Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2012
Das Land ist Eigentümer, hat aber nichts zu sagen
von Ulrike von Wiesenau
Die 14.Sitzung des Sonderausschusses «Wasserverträge» am 2.November im Abgeordnetenhaus von Berlin galt der Klärung der Frage, ob das Land nach dem Rückkauf der RWE-Anteile seine Position bei den Berliner Wasserbetrieben stärken konnte.
Die Gestaltungshoheit bei den Berliner Wasserbetrieben hatten bislang die Konzerne RWE und Veolia, doch SPD und CDU hatten mit der Bestätigung des Rückkaufvertrags einen größeren Einfluss des Landes in Aussicht gestellt, da der Senat dann auch 50% an der RWE Veolia Berlinwasser Beteiligungsgesellschaft (RVB) halte und anstelle von RWE Partner von Veolia in der Beteiligungsgesellschaft sei.
Doch das Letztentscheidungsrecht der öffentlichen Hand beim Berliner Wasser ist auch im neuen Vertrag nicht gewährleistet. Der Senat hat 650 Millionen Euro ausgeben, ohne bei den Wasserbetrieben mehr Einfluss zu gewinnen, das Land hält nun insgesamt 75% der Anteile, ohne vergleichbaren Einfluss zu haben.
Der Verdacht drängt sich auf, dass der Senat gar kein Interesse daran hat, für sich mehr Einfluss durchzusetzen. Staatssekrekretärin Margaretha Sudhof liess im Ausschuss erkennen, dass sich der Senat mit Veolia einvernehmlich einigen möchte und bestätigte damit die Vermutungen des Wassertisch-Untersuchungsausschuss «Klärwerk», wonach mit Veolia geheime Verhandlungen geführt werden. Eines ist klar: Der Konzern wird mit aller Macht darauf hinwirken, dass der Senat ihm die betriebliche Führung und somit die Gestaltungshoheit bei den Berliner Wasserbetrieben überlässt, um seine Profite abzusichern.
Es sieht danach aus, dass der Senat allen gerichtlichen Auseinandersetzungen mit Veolia aus dem Weg gehen will. In der Sitzung des Sonderausschusses war zu erfahren, dass die neue Beteiligung des Landes in der RVB nicht einmal garantiert, das von Veolia angestrengte Schiedsgerichtsverfahren zu blockieren. Die Erfahrungen mit dem Konzern lassen erwarten, dass Veolia das Land Berlin mit diversen millionenschweren Schiedsgerichtsverfahren überziehen wird, um seine Interessen durchzusetzen.
Auch die Entlastung um 60 Mio. Euro, die den Berliner Wasserkunden in Aussicht gestellt wurden, müssen noch vom Aufsichtsrat bestätigt werden. Dabei sollte gerade die vorübergehende Absenkung der Trinkwasserpreise – die weit hinter den Forderungen des Bundeskartellamts zurückbleibt und die Abwassertarife, die auf den Rechnungen weit mehr ins Gewicht fallen, unangetastet lässt – als massgeblicher Erfolg der Rekommunalisierung verkauft werden.
Doch selbst wenn die Trinkwasserpreise zeitweise um 15% gesenkt werden sollten, müssten die Berlinerinnen und Berliner wegen der weiter für Veolia bestehenden Gewinngarantie die Preissenkung über den Gewinnanteil des Senates mitfinanzieren. Diese Gelder aber werden dem Senat im klammen Landeshaushalt fehlen und an anderer Stelle kompensiert werden müssen.
Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die sog. «Rekommunalisierung» die Schieflagen von damals zementiert und um neue ergänzt: Der verfassungswidrige Konsortialvertrag mit Veolia bleibt bestehen, den Berliner Wasserbetrieben wird weiteres Kapital entzogen, die ungleiche Gewinnverteilung zwischen dem Land und den privaten Anteilseignern wird fortgesetzt. RWE wird der Rückzug vergoldet, Veolia wird mit der berüchtigten Gewinngarantie weiter bedient und hat trotz Ausscheidens von RWE weiter, verfassungswidrig, die betriebliche Führung inne.
Der Berliner Wassertisch stellt fest: Eine juristische Anfechtung der Wasserverträge bleibt unabdingbar, um eine Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe zu verwirklichen, die diesen Namen verdient:
* Es darf keine Verpflichtung zur Gewinnerzielung geben und
* die demokratische Kontrolle des kommunalen Unternehmens unter Einbeziehung der Bevölkerung muss festgeschrieben werden. In die Änderung des Betriebe-Gesetzes müssen auch die weiter geltenden Verträge einbezogen werden. Denn keine Anfechtung oder Änderung des Gesetzes macht Sinn, wenn nicht gleichzeitig sichergestellt wird, dass verfassungswidrige Verträge nicht durch die Hintertür das Gesetz aushebeln.
Nichts ist gut beim Berliner Wasser. Doch der Wasser-Volksentscheid hat eine Trendwende im öffentlichen Bewusstsein eingeleitet: Der Glaube an die Leistungskraft privater Investoren ist massiv geschwunden, die Menschen haben erkannt, dass die zentralen Bereiche der Daseinsvorsorge dem Zugriff gewinnmaximierender Konzerne entzogen werden müssen und in Bürgerhand gehören.

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