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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 10/2017

Der Hass der Buddhisten
von Dominik Müller

Selbst der als so friedfertig geltende Buddhismus kann, wie alle Religionen, von Hasspredigern für ihre Zwecke vereinnahmt werden – wie z.Zt. in Myanmar. Dort hatten viele buddhistische Mönche, Angehörige des eher konservativen Theravada-Buddhismus, die Mabatha gegründet, die einflussreiche «Organisation zum Schutz der Rasse und Religion». Ihr Feindbild: Muslime, vor allem die muslimische Minderheit der Rohingya.

Die Rohingya waren bis zum konzertierten Angriff auf mehrere Militär- und Polizeikasernen im vergangenen August noch nie mit einer nennenswerten bewaffneten Aktion in Erscheinung getreten, im Unterschied zu nichtmuslimischen Minderheiten Myanmars, deren Guerilla-Gruppen sich seit Jahrzehnten im Bürgerkrieg mit der Zentralregierung befinden.

Wer in Myanmar allein das Wort «Rohingya» in den Mund nimmt, macht sich schon verdächtig. Von den Mönchen werden sie in abwertend «Bengali» genannt, was sie als «illegale» Flüchtlinge aus Bangladesh brandmarken soll. Auch die faktische Staatschefin, Friedensnobelpreisträgerin Aung San Su Kyi, spricht den Rohingya die geforderten Staatsbürgerrechte ab, die sie einst genossen haben.

Die Rohingya werden seit vielen Jahren diskriminiert. Schon die alte Militärregierung unterstellte ihnen, unrechtmäßig aus Bangladesh eingewandert zu sein. In den Jahren nach der Unabhängigkeit Mitte des vergangenen Jahrhunderts waren die Rohingya, die schon seit mehreren Generationen im damaligen Burma lebten, jedoch noch eine anerkannte Minderheit.

1982 verabschiedete die Militärregierung ein Gesetz, das die Rechte der Bewohner entlang ethnischer Zugehörigkeit definierte: Insgesamt 135 Ethnien sind seitdem als Staatsbürger anerkannt. Die größte Gruppe, mehr als 60 Prozent der Bevölkerung, stellen die buddhistischen Bamar, nur den Rohingya wurden die Staatsbürgerrechte aberkannt.

 

Investoreninteresse

Staatliche Stellen waren und sind Komplizen bei den Pogromen gegen die Rohingya. Eine Vorzugsbehandlung genießen hingegen Investoren aus China, Indien, Japan, Südostasien, den USA und Europa, die Geschäfte machen wollen. Myanmar verfügt über zahlreiche Ressourcen: fruchtbares Ackerland, Erdöl, Erdgas, Kupfer, Bauxit und billige Arbeitskräfte. Zusammen mit Investoren will die Regierung mehrere Dutzend Megastaudämme errichten sowie drei Tiefseehäfen  einschließlich angrenzender Sonderwirtschaftszonen. Sozial-ökologische Wirkungsstudien, geschweige denn entsprechende Schutzrechte, gibt es nicht. Ein Investorenparadies.

Eines dieser Investorengroßprojekte ist in Kyauk Pyu, einer Kleinstadt im Bundesstaat Rakhaing, in dem auch die meisten Rohingya leben: Es umfasst einen Tiefseehafen einschließlich einer 800-Kilometer-Pipeline, mit der die staatliche chinesische Ölgesellschaft China National Petroleum Cooperation Gas und Erdöl in die unterentwickelte Provinz Yunnan transportieren will. Zudem ist seit 2009 eine Sonderwirtschaftszone geplant, für die Teile von Kyauk Pyu und insgesamt 40 angrenzende Dörfer weichen sollen.

Bis zu den Pogromen 2012 waren viele dieser Dörfer von Rohingya bewohnt. Mehrere hundert leben seitdem am Rande von Sittwe, der Hauptstadt von Rakhaing, in einem von Polizei und Militär bewachten Flüchtlingscamp. In ihrer Heimat, eine halbe Tagesreise von Sittwe entfernt, waren fast alle Fischer. Seit dort Probebohrungen gemacht und Gas gefunden wurde, durften sie nicht mehr fischen. Auch die geplante Sonderwirtschaftszone hat gravierende Auswirkungen auf die Bewohner von Kyauk Phyu, das Land ist mehr wert als früher, man will aber keine Entschädigungen zahlen. Insgesamt wurden rund 5000 Rohingya aus Kyauk Phyu vertrieben.

 

Die Existenzgrundlage wird vernichtet

Gewalt und Diskriminierung richten sich seit Jahren nicht nur gegen die Rohingya, sondern allgemein gegen Muslime in Myanmar. Auch in anderen Landesteilen kam es zu blutigen Übergriffen und es gab zahlreiche Tote. Zuvor besuchten oft buddhistische Hass­prediger die Orte und warnten davor, dass der Islam im allgemeinen und die muslimischen Rohingya im besonderen die buddhistische Religion und die Nation Myanmars unterwandern würden und die Sharia durchsetzen wollten.

Während der sog. «Happy Season» von Oktober bis Februar werden in jeder Stadt Myanmars ganze Straßen für buddhistische Predigten abgesperrt. Vor Tausenden Anhängern reden Mön­che Abend für Abend über Meditation, Selbstgenügsamkeit und die Tugenden des Buddhismus, aber auch über seine Verteidigung gegen vermeintliche Bedrohungen wie den Islam. Dass nur 4 Prozent der Bevölkerung Myanmars Muslime sind, ist dabei nicht von Belang. Eines der Argumente der rund 500000 Mönche im Land ist, dass auch Länder wie Afghanistan oder Indonesien früher buddhistisch gewesen seien und Myanmar das gleiche Schicksal der Islamisierung drohe, wenn man nichts dagegen unternehme.

Es gab eine Zeit, da wurde auch der Buddhismus vom Militärregime unterdrückt. Laut Saw Hlaing Bwa ist das heute anders, radikale Organisationen wie Mabatha machten sich diese Entwicklung zunutze und predigten ihren Hass auf der Straße. Auch die Marktöffnung hat Auswirkungen auf die kleinen Leute. 70 Prozent der Bevölkerung leben von der Landwirtschaft – oft als Kleinbauern. Sie fallen zunehmend der Landspekulation zum Opfer, die durch internationale Investoren angeheizt wird. Die Folge: Der Preis für Land und Grundnahrungsmittel ist in den vergangenen Jahren enorm hochgeschnellt, der Preis für Land hat sich je nach Region versiebenfacht, bei vielen Grundnahrungsmitteln gibt es eine zweistellige Teuerungsrate.

 

Rassistische Gesetze

Das von der Europäischen Union vorangetriebene Freihandelsabkommen mit Myanmar wird diese Entwicklung weiter beschleunigen. Soziale Spannungen werden zunehmen. Die Saat scheint aufzugehen. Kaum ein buddhistischer Mönch in Myanmar wagt sich, Mabatha, die Organisation zum «Schutz der Rasse und Religion», zu kritisieren, bei der bildungsaffinen Jugend zeigen auch europäische Hassfilme wie der mit Untertiteln versehene Film Fikra des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders Wirkung. Darin wird der Islam als blutrünstige Religion dargestellt.

Schon auf der Gründungskonferenz legte Mabatha Gesetzesvorschläge vor: Demnach muss ein Religionswechsel von lokalen Behörden genehmigt werden; in Regionen mit hoher Geburtenrate sollen Frauen per Gesetz verpflichtet werden, weniger Kinder zu bekommen, buddhistische Frauen, die Männer mit anderer Religionszugehörigkeit heiraten, sollen nicht konvertieren dürfen. Mitglieder zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich dagegen wandten, erhielten Morddrohungen und wurden von Mabatha als «Verräter der nationalen Sache» verunglimpft. Mittlerweile sind mehrere dieser Vorschläge als Gesetze verabschiedet worden.

Aung San Su Kyi, eine gläubige Buddhistin, die zur Volksgruppe der Bamar gehört, hat es schon als Vorsitzende der größten Oppositionspartei vermieden, Position für die Rohingya oder Muslime in ihrem Land zu beziehen. Heute brüskiert die faktische Staatschefin selbstbewusst die UNO. Denn sie weiß genau, dass es nur lauwarme Ermahnungen geben wird. Eine Mehrheit für weitergehende Sanktionen wird es nicht geben. Denn den Wirtschaftsboykott, den der Westen bis vor einigen Jahren gegen das geostrategisch so wichtige Land zwischen Indien und China verhängt hatte, wusste vor allem die daran nicht beteiligte Regierung in Peking zu nutzen, um ihre Einflusszone zu erweitern. Die Zukunft der Rohingya, so steht zu befürchten, wird auf dem Altar der militärischen und wirtschaftlichen Interessen geopfert.

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