Die Linke und ihr Verhältnis zu bürgerlichen Demokratie
von Angela Klein
Dem Deutschen Bundestag liegt ein fraktionsübergreifender Antrag gegen die AfD vor. Er fordert die Einleitung eines Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht um festzustellen: 1. die AfD ist verfassungswidrig; 2. ihr Vermögen wird eingezogen, hilfsweise: sie wird von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen.
Flankiert wurde der Antrag von einer Petition für das Verbot der AfD, die Stand 16.Oktober 868.671 Unterschriften trug. Außerdem haben der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und der Postmigrantische Jurist:innenbund (PMJB) einen Aufruf lanciert, der ebenfalls fordert: »AfD-Verbot jetzt! Menschenwürde verteidigen!« Die dort vertretene Position wird auch von radikalen Linken unterstützt.
Es ist fraglich, ob der Antrag im Bundestag durchkommt – quer durch die Fraktionen (abgesehen von der AfD natürlich) sagen Gegner:innen, man dürfe »Täter nicht zu Opfern« machen, es brauche »eine andere Politik« (Markus Söder). Sie haben Angst, ein Verbot könnte der AfD noch mehr Zulauf verschaffen.
Damit ist das ganze Problem, das die bürgerliche Mitte mit dem aufsteigenden Faschismus hat, bereits umschrieben. Denn zu der »anderen Politik« hätten diese Parteien längst Zeit gehabt, sie haben sich aber darin geübt, stückweise immer mehr Forderungen der AfD zu übernehmen, mit dem Argument: »Wenn wir das nicht tun, wird die AfD stark«.
Nun, stark ist sie auch so geworden, mit dem Unterschied, dass sich zugleich das ganze Parteienspektrum nach rechts bewegt hat. Die bürgerliche Strategie, die AfD klein zu halten, ist gescheitert – schon deshalb, weil die bürgerliche Mitte in Fragen wie etwa dem Asylrecht gar keine andere Politik will als die AfD, sie will sie nur geräuschloser, bürokratischer.
Wird das nun anders, wenn die Partei verboten wird? Natürlich würde der Aktionsspielraum der AfD dadurch zunächst erheblich beeinträchtigt. Aber so, wie die NPD in der Gestalt der Partei »Die Heimat« wieder auferstanden ist, so würde auch die AfD unter anderem Namen wieder auferstehen. Oder eine andere Partei würde ihr ihren Namen leihen (die FDP vielleicht?). Die Tatsache jedoch, dass zunehmend mehr Menschen die bestehende bürgerlich-parlamentarische Demokratie nicht mehr für den geeigneten Rahmen halten, ihre Interessen zur Geltung zu bringen, bleibt bestehen. Die Tendenz wird noch zunehmen, je finsterer die extreme Mitte sich entschlossen zeigt, den Reichen zu geben und von allen anderen zu nehmen.
Die Petition, aber auch der Aufruf des RAV tun jedoch so, als handele es sich bei der AfD um einen Fremdkörper, der sich von außen in der bürgerlichen Demokratie eingenistet hat. Entferne man den Krankheitsherd, sei der Patient wieder gesund.
Die AfD handele »gegen unsere Verfassung«, »unsere« Demokratie müsse dagegen »wehrhaft« sein. Unselige Worte. Sie wurden einst geprägt, um in den 70er Jahren Berufsverbote gegen die antikapitalistische Linke zu begründen. Sie wenden sich auch jetzt genauso gut gegen linke Konzepte, die der Konzernherrschaft Selbstverwaltung von unten und Formen der direkten Demokratie entgegensetzen wollen. Die Petition ist da ganz deutlich, sie beruft sich positiv auf das Verbotsverfahren gegen die Nachfolgeorganisation der NSDAP (die SRP) wie auf das gegen die KPD. Der Aufruf des RAV setzt sich mit dieser Gleichsetzung rechts = links nicht auseinander.
Auch in Sachen autoritäre Wende hat die AfD leider kein Alleinstellungsmerkmal. Wer verhängt denn Maulkörbe in Sachen Israelkritik? Wer hat denn den Kunstgriff gefunden, die »Staatsräson« gegen den demokratischen Meinungsaustausch zu setzen? Wer diffamiert denn eine grundsätzlichere Kritik sogleich als Feindpropaganda? Wer versucht denn, die Medien zu Kampfmaschinen gegen unliebsame Kritiker:innen zu machen? Das ist nicht das Werk der AfD. Wenngleich es ihr gefallen dürfte, denn genau diese Einschränkungen demokratischer Rechte werden es sein, die sie ihrerseits nutzen und noch ausbauen wird, wenn sie politische Schalthebel in die Hände bekommt.
Es gibt keine feste Mauer zwischen der bürgerlichen Demokratie und einem autoritären oder faschistischen Staat. Orbán und Kaczynski haben in Ungarn und Polen vorgemacht, wie eine bürgerliche Demokratie von innen ausgehöhlt wird. Und auch Hitler ist legal an die Macht gekommen.
Fakt ist vielmehr, dass die bürgerliche Demokratie eine rein formale ist; sie muss den Widerspruch in sich vereinen, angeblich allen Menschen eine politische Teilhabe zu ermöglichen und zugleich die Herrschaft der kapitalbesitzenden Klasse abzusichern. Je größer aber die soziale Ungleichheit und die Unsicherheit der Lebensbedingungen für die große Mehrheit werden, desto mehr bricht dieses Kartenhaus in sich zusammen.
Der Parteitag der Linken hat den im Bundestag eingebrachten Antrag ausdrücklich unterstützt. Wie aber soll die Linke jemals »Krise können«, wenn sie sich schützend vor das System stellt, das viele Menschen in die Verzweiflung treibt? Wenn sie Ursache und Wirkung verwechselt? Demokratische Rechte und Demokratie als Herrschaftsform des Kapitals nicht auseinanderhält?
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