Uri Jitzschak Katz: Aus dem Nichts kommt die Flut. Hamburg: Hoffmann und Campe, 2024. 572 S., 26 Euro
von Elfriede Müller
Der erfolgreiche israelische Drehbuchautor Uri Jitzschak Katz hat seinen ersten Roman vorgelegt, der sich zum Teil wie ein Drehbuch liest. Ein verwirrendes und auch verwirrtes Werk, das manchmal spannend, lustig, traurig, klug, überraschend und dann wieder langatmig ist.
Verschiedene Erzählstränge aus unterschiedlichen Zeiten werden über eine Erzählung zusammengeführt, deren Autor abhanden gekommen scheint und die sich am Ende als ein Text kollektiver Autorenschaft erweist. Im Kafka-Jahr dürfte der Bezug zum Starautor zum Erfolg des Buches beigetragen haben.
Der fulminante Einstieg erfolgt mit genau dieser Erzählung »Der Mann, dem das Gesicht in Grimm erstarrte«, ein Manuskript aus dem Tschechischen von 1908, das im Laufe der Jahre und Kriege von unterschiedlichen Autor:innen fortgeschrieben wird. Die gegenwärtige Hauptfigur des Romans – ein alter Ego des Autors in der Midlife Crisis, der über seine wenig glaubhafte Beziehung zu einer jüngeren Frau lamentiert – sucht nach dem Verbleib des Manuskripts und dessen Autor:innen. Vom Prag zu Beginn des 20.Jahrhunderts über die Gründung Israels und die folgenden Kriege seit seinem Bestehen bis zur Besatzung verfolgt Katz die Geschichte des Manuskripts.
Die Fortschreibung der Erzählung hält den Spannungsbogen aufrecht. Vor allem die Science-Fiction-Version eines Autors nach dem Ende des Prager Frühlings, die sich fast durch das ganze Buch zieht, weist auf die Gefahren einer Digitalisierung der Welt hin, die er in der Verschmelzung von Mensch und Maschine sieht.
Es gibt einige interessante Personen des Romans, die eine zentralere Rolle verdient hätten, wie die kluge und schöne Leila aus Jaffa, die zwischen den Welten des damals kosmopolitischen Ortes lebt, oder der Palästinenser Hamda, »der viermal in seinem Leben zu spät zu Massakern gekommen war«. Es gelingt Katz leider nicht, die persönlichen Krisen mit den gesellschaftlichen Krisen Israels und Palästinas wirklich zu verknüpfen. Gleichwohl gibt der Roman einen guten Überblick über die widersprüchliche Entstehung Israels und die Konsequenzen für die ganze Region.
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