteidigungsindustrie gilt als eine der größten dieser Art in Europa. Mehr als 800 Aussteller aus 35 Ländern stellten ihre Produkte vor – insgesamt auf 40.000 Quadratmetern.

Für die einen eine Schau der neuesten Sicherheitstechnologien, für die anderen ein Marktplatz immer wirksamerer Instrumente der Überwachung und Gewalt. Besonders umstritten war die Präsenz von zehn israelischen Unternehmen – in einem Land, das wegen Kriegsverbrechen und Völkermord angeklagt ist.

Die Polnisch-Palästinensische Initiative für Gerechtigkeit „Kaktus“ und der Verein Nomada appellierten an die Messeleitung und an staatliche Institutionen wie das Verteidigungsministerium, die israelische Teilnahme zu stoppen:

Die Rüstungsindustrie ist einer der wichtigsten Pfeiler Israels, sowohl identitär als auch wirtschaftlich. 2024 erzielte das Land mit Waffenexporten einen Rekordumsatz von fast 15 Milliarden Dollar – mehr als doppelt so viel wie in den Jahren vor dem anhaltenden Völkermord. Über die Hälfte ging nach Europa. Der Waffenexport ist nicht nur eine Finanzierungsquelle des Krieges in Gaza, sondern auch ein Instrument politischer Normalisierung und internationaler Legitimierung.

Doch das Verteidigungsministerium schwieg, und die Messeleitung wollte keine Änderungen vornehmen. Andrzej Mochon, Direktor der Messe Kielce, erklärte gegenüber Gazeta Wyborcza:

Das ist unsere autonome Entscheidung.

Im Przeglad schreibt Roman Kurkiewicz am 8. September:

Ich war in Kielce während der 33. Internationalen Messe für Verteidigungsindustrie. Doch ich habe mich nicht auf das Messegelände begeben – ich bin zur Polizeibehörde der Woiwodschaft gegangen, um offiziell Anzeige gegen die auf der Messe anwesenden Vertreter israelischer Rüstungsfirmen zu erstatten.

Unterstützt wurde ich dabei von der Polnisch-Palästinensischen Initiative für Gerechtigkeit „Kaktus“ und unabhängigen Informanten, die die Messe besucht hatten.

In Kielce waren zehn israelische Rüstungsunternehmen vertreten, sowohl staatliche wie Rafael oder IAI (Israel Aerospace Industries Ltd.) als auch private.

Unter ihnen befanden sich Hersteller von Drohnen und Panzerabwehrraketen, die nach Erkenntnissen internationaler Organisationen und journalistischer Recherchen beim jüngsten Massaker nach dem Beschuss des Nasser-Krankenhauses in Khan Yunis im Süden des Gazastreifens eingesetzt worden sind (Beschuss am 25. August – zwei Wochen später fand die Messe statt).

Die Soldaten setzten dabei zwei lasergesteuerte Lahat-Panzerabwehrraketen ein. Sie töteten 22 Menschen, darunter fünf Journalist:innen, drei Krankenhausmitarbeiter – darunter ein Arzt –, einen Zivilschützer und ein 14-jähriges Kind.

Der skandalöse Hintergrund für die Präsenz israelischer Firmen auf der Messe in Kielce ist die politische Unterstützung, die dieses Land von der polnischen Regierung erhält.

Als ich bei der Polizei Anzeige erstattete, kam es zeitgleich auf dem Messegelände zu einem Protest. Aktivist:innen bespritzten den Stand eines israelischen Unternehmens mit roter Farbe.

Sie wurden festgenommen. Ich warte nun auf die Entscheidung von Polizei und Staatsanwaltschaft, wie sie mit meiner Anzeige umgehen werden. Und der Völkermord in Gaza geht weiter.

„Die Fünf von Hajnówka vor Gericht – ein Prozess gegen die Menschlichkeit“

Krytyka Polityczna, 4. September 2025 / wolnelewo.pl, 2. September 2025

Die fünf Angeklagten halfen in einer frostigen Nacht bei minus zwei Grad einer irakischen Familie mit sieben Kindern im Alter von zwei bis 16 Jahren sowie einem Ägypter, der von belarussischen Soldaten so schwer zusammengeschlagen worden war, dass er sich kaum noch bewegen konnte

Es handelte sich um Menschen, denen man – entgegen den Behauptungen der Rechten – kaum die Schuld an der tragischen Lage in Paris geben kann.

Die nächste Verhandlung gegen die „Fünf von Hajnówka“, auch bekannt als die „Fünf Gerechten“, geriet zu einem Drama über den Kampf zwischen Gut und Böse – begann jedoch mit einer fast komödiantischen Szene.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft sagte der Grenzschutzbeamte Jaroslaw Z. als Zeuge aus. Auf die Frage, ob er sich daran erinnere, im März 2022 in einem von ihm kontrollierten Auto der Marke XY ein Telefon der Marke „Chujowa“ gefunden zu haben, erklärte er, er könne sich daran nicht erinnern – schließlich liege dieser März schon lange zurück. Damit war sein Auftritt beendet.

Unter den bizarrsten Aussagen der Staatsanwältin Rutyna ragt ihre Befürchtung heraus, das Gericht könne ihre Anträge allein deshalb ablehnen, weil es dem Druck der „Juristenkreise“ nachgebe, die sich auf die Seite der Angeklagten gestellt haben, oder dem Einfluss der „öffentlichen Meinung“, verkörpert durch die Unterstützer:innen der fünf Angeklagten vor dem Gerichtsgebäude.

Kaum weniger aufschlussreich war ihre Bemerkung über die Abwesenheit einer Vertreterin von Amnesty International im Saal – daraus zog sie voreilig den Schluss, die Organisation habe ihre Unterstützung für die Angeklagten eingestellt.

Die Vertreterin von Ordo Iuris (rechtskonservativ-katholisch) geriet ins Stottern, als sie von einem Blatt Papier die angeblichen Gefahren durch Migrant:innen vortrug.

Als sie auf die angeblich „tragische Situation“ im von Einwanderung geprägten Paris zu sprechen kam, musste das Gericht das Publikum einmalig zur Ruhe rufen – es reagierte mit Gelächter.

Rhetorisch geschickter, aber moralisch noch fragwürdiger, präsentierte sich der Vertreter des „Marschs der Unabhängigkeit“. Er las schamlos private Smartphone-Korrespondenz der angeklagten Frauen vor, die für den Prozess völlig irrelevant war. Sowohl er als auch die Vertreterin von Ordo Iuris forderten eine Strafe von einem Jahr und vier Monaten Haft für die Fünf Gerechten.

Die Vertreterin des Vereins für Rechtliche Intervention hielt dagegen: Eigentlich gehöre die Regierung auf die Anklagebank – denn sie verletze im Umgang mit Geflüchteten internationales Recht, EU-Recht und sogar die Verfassung. Sie führte mehrere Beispiele für das besonders unmenschliche Vorgehen an der Grenze zu Belarus an.

Als Grundlage der Anklage wird eine Verordnung herangezogen, die „Bereicherung durch Fluchthilfe“ unter Strafe stellt. Dazu schreibt der Autor Jacek Podsiadlo:

Anna Jaczun vom Verein für Rechtliche Intervention und Marcin Skubiszewski vom Wahlbeobachtungszentrum – und später auch der Verteidiger – haben mich besonders erfreut, weil sie in juristischer Sprache die Absurdität dieses Vorwurfs aufgezeigt haben: nämlich dass die angebliche ‚persönliche Bereicherung‘ eines Flüchtlings schon in der bloßen ‚Erleichterung seines Aufenthalts‘ bestehen soll.

Dem früheren Justizminister Adam Bodnar habe ich das in der einfachen Sprache eines Dichters verdeutlicht. Juristisch ist klar: Der Gesetzgeber konnte nur einen ungerechtfertigten, unredlichen Vorteil gemeint haben.

Der Prozess gegen die Fünf Gerechten dauert an.

In Wolnelewo (2. September 2025) wird dazu berichtet:

Der Verteidiger Baszuk erklärte mit Verweis auf die Worte des Staatsanwalts:

Wie ich heute erfahren habe, wäre nach Ansicht der Staatsanwaltschaft die einzig richtige Lösung in einer solchen Situation gewesen, die Familie den Behörden zu übergeben. Alles andere – so die Argumentation – sei staatsfeindlich.

Er betonte jedoch, dass Pushbacks illegal seien und sowohl gegen europäisches Recht als auch gegen die polnische Verfassung verstießen:

Davon muss ich ausgehen, denn es gibt zahlreiche Urteile auch polnischer Gerichte. Wenn es also darum ging, Menschen vor illegalen Pushbacks zu schützen, dann kann das nicht illegal sein.

Er schloss seine Rede mit den Worten:

Ich beantrage den Freispruch der Angeklagten, und dafür gibt es viele Gründe. Wenn der Staat uns über die Staatsanwaltschaft erklären will, was Menschlichkeit ist und was nicht, was humanitäre Hilfe ist und was nicht, dann bin ich in diesem Fall ebenfalls ‚staatsfeindlich‘.

Eine der Angeklagten, Ewa, erklärte:

Ich stehe hier nicht als Aktivistin, sondern als Bürgerin der Republik Polen, als Bewohnerin von Podlasie, als Mensch dieser Region. Mein Leben spielt sich hier ab, wo die Erfahrung des Urwalds zum Alltag gehört und wo Gastfreundschaft gegenüber Fremden eine Tradition ist, die älter ist als alle Grenzen.

Podlasie war schon immer eine Grenzregion – hier trafen verschiedene Sprachen, Religionen und Traditionen aufeinander. Und wir haben stets gewusst und geglaubt: Der Mensch ist wichtiger als Spaltungen. Das ist die ganze Wahrheit über unser Handeln. Es ging nicht um Politik, sondern allein um nackte Menschlichkeit.

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