Arbeitshetze und Unfälle sind an der Tagesordnung
von Rolf Euler
Es macht immer wieder wütend, was für Arbeitsbedingungen im »modernen« Kapitalismus an der Tagesordnung sind, und wie unterbesetzte Behörden gar nicht nachkommen, Änderungen einzufordern, wenn Gefahren im Verzug sind. Greenwashing und Beschönigungen gegenüber der offiziellen Politik, Drohungen gegen Beschäftigte, die das anprangern, und eine Produktion, die die Wasserversorgung einer ganzen Region in »Geiselhaft« nimmt – das ist die Milliardärsstrategie des Elon Musk – unter dem Beifall von Landes- und Bundesregierung.
Günter Wallraff lässt grüßen: In einer Undercoveraktion haben Journalist:innen von RTL und Stern in der Tesla-Fabrik in Grünheide gearbeitet und erhebliche Missstände erlebt und aufgezeichnet.
In Grünheide wurde das Tesla-Werk aus dem Boden gestampft und innerhalb kurzer Zeit die Produktion begonnen – ausführlich gelobt von der Brandenburgischen Landesregierung. Und das in einem Wasserschutzgebiet, wo sogar die Anzahl der Kühe begrenzt ist, die dort grasen dürfen.
Die Aktion der Journalist:innen ist in einem Blog aufgezeichnet, sie ist unter https://plus.rtl.de nachzuhören. Mit Originaltönen von Beschäftigten und Ehemaligen wird deutlich, wie sehr in der Firma gegen den Arbeitsschutz und die Arbeitssicherheit verstoßen wird.
Den investigativen Journalist:innen wurden die Einsatzberichte der Rettungswagen zugespielt, da sie zunächst vergeblich versucht hatten, von den Behörden Auskunft über die Arbeitsunfälle zu bekommen. Es stellte sich heraus, dass gegenüber anderen Autofabriken deutlich überdurchschnittlich Einsätze gemeldet wurden. Ein Mitarbeiter erzählt, »jeden Tag« wären Krankenwagen vorgefahren. Es wird von Unfällen berichtet, wo ein Finger abgetrennt wurde, der Kollege aber nach wenigen Tagen zurück zur Arbeit musste.
Eine Arbeiterin berichtet, dass sie Sorge hat, das Band würde nicht automatisch anhalten, wenn die Beschäftigten nicht schnell genug mit einem Auto fertig werden und das nächste herangefahren wird. Man könnte mit dem Fuß drunter kommen. Es gibt keine automatische Notvorrichtung, die das Band stoppt, man muss es von Hand anhalten, aber die Beschäftigten sagen, dass das Band sehr schnell läuft und die Stückzahl immer oberste Priorität hat, sodass sie Sorge haben, doch einen Unfall zu erleiden.
Ein Kollege berichtete, dass er elektrische Arbeiten machen musste, für die er nicht zertifiziert war, weil kein anderer auf der Schicht war, der sie hätte machen können. Er erlitt einen Schlag. Der Druck, zu schnell und viel zu arbeiten, sei unheimlich hoch.
Gelockt mit billigen Arbeitskräften
Tesla beschäftigt Subunternehmer, bei denen Heuern und Feuern gang und gäbe ist. Brandenburgs Ministerpräsident hatte Elon Musk unter anderem damit »gelockt«, dass der osteuropäische Arbeitsmarkt gut erreichbar sei. So kommen viele Kollegen mit anderen Sprachen zum Einsatz.
Durch die Recherche kam heraus, dass in einer Schleifwerkstatt keine Absaugeinrichtung vorhanden war, sodass die dort Beschäftigten dem Aluminiumstaub ausgesetzt waren. Sie hatten nur Masken, die sie im Sommer nicht lange aufbehalten konnten. Anstelle einer Absaugung wurde ein Lüfter eingesetzt, der den Staub nur stärker verteilte, sodass andere Bereiche ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen wurden.
Ein Vorarbeiter erzählte, sie seien in das Tesla-Werk in Freemont (USA) geschickt worden, um sich daran ein Beispiel zu nehmen, aber die dortigen Bedingungen entsprechen nicht den hiesigen Vorschriften und es herrscht eine schlimme Arbeitshetze. Doch diese Arbeitsbedingungen seien auf das deutsche Werk übertragen worden. Dadurch entstünden Unfälle beim Transport und Lagern, die auch schon mal die ganze Halle unter Wasser gesetzt habenen. Oder es fallen von der Decke Teile ab, und das in einer neu gebauten Werkshalle.
Der Podcast enthält auch Einschätzungen von Juristen, die nachdrücklich betonen, dass die Werksleitung für Arbeitssicherheit und -schutz alles tun muss, um Unfälle und schädliche Auswirkungen durch Staub, Lärm und Gefahren zu vermeiden. Wenn die Betroffenen sich nicht trauen, Fehler anzumerken, weil sonst eventuell die Entlassung droht, ist der Rechtsschutz in Gefahr.
Die Journalist:innen haben versucht, beim Landesamt für Arbeitsschutz und dem Landesumweltamt Auskünfte zu bekommen. Erst spät erhielten sie einen Katalog von Berichten über Werksbesuche. Dabei stellte sich heraus, dass Werkskontrollen frühzeitig angekündigt wurden. Ein Kollege erzählte, für den Tag hätten sie Schutzkleidung und Verhaltensvorschriften erhalten. Die Schutzanzüge hätten sie danach aber wieder abgeben müssen, damit sie bei der Kontrolle in einer anderen Abteilung vorrätig waren.
Leider wird in dem Blog nicht berichtet, was die undercover Arbeitenden mit dem Betriebsrat oder der Gewerkschaft zu tun hatten. Schließlich wäre ein Betriebsrat ja die erste Anlaufstelle, bei der Beschwerden und Unfallgefahren von den Beschäftigten zu melden wären.
…der Erfolg!
Am 9.Oktober kam die Meldung, mehr als tausend Beschäftigte von Tesla hätten in einer erstmaligen Aktion bessere Arbeitsbedingungen gefordert. Sie hätten sich in der Nacht- und Frühschicht mit IG-Metall-Aufklebern auf T-Shirts und der Aufschrift »Gemeinsam für sichere und gerechte Arbeit bei Tesla« gezeigt, teilte ein Sprecher der IG Metall mit. Damit hat die heimlich geführte Untersuchung im Werk und ihre Aufarbeitung in dem Blog eine breite Öffentlichkeit und vor Ort eine Wirkung erreicht. Der Blog soll weiter geführt werden.
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