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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 09/2018

Was Arbeitermacht alles kann
von Violetta Bock

Die Auseinandersetzung bei NHG ist eine besondere, weil sie Klassenmacht zeigt. Einzig unklar ist, wofür die verwendet wird. Die einen sprechen vom Kampf um jeden Arbeitsplatz, andere von Übernahme durch die Beschäftigten, Oskar Lafontaine schlug Enteignung vor, die IG Metall einen Sozialtarifvertrag.

Grund für den Ausstand ist die Ankündigung der Schließung des Standorts in Leipzig mit 700 Beschäftigten und der Abbau von 300 Arbeitsplätzen am Stammwerk in Saarbrücken bis Ende 2019. Anfang des Jahres hatte die Prevent-Gruppe aus der Investorenfamilie Hastor, einer der größten VW-Zulieferer, den Hersteller von Motorblöcken und Antriebswellen aufgekauft. VW hatte die Verträge jedoch gekündigt, weil zwei Firmen der Zulieferergruppe vor zwei Jahren die Belieferung des Volkswagen-Konzerns eingestellt hatten, um höhere Preise durchzusetzen – was VW verweigerte.

Die Gewerkschaft fordert einen Sozialtarifvertrag, hohe Abfindungen und die Einrichtung einer Qualifizierungsgesellschaft mit Nettoabsicherung für die IG-Metall-Mitglieder für zwölf Monate sowie die Einrichtung eines Treunhandfonds, an dem sich alle Beteiligten, also auch Kunden wie VW, beteiligen müssen.

Der Kampf hat auch deshalb so viel Bedeutung, weil er mal wieder zeigt: Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will. Sechs Wochen lang streikten die 700 Beschäftigten beim Automobilzulieferer, inklusive Leiharbeiter, Auszubildenden und bereits Gekündigten. Die Streiks wurden nicht nur bei der üblichen Erbsensuppe abgehalten, sondern der Zorn entlud sich auch durch Blockaden der Lkw, um fertige Teile an der Abfahrt zu verhindern. Nach Androhung der Räumung durch die Polizei wurden die Blockaden jedoch aufgegeben. Es gab Familienfeiern, Flashmobs in der Innenstadt, Besuch von der streikenden Amazonbelegschaft, Demonstrationen in Frankfurt zur Begleitung der Verhandlungen, einen Autokorso – der Zusammenhalt wuchs. NHG versuchte erfolglos, durch eine einstweilige Verfügung den Streik zu stoppen, womit sie die Wut noch mehr entfachten.

Die Belegschaft brachte nicht nur den eigenen Betrieb zum Stillstand, sondern erzielten auch Auswirkungen bei weitere Kunden. Der Chef des Kölner Motorenbauers Deutz, der auf Komponenten von NHG angewiesen ist, wandte sich gar per Youtube an die Öffentlichkeit, um das Ende des Streiks zu fordern. Zusammen mit 26 Unternehmen der Maschinenbaubranche aus Italien, Österreich, Schweden und Frankreich schaltete Deutz eine Anzeige in der FAZ, um vor den Auswirkungen des Streiks auf andere Unternehmen zu warnen.

Auch die Hauptamtlichen der IG Metall erklären den Streik zum Sinnbild dafür, wie die Gewerkschaft sich verhält, wenn zwei Riesen auf dem Rücken von Beschäftigten ihren Konkurrenzkampf in der Autoindustrie austragen.

Wurde der Arbeitskampf in den ersten Wochen intensiv geführt, hört man seit Ende Juli weniger. Seit dem 30.Juli arbeiten die Beschäftigten wieder,  der Arbeitskampf wurde unterbrochen, nachdem der Arbeitgeber sich durchgerungen hat, den von der IG Metall vorgeschlagenen Schlichter Lothar Jordan zu akzeptieren.

Inzwischen sind drei Schlichtungstermine verstrichen und der vierte auf den 22.August vertagt – wegen sich ändernder Rahmenbedingungen, die nicht näher spezifiziert wurden.

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