An den Rand notiert
von Rolf Euler
Alljährlich zur Tagung der Eliten aus Wirtschaft und Politik in Davos im Januar erstellt die Nichtregierungsorganisation Oxfam einen Bericht zur Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen.
Die darin veröffentlichten, skandalösen Zahlen haben bisher nie wirksam Eingang in die Verhandlungen über wirtschaftliche Entwicklung, Strategien oder politische Maßnahmen der Zukunft gefunden.
Der Auftritt von Greta Thunberg vor vier Jahren machte Schlagzeilen, weil sie den Mut hatte Klartext zu reden – aber in Zeiten des Krieges geht es mal wieder nicht um Gerechtigkeit, sondern um das Überleben einer überlebten Wirtschaftsweise – sei es durch »Greenwashing«, »grünes« Wachstum, CO2-Kompensationszahlungen, Aufschwung der militärischen Ausgaben oder durch die Abweisung klimaschützender und Resilienz unterstützender politischer Forderungen.
Die Zahlen, die Oxfam jedes Jahr zusammenträgt, zeigen die zunehmende Verteilung der Vermögen hin zu den Reichsten der Welt:
Im Jahr 2002 gehörten den ärmsten 50 Prozent der Bevölkerung in Deutschland 0,5 Prozent des Nettovermögens, den reichsten 10 Prozent gehörten 58 Prozent.
Im Jahr 2021 hielten die untersten 50 Prozent 1,3 Prozent des Vermögens, die obersten 10 Prozent aber 67,3 Prozent – eine immense Steigerung der Vermögensungleichverteilung sowie eine steigende Gerechtigkeitslücke, wenn man unter »Gerechtigkeit« auch nur annähernd gerechte Chancen, gerechte Lebensweise, gerechte Wirtschaftserfolge für alle versteht.
Die Zahlen – nein: die Verhältnisse! – werden noch skandalöser, betrachtet man nicht die obersten 10 Prozent der Bevölkerung, sondern das oberste 1 Prozent: Es hält 35 Prozent des gesamten Vermögens, die obersten 0,1 Prozent aber (das sind rund 85000 Menschen) halten einen Anteil am gesamten Vermögen von über 20 Prozent!
Das sind die Zahlen für Deutschland, in den USA sind die Verhältnisse noch extremer. Den paar tausend Milliardären auf der Welt haben Krisenentwicklung und Politik in den letzten zehn Jahren zur Verdoppelung ihres extremen Vermögens verholfen.
Auf der anderen Seite wachsen bei der armen Bevölkerung Hunger und Verelendung, das ist der tödliche Anteil dieser Reichtumsvermehrung.
Thomas Piketty hat in seinem neuen Buch Eine kurze Geschichte der Gleichheit – das ich sehr empfehle! – die lange Geschichte der kapitalistischen Vermögensverteilung ausführlich untersucht. Demokratie, Sozialismus und progressive Einkommensteuer breit diskutiert und auf neue Weise dargestellt. Er und Oxfam fordern grundlegende Änderungen: progressive Steuern und Änderung der Eigentumsverhältnisse.
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